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Forscher Energiewende hat Deutschland 29 Milliarden Euro gespart

Die Energiewende ist teuer? Ganz im Gegenteil, sagt ein Professor aus Erlangen.

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Seit Jahren streiten Verbraucher, Gegner und Befürworter der Energiewende, Experten und Politiker um die gestiegenen Strompreise. Die Energiewende koste Deutschland Kopf und Kragen monieren die einen; die anderen sagen, die Ausgaben seien zukunftsträchtig angelegt.

Nun könnte der Professor und Energieexperte Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit einem "Diskussionspapier (hier als PDF) den Streit entscheiden. Er kommt zu dem durchaus überraschenden Ergebnis: Der verstärkte Ausbau der erneuerbaren Energien seit dem Atomausstieg im Jahr 2011 habe den Deutschen sogar Geld gespart. Ja, Sie haben richtig gelesen ... gespart!

Einsparung von knapp 29 Milliarden EuroWie kann das sein, mögen sich manche jetzt fragen? Die Antwort: Karl hat sich angesehen, wie sich die Preise an der Strombörse in Leipzig in den Jahren 2011, 2012 und 2013 entwickelt hätten, wären nach Fukushima keine Erneuerbaren in Deutschland zugebaut worden.

Das Ergebnis ist, dass die Strompreise an der Börse, wo ungefähr die Hälfte der in Deutschland erzeugten Elektrizität gehandelt wird, ohne die Erneuerbaren in den vergangenen Jahren stark gestiegen wären.

Für das Jahr 2013 errechnet Karl ohne Erneuerbare einen Börsenpreis von rund neun Cent pro Kilowattstunde. Tatsächlich, also dank der Einspeisung von Wind- und Solaranlagen, habe der Börsenpreis in Leipzig im Schnitt bei 3,78 Cent pro Kilowattstunde gelegen. Ein Unterschied von 5,29 Cent.

Da die EEG-Umlage für die Verbraucher im Jahr 2013 bei rund 5,28 Cent gelegen habe, folgert Karl, dass die Verbraucher sogar etwas Geld gespart hätten.

Der Grund für die Steigerung dürfte jedem einleuchten. Karl schreibt, dass ohne die Erneuerbaren in Deutschland nach dem Atomausstieg einfach zu wenige Kraftwerke verfügbar gewesen seien. Die Nachfrage hätte also das Angebot überschritten, die Preise an der Börse wären gestiegen – und zwar saftig.

Rechnung mit Lücken?Im Ergebnis, so hat es Karl errechnet, haben die Erneuerbaren zwischen 2011 und 2013 den Börsenpreis so stark gedrückt, dass Strompreissteigerungen in Höhe von 28,7 Milliarden Euro vermieden wurden.

Der Haken an der Sache: Der Ottonormalverbraucher hatte davon nichts. Denn da er die EEG-Umlage voll zahlt, wäre sein Strompreis auch ohne Erneuerbare in etwa gleich geblieben.

Die Industrie dagegen profitierte stark: Denn viele Betrieb sind von der EEG-Umlage befreit – zusätzlich konnten sie sich über niedrige Börsenstrompreise im Zuge der Energiewende freuen. Sie stehen also als eigentliche Profiteure da.

Hinzu komme, schreibt Karl: Da fossile Kraftwerke nach dem Atomausstieg fehlten, hätte ihre Erzeugung an 269 Stunden im Jahr 2013 nicht ausgereicht, um den Strombedarf in Deutschland zu decken. Diese Lücke haben die Erneuerbaren geschlossen.

Allerdings, so gibt Karl zu, hätte diese Lücke auch durch Stromimporte aus dem Ausland oder Reservekraftwerke gedeckt werden können.

Energieeffizienz ignoriertDer letzte Punkt wirft Fragen auf: Ist Karls Rechnung zwar schön und gut, aber völlig theoretisch?

Denn hätte die Bundesregierung wirklich so viele Atomkraftwerke vom Netz genommen, wenn sie gewusst hätte, dass kein adäquater Ersatz existiert (in diesem Fall wären die Börsenstrompreise wohl kaum gestiegen)?

Und hätte die Bundesregierung nicht den Bau neuer Kraftwerke (Kohle oder Erdgas) forciert, um die Lücke auszugleichen, die der Atomausstieg gerissen hat?

Wäre die Rechnung also nicht redlicher gewesen, wenn Karl die Kosten für neue herkömmliche Kraftwerke und erneuerbare Energien im Zeitraum zwischen 2011 und 2013 verglichen hätte?

Ja, wäre es wahrscheinlich. Und diesen Fragen widmet sich Karl am Ende der Studie auch. Allein mit vier neuen Kohlekraftwerken wäre der Börsenpreis stärker gesunken als mit dem Zubau von Wind- und Solaranlagen (nämlich auf 2,7 Cent), schreibt er.

Karl merkt aber an: Da fossile Kraftwerke sehr viel längere Planungszeiten als Erneuerbare haben, hätten sie die Stromlücke nach 2011 kaum schnell genug schließen können.

Außerdem, so schreibt er, fehle das Potenzial für Energieeinsparung. Damit hat zum Beispiel Japan nach dem Desaster in Fukushima einen Teil der wegfallenden Leistung aus Atomkraftwerken wettgemacht.

Karl geht also in seiner Studie von einem Worst-Case-Szenario aus. Immerhin: Dass die Energiewende in diesem Szenario Deutschland Geld gespart hat, ist gut zu wissen.

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