Lange galten die USA als Klimasünder Nummer eins. Doch seit Präsident Barack Obama vor einigen Monaten angekündigt hat, die nationalen Treibhausgasemissionen in den kommenden zehn Jahren um fast 30 Prozent zu senken, weht aus dem Weißen Haus ein anderer Wind.
So hat die US-amerikanische Umweltagentur EPA verbindliche CO2-Grenzwerte für neue Kohlekraftwerke eingeführt, die so hoch sind, dass sie Neubauten quasi ausschließen. Bereits bestehende Kohlekraftwerke sind davon zwar nicht betroffen, doch die stehen ohnehin unter Druck.
Erneuerbare und Fracking verdrängen KohleDenn Energie ist den USA günstig wie lange nicht. Die in London ansässige Nichtregierungsorganisation Carbon Tracker Initiative (CTI) geht davon aus, dass Kohle im US-Energiemix der Zukunft keine Rolle mehr spielen wird.
Ein Hauptgrund für den Niedergang des Kohlesektors ist demnach der US-Frackingboom, der Erdgas konkurrenzlos billig macht. Zudem wird Strom aus Wind- und Solarkraft immer günstiger. Außerdem lässt eine bessere Sanierung von Gebäuden die Stromnachfrage zusätzlich leicht sinken.
Daher haben rund zwei dutzend Unternehmen aus der Kohleindustrie in den vergangenen Jahren Konkurs angemeldet, heißt es im CTI-Report "Der US-Kohle-Crash" (hier als PDF).
Darunter sind auch große Player wie James River Coal oder die Patriot Coal Corporation, die vor allem in den östlichen US-Bundesstaaten Kohleminen besitzen. Über 200 Minen seien bereits geschlossen worden.
Die US-Regierung plant einen schrittweisen Rückgang der Kohleverstromung. 2015 sollen rund 13 Gigawatt vom Markt genommen werden - rund dreimal so viel wie im Vorjahr. Derzeit hat Kohle fast 40 Prozent Anteil am US-Energiemix.
Weltweiter Rückgang in Sicht?"Auf der ganzen Welt läuten jetzt die Alarmglocken", sagte Andrew Grant, Co-Autor der CTI-Studie.
Er spricht von einen Einbruch des US-Kohlemarkts. Es zeige sich, dass sich Investments in fossile Energien nicht mehr rentierten, lautet Grants Botschaft an die Anleger. Zu einem ähnlichen Schluss gelangt auch eine weitere Studie, die kürzlich veröffentlich wurde.
"Boom and Bust" lautet der vielsagende Titel des Papiers, das die Umweltschutzorganisation "Sierra Club" und die Kohle-Informationsdrehscheibe "Coalswarm" zusammengestellt haben. Studien-Co-Autorin Christine Shearer spricht vom "Anfang des Rückgangs im Kohlekraftwerk-Boom".
Der Studie zufolge liegen zwei Drittel aller Kohlekraftprojekte, die seit dem 1. Januar 2010 weltweit geplant wurden, auf Eis oder wurden mittlerweile ganz eingestellt.
China: Höhepunkt der Kohle-Energie scheint erreicht
Ein weiterer Treiber dieser Entwicklung ist China. Erst vor wenigen Jahren hat die Regierung Klimaschutz auf die Agenda gesetzt. Die starke Luftverschmutzung in den Großstädten lässt ihr kaum eine andere Wahl.
Im Reich der Mitte ist die Kohleverstromung Ende 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 0,3 Prozent gesunken – bei weiterhin gestiegenem Energiebedarf und obwohl die Wirtschaft mit einer Rate von mehr als sieben Prozent gewachsen ist.
Der größte chinesische Kohle-Produzent Shenhua erwartet für 2015 sogar, dass seine Kohle-Verkäufe um zehn Prozent sinken.
Auch Anthony Yuen, Rohstoff-Analyst der Citigroup, glaubt, dass der Kohle-Peak in China erreicht sein dürfte.
Als nächstes könnte Indien folgen: Zumindest was die Effizienz und Sauberkeit der Kraftwerke angeht. Nach Coalswarm-Informationen werden dort für jedes neue Kraftwerk sechs alte abgeschaltet.
Kohle schwächelt auch in Europa
Die "Boom and Bust"-Studie nennt auch europäische Staaten, die eine Vorreiterrolle einnehmen - obwohl der CO2-Handel in Europa brach liegt.
So bemühe sich etwa die Regierung des Kosovo, den Anteil der Erneuerbaren in den kommenden fünf Jahren auf 30 Prozent zu steigern. Und dass, obwohl sich im eigenen Boden genug Braunkohle befindet.
In Deutschland hat die Kohleenergie durch den Atomausstieg hingegen ein Revival erlebt - das aber von kurzer Dauer sein dürfte.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat erst vor wenigen Tagen einen Plan vorgelegt, der den Betreibern der ältesten und dreckigsten Kohlekraftwerke eine "Klimaschutzabgabe" abverlangt.
Allerdings sind die Einsparpläne moderat - 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid sollen eingespart werden, also weniger, als manch ein Kohlemeiler im Jahr emittiert.
Insgesamt, so die Studienautoren, befindet sich die Kohleindustrie in der Europäischen Union aber ebenfalls auf dem Rückzug.
Globale Emissionen stagnieren erstmalsZur skizzierten Entwicklung in den USA, China und Europa passt auch ein globaler Rückgang der CO2-Emissionen, der die Internationalen Energie-Agentur selbst überrascht hat. Demnach sind die globalen Emissionen im Energiesektor trotz wachsender Wirtschaftsleistung erstmals stagniert.
Steht mit einem möglichen Rückgang der Kohlestromerzeugung dem Klimaschutz nichts mehr im Wege?
Selbst wenn künftig zwei Drittel der geplanten Kohle-Kraftwerke nicht gebaut würden - es reiche das verbleibende Drittel, um die Menge an Klimagasen ausstoßen, die erlaubt seien, bevor das Zwei-Grad-Ziel überschritten sei, meinen die Studienautoren.
Eine weitere Herausforderung liegt darin, mit einem Ende des Kohle-Booms nicht auf "Brückenkonzepte" zurückzugreifen, die den Ausbau der Erneuerbaren torpedieren könnten.
So setzen die USA besonders auf die Schiefergasförderung mittels Fracking. Nun setzt Erdgas zwar wesentlich weniger CO2 frei als Kohle, mit der Umweltbilanz von Energieträgern aus Wind, Wasser und Sonne kann es aber nicht mithalten.
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Mitarbeit: Peter Vollmer