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Gefährliche Ignoranz Finanzbranche will nichts vom Klimawandel wissen

Laut einer Studie ignorieren die weltgrößten Fonds den Klimawandel. Damit droht eine gigantische Geldvernichtung.

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Die weltgrößten Investoren bereiten sich ungenügend auf die Risiken der Erderwärmung vor. Das geht aus dem Global Climate Index hervor, den die australische Organisation Asset Owners Disclosure Project (AODP) am Mittwoch zu zweiten Mal veröffentlicht hat. Er bewertet einen Großteil der 1.000 größten Pensionsfonds, Versicherungen und Staatsfonds in den Kategorien Transparenz, Risikomanagement, Einfluss auf Wertschöpfungsketten, aktives Eigentum und Investitionen in emissionsarme Technologien.

„Während einige mit gutem Beispiel vorangehen, haben viele ihre gefährliche und törichte Sucht nach Investments voller Klima-Risiken noch nicht erkannt, geschweige denn einen Entzug begonnen“, sagte AODP-Direktor Julian Poulter zur Veröffentlichung des Indexes. Investmentfonds sollten das Interesse ihrer Kunden in den Mittelpunkt stellen, doch bei den Risiken des Klimawandels scheiterten sie völlig, stellt er fest.

Basis des Indexes ist ein Fragebogen, den AODP an die 1.000 weltgrößten institutionellen Investoren geschickt hat – mit mehr als 70 Billionen Dollar an verwaltetem Kapital stellen sie den größten Wirtschaftszweig der Welt dar. 458 davon wurden bewertet.

Das Ergebnis: Nur fünf von ihnen bekommen die Bestnote „AAA”. Ganze 80 Prozent der bewerteten Investoren erhalten die Note D (miserabel) oder gar X (keine Reaktion auf Klimarisiken erkennbar). Etliche Unternehmen waren auch nicht in der Lage anzugeben, welcher Anteil des von ihnen verwalteten Vermögens in Anlagen mit starken Klima-Auswirkungen investiert ist.

CO2-Kosten als Vermögensrisiko“Wenn alle großen Vermögenseigentümer bei uns ein AAA bekämen, könnten wir das Klimaproblem ohne Einfluss eines einzigen Politikers lösen“, schreiben die Autoren des Reports. Der Grund: Investitionen in klimaschädlich Kohlekraftwerke zum Beispiel würden von einem Tag auf den anderen gestoppt.

Investments in Rohstoffkonzerne oder die rohstoffverarbeitende Industrie lohnen sich langfristig nur dann, wenn Schadstoffemissionen so günstig sind, dass sich der Abbau und die Verarbeitung des Materials noch lohnen. Und Pensions- und Staatsfonds sind per se langfristig orientiert. Ein hoher CO2-Preis, den Regierungen künftig zur Bekämpfung des Klimawandels einführen könnten, stellt dabei ein kaum zu kalkulierendes Risiko dar.

Die Finanzmärkte geben deshalb beispielsweise Anteilen an Ölkonzernen schon heute einen viel zu hohen Preis – denn vor dem Hintergrund des Klimawandels ist es unklar, ob sie all ihre Reserven noch profitabel verkaufen beziehungsweise verbrennen können. In der Wissenschaft ist diese Theorie als „unburnable Carbon“ bekannt, also nicht mehr ökonomisch sinnvoll verbrennbare Kohlenstoffe.

Kleinanleger und Pensionäre haben das NachsehenSchon heute stecke in den an den Börsen der Welt gelisteten Kohle-, Öl-, und Gasreserven mehr CO2, als im Rahmen des von der Weltklimakonferenz ausgearbeiteten CO2-Budgets in den kommenden 40 Jahren noch emittiert werden dürfte, um die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, heißt es in dem AODP-Report. Setzen Regierungen vermehrt verpflichtende Emissionsgrenzen, kommt das einer gewaltigen Vermögensvernichtung gleich, wenn sich die Finanzbranche nicht vorher absichert.

Leidtragende wären in diesem Fall Kleinanleger, Angestellte – und vor allem Pensionäre, deren Altersbezüge in vielen Ländern von Pensionsfonds abhängen.

In der Finanzwelt hat sich für die versteckten Klimawandel-Risiken inzwischen der Begriff „Carbon Bubble“ (engl. in etwa "Kohlenstoffblase") etabliert. Pünktlich zur Veröffentlichung des AODP-Reports hat die Finanzdaten-Agentur Bloomberg ein neues Analysetool freigeschaltet, mit dem die Abonnenten des Dienstes Umweltrisiken, die Bedrohung von emissionsintensiven Wirtschaftszweigen durch neue Technologien erkennen können und Probleme, die aus der Klimaschutzpolitik erwachsen.

„Das Tool soll die Diskussion über dieses immer wichtiger werdende Thema in Gang bringen“, schrieb Bloomberg in einem Statement. Nach der Lektüre des AODP-Reports scheint klar: Dafür wird es höchste Zeit.

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