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Französische Revolution Paris soll Tempo-30-Zone werden

Anne Hidalgo, die neue Pariser Bürgermeisterin drückt auf die Bremse. In der Metropole sollen Autos künftig nur noch 30 km/h fahren dürfen.

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Die Sozialistin Anne Hidalgo startet mit Vollspeed ins Amt und drosselt dabei erst einmal die Geschwindigkeit. Ganz Paris möchte sie in eine Tempo-30-Zone umwandeln.

Nur auf wenigen Einfallstraßen und den mehrspurigen Schnellstraßen entlang der Seine sollen weiterhin 50 km/h erlaubt sein. Über die Ringautobahn dürfen Autofahrer nach wie vor mit 70 Sachen fahren. Hidalgo geht aber noch weiter: In "Begegnungszonen" (zones de rencontre) sollen Fußgänger und Radfahrer Vorrang gegenüber Autofahrern haben, die zudem ein Tempolimit von 20 km/h pro Stunde beachten müssen.

42 Prozent weniger Unfälle möglichMit ihrer Umweltoffensive führt Hidalgo den Kurs ihres Vorgängers Bertrand Delanoë fort. Er hatte bereits auf 560 Straßenkilometern, etwa einem Drittel der Stadt, 30 km/h zum Limit gemacht. In den vergangenen Jahren sind in Paris zudem Umweltquartiere  entstanden, wo Bürger energieeffizientes Wohnen und ökologische Mobilität erproben.

Weniger Verkehrsunfälle, Energieverbrauch, Luftverschmutzung, Lärm und dafür mehr Lebensqualität will Hidalgo an der Seine erreichen. Für welche Straßen welche Tempolimits kommen sollen, ist allerdings noch unklar.

Auch für Georg Friedrich Koppen, Mobilitätsexperte der Stadt München, haben Tempo-30-Zonen nur Vorteile: Der Autoverkehr verursache weniger Emissionen, sei langsamer und brauche weniger Platz. Entscheidender Vorteil aber sei die Verkehrssicherheit.

Koppens Einschätzung bestätigt eine Studie, die untersucht hat, wie sich ein Tempolimit von 30 km/h in London auswirkt: sie kommt auf 42 Prozent weniger Unfälle.

Tempo 30: Mehr Stau, mehr Fahrzeit?In Deutschland gehören Tempo-30-Gebiete, nach anfänglichem Widerstand, seit den 1980er-Jahren zum Straßenbild. In den meisten deutschen Großstädte kommen die Slow-Go-Zonen auf einen Anteil von 80 Prozent.

Dennoch wird seit Jahren diskutiert, das Tempolimit auszuweiten und die Regelgeschwindigkeit innerorts vollständig von 50 auf 30 km/h zu reduzieren. Vielen, allen voran dem ADAC und der CSU, geht das aber zu weit. Man befürchtet mehr Staus und längere Fahrzeiten. 2012 sagte Peter Ramsauer, damals noch Bundesverkehrsminister, er wolle Mobilität ermöglichen, nicht verhindern.

"Mobilität wird nicht verhindert, sondern sicherer", entgegnet Koppen. Stau gebe es nicht wegen der Geschwindigkeit, sondern wegen der Menge an Autos. Die Zeitverluste seien marginal und spielten sich im Sekundenbereich ab. Man müsse die richtige Prioritäten setzen. "Ist es das Ziel, Menschenleben zu retten oder das einige schnell Auto fahren können?" Politisch gewollt, wäre eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h in Städten durchaus möglich.

City-Maut als weitere OptionMobilitätsforscher Weert Canzler sieht das eher skeptisch. Der Tempo-Deckel auf 30 km/h habe vor allem symbolischen Charakter und bringe wenig. "Wenn man es wirklich ernst meint mit Lärm- und CO2-Emissionen, muss man radikaler sein und die Verbrennungsmotoren aus der Stadt verbannen." Dafür bedürfe es einer City-Maut, also einer Steuer, die je nach Größe, Lärm und CO2-Austoss des Autos fällig würde. Städte wie Stockholm wenden eine solche Maut bereits erfolgreich an.

In Deutschland indes, wo Autofahrer traditionell jeden Eingriff  in den freien Straßenverkehr als Existenzbedrohung wahrnehmen, könne die City-Maut laut Canzler zum "politischen Selbstmordprogramm" werden. Daher empfiehlt der Verkehrsexperte diese an den Ausbau der Elektromobilität zu koppeln und erst einmal zeitweise zu testen. In koreanischen Modellprojekten konnte man so die Bevölkerung erfolgreich von mehr Elektromobilen in der Stadt überzeugen.

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