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Grüner Pionier Oxford-Forscher schafft die Solar-Revolution

Der Physiker Henry Snaith hat neuartige Solarzellen entwickelt, die zugleich effizient und kostengünstig sind.

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„Schon als Kind wollte ich Erfinder werden“, sagte Henry Snaith im Dezember in einem BBC-Interview. Wenige Tage zuvor hatte das renommierte Wissenschaftsjournal „Nature“ den britischen Physiker zu einem der zehn wichtigsten Forscher des Jahres gekürt. Als kleiner Junge hätte sich Snaith wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass eine seiner Ideen einmal eine ganze Branche verändern könnte. Nicht viel weniger erhofft sich jedenfalls die Solarindustrie von seinen Forschungsergebnissen aus Oxford.

Der Hoffnungsträger heißt „Perowskit“, ein relativ häufiges Mineral aus der Klasse der Oxide und Hydroxide, mi dem Snaith an einer der derzeit wichtigsten Solar-Innovationen arbeitet. Obwohl schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt, rückte der Stoff erst vor wenigen Jahren in den Fokus der Solarforschung. Zuerst untersuchten japanische Wissenschaftler seine Wirkung als Materialzusatz für Solarzellen. Der Wirkungsgrad des neuen Materials war anfangs nicht sonderlich hoch. Im Laufe des Projekts steigerten ihn die Japaner von 0,5 auf 3,5 Prozent – ein erster Hinweis auf das Potential von Perowskit.

Die heutigen Solarzellen von Henry Snaith und seinem Team sind schon fast marktreif. Im Laborversuch konnten sie 15,6 Prozent des einfallenden Lichts in Elektrizität umwandeln. Laut der britischen Forscher ist das der höchste Wirkungsgrad, der bisher mit einer bei niedrigen Temperaturen hergestellten Solarzelle erreicht wurde. „Die Entwicklung ist wirklich rasant“, sagt Snaith. Er hält sogar einen Wirkungsgrad bis zu 29 Prozent für möglich.

"Es gibt kein günstigeres Material"Damit wäre man auf dem Niveau von Solarzellen aus Silizium. Diese sind in der Herstellung kostspielig. Günstigere Varianten wie die Dünnschichtzelle gibt es, allerdings sind sie weniger effizient. Hier kommt ein weiterer Vorteil der Perowskit-Zellen ins Spiel: Ihre Herstellung ist unkompliziert und günstig.

Der Grund: Die von Snaith entworfenen Solarzellen bestehen aus organischen und anorganischen Teilen. Der organische Anteil ist für die Absorbierung des Sonnenlichts zuständig, der anorganische Teil leitet die Elektronen. Die Inhalte wie Wasserstoff, Jod, Blei oder Chlor sind gut verfügbar und lassen sich schon bei normaler Raumtemperatur verarbeiten. Den dünnen Perowskit-Film erzeugte Snaith durch Gasphasenabscheidung auf einer herkömmlichen Glasplatte. „Es gibt derzeit kein günstigeres Photovoltaik-Material. Außerdem ist es sehr stabil. Selbst stärkere Krafteinwirkungen sind kein Problem“, erklärt er.

Ganz allein ist Snaith auf seinem Forschungsfeld nicht. Michael Grätzel, renommierter Chemiker an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne, erreichte im vergangenen Jahr ähnlich gute Resultate mit seinen Perowskit-Zellen. Ganz zufällig ist diese Überschneidung nicht: Snaith arbeitete als Postdoc in der Forschungsgruppe von Grätzel und bezeichnet den Schweizer Solarpionier als engen Freund. „Einen gewissen Wettbewerb gibt es trotzdem“, sagt Snaith lachend.

Erste Solarglas-Fassaden schon 2017Die Hersteller von Solarzellen wird dieser sportliche Ansporn unter Wissenschaftlern nicht stören. Schon jetzt warten sie sehnlich auf die Marktreife der Perowskit-Solarzellen. Snaith selbst hat zusammen mit Kollegen das universitätsnahe Startup namens „Oxford Photovoltaics“ gegründet. Das Unternehmen will Glasfassaden-Elemente mit den Perowskit-Solarzellen kombinieren. Schon 2017 könnten erste Häuser mit Solarmodul-Glas ausgestattet werden, das genauso durchsichtig und genauso teuer ist wie herkömmliches Glas.

Ein vollständiger Wechsel auf den Chefsessel des Unternehmens kann sich der Physiker dennoch nicht vorstellen. „Photovoltaik-Forschung ist viel zu spannend. Es gibt noch genug Platz für technische Verbesserungen und meine Erkenntnisse haben einen praktischen Nutzen für saubere Energie“, sagt Snaith. Er plant lieber die nächste Innovation. Sein Team arbeitet derzeit an einer umweltverträglichen Variante von Perowskit-Solarzellen, die kein Blei enthält und somit problemlos zu entsorgen wäre. Außerdem will Snaith in Zukunft verstärkt nach neuen Wegen zur Speicherung von Solarenergie suchen.

Könnten wir uns schon in fünf Jahren komplett mit sauberer Energie versorgen? Ja, sagt Henry Snaith in diesem kurzen Video:

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