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Gemeinwohl statt Wachstum Fünf Kernforderungen für eine bessere Wirtschaft

Ethisch handelnde Unternehmen zahlen weniger Steuern, Erbvermögen sind gedeckelt – geht so die Besser-Ökonomie?

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Gerechtigkeit, Kooperation, Vertrauen - es sind schwer fassbare Begriffe, die Christian Felber benutzt, um seinem Publikum klarzumachen, auf welchen Werten unser Wirtschaftssystem beruhen sollte - und die ihm seiner Meinung nach aktuell gänzlich fehlen.

Genau deshalb hat der in Salzburg geborene Felber, der auch Mitbegründer der Protestbewegung Attac Österreich ist, vor zwei Jahren die Gemeinwohlökonomie als Alternative zum jetzigen Wirtschaftsmodell entwickelt.

"Unternehmen sollte es um die Förderung des Allgemeinwohls gehen und nicht um Profitmaximierung", erklärte Felber den anwesenden klein- und mittelständischen Unternehmern jüngst auf einem Berliner Podium. Eingeladen hatten der Linkspartei-nahe Unternehmerverband OWUS e.V. und die Rosa-Luxemburg Stiftung. Kein Wunder, dass der Alternativ-Ökonom der gleichzeitig Tänzer ist (siehe Titelbild) viele der Anwesenden gar nicht von seiner Idee überzeugen musste.

Felber, mittlerweile erfolgreicher Autor mehrerer wirtschaftskritischer Bücher und gerade auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Wirtschaftsbuchpreis ausgezeichnet, ist es aber wichtig, dass die Gemeinwohlökonomie nicht als linke Idee verstanden wird. Schließlich, so betont er, sei das Grundsystem immer noch ein marktwirtschaftliches. Doch was steckt genau dahinter? Hier die fünf wichtigsten Forderungen für eine bessere Wirtschaft:

 1. Gemeinwohlbilanz für UnternehmenZentraler Bestandteil in Felbers Modell ist die sogenannte Gemeinwohlbilanz. Der Erfolg eines Unternehmens bemisst sich nicht länger am reinen Finanzgewinn. Stattdessen entscheiden andere, "ethische" Faktoren, wie Felber sie bezeichnet. So bekommen Unternehmen Punkte, wenn sie faire Löhne zahlen und sich um die Gleichstellung der Mitarbeiter bemühen.

Auch sollen Materialien möglichst lokal beschafft werden und Informationen zum Produkt transparent auf der Verpackung erscheinen. Negativpunkte gibt es, wenn Unternehmen direkt oder indirekt an "schmutzigen" Geschäften beteiligt sind. Dazu gehören Tretminen genau so wie Atomstrom.

 2. Steuerliche Anreize für „gute“ UnternehmenUnternehmen mit positiven Gemeinwohl-Bilanzen werden für ihr Verhalten belohnt. Sie müssen weniger Steuern zahlen, erhalten günstigere Kredite und Vorrang bei Forschungsaufrägen. Diese Unternehmen sollen es am Markt leichter haben als umweltverschmutzende Mitkonkurrenten. Langfristig, so die Idee, würden dadurch auch ökologische und regionale Produkte günstiger.

3. Überschüsse sinnvoll investierenDie Steuer auf Unternehmensgewinne entfällt, wenn diese sinnvoll eingesetzt werden. Darunter fällt zum Beispiel, Kredite mit Überschüssen zurückzuzahlen oder Geld in soziale und ökologische Projekte zu reinvestieren. Dafür erhalten Unternehmen wiederum Punkte in der Gemeinwohlbilanz.

4. Änderung des ErbrechtsDie Gemeinwohlökonomie sieht eine Grenze für Erb-Vermögen vor. Der Vorschlag: Bis zu 500.000 Euro pro Person dürfen steuerfrei vererbt werden. So auch kleine Eigentumswohnungen oder Familienunternehmen. Was darüber hinaus geht, soll in einen sogenannten „Generationenfonds“ gehen, der dann weiterverteilt. Das, so sieht es Felber, vermindere absurde Vermögensungleichheiten.

5. Konvente machen neue SpielregelnZu guter Letzt sollen eigens eingerichte Wirtschaftskonvente auf Bundes- und europäischer Ebene eine "Wirtschaftsverfassung" verabschieden, die Gemeinwohl als ihr oberstes Ziel festlegt. Die Mitglieder der Konvente - alle demokratisch gewählt- bestimmen die wesentlichen wirtschaftlichen „Spielregeln“. Wichtig ist für Felber, der selbst studierter Philologe ist, dass in diesem Konvent nicht nur Wirtschaftsexperten sitzen.

Was ist nun von Felbers Vorschlägen zu halten? Angesichts von Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch und einem zumindest gefühltem kollektiven Burnout in der westlichen Arbeitswelt kann eine Alternative, wie die von Felber, wichtig sein. Viele seiner Ideen, beispielsweise im Bereich der Kreditvergabe und der Förderung sozialer Projekte, gehen in die Richtung von Corporate Social Responsibility (CSR), das viele Unternehmen schon heute pflegen.

Leider verliert sich die Gemeinwohlökonomie aber häufig in Worthülsen. Schon Gemeinwohl ist ein dehnbarer Begriff, unter dem jeder etwas anderes versteht: Wann handelt ein Unternehmer ethisch, wo liegt die Grenze und wer legt sie fest? In vielen Fällen mag die Antwort klar auf der Hand liegen, oft aber auch nicht. Sind Schnapsbrennereien genauso negativ zu bewerten wie Zigarettenhersteller. Und was passiert, wenn sich Bürger eines Landes mehrheitlich für Atomkraft entscheiden wie in Frankreich?

Interessant sind bei der Gemeinwohlökonomie durchaus die Parallelen zur Nachhaltigkeit. Auch ihr fehlt es an einer festen Definition, oft kommt sie schwammig daher. In den vergangenen Jahren hat sich aber gezeigt, dass im weitesten Sinne nachhaltige Unternehmen in vielen Fällen erfolgreicher sind als Unternehmen, die nicht nachhaltig arbeiten.

Konkret: Wasser und Energie zu sparen, regional einzukaufen, die Mitarbeiterfluktuation durch gute Arbeitsbedingungen zu minimieren und weniger Abfall zu produzieren, wirkt sich positiv auf die Bilanz aus.

In den meisten Fällen sind die Nachhaltigkeitsinitiativen in den Unternehmen aber nicht durch staatliche Vorgaben oder "Konvente" entstanden, sondern durch die Erwartung von Kunden und sogenannten Stakeholdern, wie NGOs oder Bürgergruppen. Felbers Vorschläge schreien geradezu danach, den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft zu erhöhen. Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen zeigt, dass dies vielleicht gar nicht nötig ist.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels wurde nur die Rosa-Luxemburg-Stiftung als Veranstalter genannt. Tatsächlich hatten der linkspartei-nahe Unternehmerverband OWUS e.V. und die Rosa-Luxemburg-Stiftung eingeladen.

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