Forschung in der "Klimakammer" So verändert CO2 unsere Lebensmittel

CO2 verursacht künftig Dürren und Unwetter - doch das Treibhausgas verändert etwa Weizen auch ganz direkt.

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Für den Weizen wird es eng. Dass das beliebte Nahrungsmittel unter dem Klimawandel leiden wird, ist für viele Forscher ausgemachte Sache. Schlechtere Backeigenschaften und weniger Nährstoffe sind die Auswirkungen des wachsenden Anteils des Klimagases CO2 in der Atmosphäre. So lautet das alarmierende Ergebnis von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim.

Weizen stellt in vielen Regionen dieser Erde ein wichtiges Grundnahrungsmittel dar. Etwa 20 Prozent des weltweiten Kalorienbedarfs wird allein durch dieses Getreide gedeckt. "Das Problem der Fehlernährung könnte sich also in Zukunft noch erheblich verstärken", warnt Professor Andreas Fangmeier, der sich mit dem Weizen beschäftigt.

In rund 30 Jahren wird die Atmosphäre erheblich mehr Kohlendioxid enthalten als heute. Neben indirekten Folgen wie Klimaerwärmung und häufigeren Extremereignissen kann sich das CO2 auch direkt auf die Kulturpflanzen auswirken: Das Treibhausgas könnte als Dünger wirken und die Erträge erhöhen, darunter könnte allerdings die Qualität leiden.

Das nehmen Wissenschaftler der Universität Hohenheim nun in einem Forschungsprojekt genauer unter die Lupe. Ihre bisherigen Erkenntnisse gewannen die Forscher um Fangmeier in sogenannten Klimakammern, in denen die voraussichtlichen Temperaturen und die CO2-Gehalte im Jahr 2050 simuliert wurden. Auf diese Wiese konnten sie feststellen, wie sie sich das Klima auf Ertrag und Qualität von Weizen auswirken.

Verglichen wurden also Szenarien mit dem heutigen CO2-Gehalt von 400 ppm und dem in 30 Jahren von 550 ppm. Jetzt werden die Ergebnisse im Freiland überprüft. Je nach Windrichtung und -stärke wird CO2 über dünne Leitungen direkt in die Pflanzenbestände abgegeben, so dass die gewünschte Konzentration entsteht. Wind, Sonnenstrahlung und Verdunstung beeinflusst dies nicht.

CO2 reduziert Proteine und Nährstoffe"Die Backfähigkeit von Weizen hängt in erster Linie vom Proteingehalt und von der Zusammensetzung der Proteine im Mehl ab", erläutert Fangmeier. "Wir haben festgestellt, dass eine CO2-Erhöhung in der Atmosphäre den Proteingehalt im Weizen reduziert. Auch der Gehalt an Gluten, das als Kleberprotein für gute Backfähigkeit sorgt, sinkt durch mehr CO2."

Die Zusammensetzung der Proteine verändere sich ebenfalls, und damit auch die Verarbeitungsqualität. Und die Nährstoffgehalte sinken: "Nach unseren Erkenntnissen sinken bei höheren CO2-Konzentrationen die Gehalte an Calcium, Eisen, Magnesium und Zink", so der Forscher. Auch die Konzentration der Aminosäure sinke um bis zu elf Prozent.

Die Wissenschaftler der Universität Hohenheim sind nicht die einzigen, die Alarm schlagen. Dass schon kurze Hitzeperioden dem Weizen empfindlich schaden können, belegte 2012 eine Studie in Indien. Miroslav Trnka von der Mendl University in Brünn mahnt, dass der Weizenanbau in Europa erhebliche Probleme bekommen kann, wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht. So werden in Spanien, Italien und angrenzenden Teilen des Mittelmeerraums vor allem die häufigeren Dürren das Wachstum des Weizens behindern. In weiten Teilen Südosteuropas, darunter der Türkei, dem Balkan und der Ukraine sorgt vorwiegend der zunehmende Hitzestress für Ernteeinbußen.

"Die größte bislang bekannte Gesundheitsgefahr durch den Klimawandel"Für Mittel- und Nordosteuropa prognostizieren die Forscher dagegen vor allem Probleme durch Kälte und zu viel Regen. In Großbritannien und den nordwestlichen Küstenregionen Europas werden Überschwemmungen nach Starkregen immer häufiger die Felder unzugänglich machen

Forscher der Harvard Universität in Boston im US-Staat Massachusetts haben auf  Versuchsflächen in den USA, Australien und Japan festgestellt, dass in Weizenkörnern der Zinkgehalt um 9,3 Prozent sank und der Eisengehalt um 5,1 Prozent. Auch bei Reis, Erbsen und Soja lagen die Werte niedriger als beim derzeit vorhandenen CO2-Niveau. Als recht CO2-resistent erwies sich dagegen Hirse.

Also nur ein paar Zutaten, die sich im Prozentbereich in ihrer Zusammensetzung ändern? Davon dürfe man nicht ausgehen, sagen die Harvard-Forscher: Diese Änderungen seien die größte bislang bekannte Gesundheitsgefahr durch den Klimawandel, warnen sie.

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