In der Vergangenheit haben die unterschiedlichen Regierungen, ob Schwarz oder Rot geführt, zu viele Fehler bei der Energiewende gemacht. So ist beim grünen Umbau bisher der Klimaschutz auf der Strecke geblieben, ein Rezept gegen die steigenden Strompreise - rund sechs Cent macht die Energiewende-Umlage derzeit aus - hat die Politik auch noch nicht gefunden.
Vor allem der letzte Punkt sorgt derzeit für hitzige Diskussionen in der Wirtschaft, bei Energieversorgern und den unterschiedlichsten Interessengruppen.
Die einen meinen, die Energiewende werde wegen steigender Kosten für Strom unbezahlbar und schädige den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die anderen halten dagegen, dass sie eine wichtige Investition in die Zukunft sei und man die Früchte irgendwann nach 2030 durch sinkende Strompreise und weniger Importe von Öl, Kohle und Gas ernten werde.
Die Diskussion ist im Detail äußerst komplex. Eine Linderung des Problems aber nicht unbedingt. Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag des Berliner Think-Tanks Agora Energiewende. Deren Aussage lautet ganz schlicht: Haushalte und Unternehmen, geht sparsamer mit Strom und Energie um!
Bis zu 20 Milliarden Euro gespartNun verdient diese Erkenntnis keinen Nobelpreis, aber sie zu ignorieren durchaus eine fette Rüge. Genau das tut aber die Politik seit Jahren. Das Thema Effizienz ist also neben dem Klimaschutz und den Kosten das dritte Stiefkind der Energiewende.
Warum sie ganz entscheidend für ihren Erfolg ist, listet die Agora-Studie in einem Vergleich von fünf unterschiedlichen Effizienz-Szenarien haarklein auf. Die vielleicht wichtigste Erkenntnis dabei: Verbraucht Deutschland 2035 zehn bis 35 Prozent weniger Strom als derzeit, spart das im selben Jahr zwischen zehn und 20 Milliarden Euro an Ausgaben für Elektrizität.
Ein Fuhrpark an Ferraris lässt sich mit diesem Geld aber nicht kaufen: Denn die Kosten für die Stromversorgung in Deutschland werden mit oder ohne Energieeffizienz weiter steigen. Kostete die Versorgung mit Strom aus Ökoenergiequellen und fossilen Kraftwerken 2012 noch rund 40 Milliarden Euro, so sind es je nach Effizienzerfolg im Jahr 2030 zwischen 47 und 54 Milliarden Euro.
Nur wenn Deutschland das technisch Machbare auslotet, ließen sich die Stromkosten insgesamt senken. Konkret: Jährlich müsste der Stromverbrauch um knapp ein Prozent sinken und die sogenannte Energieproduktivität um fast drei Prozent steigen. Das bedeutet, dass Unternehmen mit einer Kilowattstunde Strom mehr Waren oder Umsatz produzieren.
Aufklärung fehltGelingt das, würde die Stromversorgung auch im Jahr 2020 "nur" mit rund 40 Milliarden Euro auf der Rechnung stehen. Möglich wäre das druchaus. Nur ist vielen Haushalten und Unternehmen derzeit nicht klar, wie sie die Einsparung erreichen.
Aber auch wenn ein weniger ambitioniertes Sparprogramm gefahren wird, ließe sich der Kostenanstieg bei der Stromversorgung bremsen. Statt 13 Milliarden Euro Mehrkosten im Jahr 2030 - verglichen mit 2012 und einer Fortschreibung der bisherigen Effizienz-Entwicklung - würden sich die Zusatzausgaben "nur" auf sieben Milliarden Euro belaufen. Hierfür müsste der Stromverbrauch pro Jahr um 0,6 Prozent sinken.
Allerdings: 2014 floss aus den Steckdosen in Deutschland ungefähr genau so viel Elektrizität wie im Jahr 2000. Das ist durchaus ein Erfolg, denn die Wirtschaft wuchs in diesem Zeitraum auch. Dennoch, von Knauserigkeit im Umgang mit Energie kann hier keine Rede sein. Immerhin ein kleiner Erfolg: Nach einem starken Anstieg bis 2005 sinkt der Stromverbrauch seit drei Jahren wieder.
Die Agora-Studie beziffert auch genau, was jede einzelne eingesparte Kilowattstunde bringt: Nämlich eine Einsparung zwischen 11 und 15 Cent. Zum Vergleich: Das ist etwas mehr als eine Kilowattstunde Solarstrom heute kostet.
Weniger Stromautobahnen nötigDie Einsparungen ergeben sich logischerweise daraus, dass bei einem geringeren Stromverbrauch künftig weniger neue Kraftwerke ans Netz müssen. Hinzu kommen Einsparungen bei der Menge an Gas und Kohle, die sie verbrennen, an Speichern für Grünstrom und an neuen Stromleitungen. Bis 2050, erklärt die Studie, müssten mit einem ambitionierten Effizienzprogramm statt 8500 Kilometer neuer Trassen weniger als 5000 Kilometer entstehen.
Die Studie enthält neben diesen Erkenntnissen noch eine Vielzahl weiterer interessanter Details und wird in den kommenden Monaten wohl zu einem Grundlagendokument in der Diskussion um Energieeffizienz werden.
Das Fazit aus rund 100 Seiten Tabellen und Zahlen ist dabei ganz einfach: Die Politik muss die Energiewende viel stärker als bisher mit einer Effizienzkampagne flankieren. Denn läuft alles wie bisher weiter, steigt der Energieverbrauch in den kommenden Jahrzehnten sogar.
Ein ambitioniertes Energieeffizienz-Programm würde den Regierenden künftig viele der leidigen Kostendiskussionen ersparen - und durch weniger Kohle und Gas, die in den Kraftwerksöfen verbrennen, ganz nebenbei auch der Umwelt helfen.
Die Grafik zeigt die Entwicklung des Stromverbrauchs in den fünf Szenarien der Agora-Studie: