Frage der Woche E-Book oder Papierbuch - Was ist umweltfreundlicher?

Immer mehr Menschen lesen elektronisch, statt auf Papier. Aber welche Variante ist ökologischer?

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In unserer Rubrik „Frage der Woche“ gehen wir regelmäßig einer spannenden Frage nach. Heute geht es um die Frage, ob ein Ebookreader oder das gedruckte Buch ökologischer ist. Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie uns an die Adresse green@wiwo.de.

Es ist eine angenehme Sache. Statt im Urlaub den halben Koffer mit der Reiselektüre füllen zu müssen, reicht mit einem E-Bookreader der virtuelle Gang zum Bücherportal, ein paar Klicks und schon sind hunderte von Romanen auf dem Speicher und immer abrufbereit. Damit scheinen die Vorteile eines E-Bookreaders klar auf der Hand zu liegen: Platzsparend, handlich und einfach zu bedienen. Auch der Preis von 69 Euro scheint erschwinglich.

Aber ist ein E-Bookreader wie das Kindle von Amazon oder Apples iPad auch ökologischer als ein gedrucktes Buch? Schließlich wird beim Herunterladen des neuen Dan Brown Krimis ja kein Papier verbraucht. Wer digital liest schont also auch gleichzeitig den Regenwald?

Dass es nicht so einfach ist, liegt auf der Hand. Denn ein E-Bookreader verbraucht zwar kein Papier. In der Produktion verschlingen die digitalen Taschenbibliotheken dafür umso mehr Energie und Rohstoffe. Damit dürfte eine Sache klar sein: Was umweltfreundlicher ist, hängt davon ab, wie viel man liest. Wann lohnt sich der E-Bookreader also für den nachhaltigkeitsbewussten Leser? Ein Vergleich zwischen den Produktionskosten und den daraus entstehenden Umweltbelastungen von Buch und E-Bookreader gibt Aufschluss.

Kiloweise MineralienGenau das hat die New York Times vor einiger Zeit getan. Sie hat die ökologischen Kosten eines iPads im Vergleich zu gedruckten Büchern aufgeschlüsselt.

Das Appleprodukt benötigt zur Herstellung rund 15 Kilogramm Mineralien. Das sind zum einen seltene Erden, die oftmals in Kriegsgebieten und unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut werden. Den Hauptbestandteil dieses immensen Mineralienbedarfs machen allerdings Sand und Kies aus. Außerdem benötigt das iPad zur Herstellung knapp 300 Liter Wasser, hauptsächlich für Batterie und Leiterplatten.

Zum Vergleich: Zur Gewinnung der Rohstoffe für ein einzelnes Buch werden gerade einmal 0,3 Kilogramm Mineralien, bei denen wieder einen großer Teil Sand und Kies ausmachen, und neun Liter Wasser benötigt.

Weiter geht es in der Produktion. Hier braucht das iPad 100 Kilowattstunden Energie. Diese wird in den Produktionsstätten in Asien meist durch Kohle oder Öl erzeugt, was einen CO2-Ausstoß von 33 Kilogramm entspricht. Um ein Buch herzustellen, werden zwei Kilowattstunden Energie zum Trocknen des Papiers gebraucht, ein Treibhausgasaustoß  der 100 mal kleiner ist als der für das iPad.

In der Produktion sind Bücher ökologischerBisher hat das Buch also eindeutig die Nase vorn. Kommt es allerdings zu Transport und dem gesamten Nutzungszeitraum des Buchs und seiner digitalen Variante kann das iPad seine Vorteile ausspielen. Denn ein Buch liest man in vielleicht zwei bis drei Wochen, einen Ebookreader besitzt man wesentlich länger.

Eine Buchbestellung in Amazons Zentrallager im Herzen Deutschlands, Bad Hersfeld, sorgt für eine Umweltverschmutzung die in etwa halb so groß ist wie die, die zur Produktion des Buches gebraucht wurde. Fährt man jedes Mal mit dem Auto zum Buchladen liegt die Belastung wesentlich höher. Die Emissionen für den Kauf eines Buchs im Onlineshop liegen nahe bei Null. Der anteilige Energieaufwand für Server und Stromkosten des eigenen E-Bookreaders ist verschwindend.

Und was ist, wenn das Buch ausgelesen und der E-Bookreader veraltet ist? Dann zerfällt das Buch in seine Bestandteile, wird kompostiert und setzt Treibhausgase frei, die in etwa doppelt so hoch sind wie die bei der Produktion entstandenen. Das iPad wird recycelt. Entweder professionell und mit neuesten Verfahren, so dass die Belastungen für Umwelt und das Personal gering sind oder durch unseriöse Unternehmen, die der Umwelt und ihren Mitarbeitern damit Schaden zufügen.

E-Bookreader können sich ab 40 Büchern rentierenZieht man die hier aufgelisteten Rohstoffe, also Wasser, Energie und Mineralien, zum Vergleich heran, lohnt sich ein E-Bookreader schon ab 40-50 gelesenen Büchern. Nimmt man die Umweltverschmutzung durch Treibhausgase hinzu sind es rund 100 Schmöker pro iPad. Und bei Einrechnung der Belastungen für den Menschen durch CO2-Ausstoß und schlechte Arbeitsbedingungen bei der Produktion? Dann liegt der Wert ungefähr in der Mitte. Ähnliches zeigt sich bei einer Berechnung der Umweltfreundlichkeit des Amazon Kindle. Dieses ist ab dem 39. Buch die ökologischere Alternative.

Dennoch: Dies ist nur eine beispielhafte Auflistung, deren Aussagekraft durch die Veränderung kleiner Faktoren schnell sinken kann, egal ob man mit iPad oder Kindle rechnet. Was ist, wenn das aktuelle iPad 4 im Vergleich zu dem hier betrachteten iPad 1 wesentlich ökologischer hergestellt wurde? Wenn Papier aufgrund neuer Techniken umweltfreundlicher gebleicht wird und aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt?

Doch auch wenn man die oben angegebene Zahl von 40-50 Büchern als Maßstab nimmt, dürfte das Buch aus umwelttechnischer Sicht vorne liegen. Denn eine Studie der Stiftung Lesen zeigt: Lediglich 25 Prozent der Deutschen lesen ein bis vier Bücher pro Monat, mehr als 50 Bücher im Jahr lesen sogar nur drei Prozent der Bevölkerung. Ein Viertel der Bevölkerung greift nie zum Buch.

Nimmt man als deutschlandweiten Schnitt ein gelesenes Buch pro Monat dauert es ganze vier Jahre, bis sich der E-Bookreader ökologisch rentiert. Bedenkt man, dass jährlich eine neue Version des iPads herauskommt, und die Vorgängerversion damit veraltet ist, wirkt diese Zeitspanne von vier Jahren noch länger. So dürfte sich ein Besitzer des iPad 1 erst im Jahr 2014 einen neuen E-Bookreader zulegen. Damit wäre er allerdings ökologisch nicht sonderlich verantwortungsvoll unterwegs gewesen.

Ein E-Bookreader zum Schutz der Umwelt rentiert sich also meist nur für Vielleser. Wer es ganz nachhaltig will, nutzt die öffentliche Bibliothek mit Anfahrt via Fahrrad. Umweltfreundlicher gehts nicht.

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