Höher, schneller, weiter Drei Unternehmen, die auf Wachstum pfeifen

Firmen, die nicht wachsen, sind weniger erfolgreich. Stimmt nicht, finden drei Unternehmer. Sie wollen lieber klein bleiben und anders wirtschaften.

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Klimawandel, Finanzkollaps und psychische Krankheiten wie Burnout sind Folgen eines Wirtschaftssystems, das auf ständiges Wachstum ausgerichtet ist. Diese Kritik ist nicht neu und doch sind Alternativen selten. Aber es gibt sie.

Es gibt Unternehmen, die ganz bewusst nicht wachsen wollen. Eine Umfrage unter 700 Klein- und Mittelständlern hat gezeigt, dass ein Drittel der Unternehmen kein oder kaum weiteres Wachstum anstrebt. Durchgeführt haben die Befragung Wissenschaftler des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW).

Unternehmen gelten als erfolgreich, wenn sie wachsen"Viele der kleinen und mittleren Unternehmen wollen tatsächlich von sich aus gar nicht wachsen", erklärt Jana Gebauer, Leitautorin der Studie. Nur würden die wenigsten darüber offen sprechen. Denn Unternehmen gelten in der öffentlichen Wahrnehmung nur dann als erfolgreich, wenn sie wachsen.

Dieses Credo hinterfragten kürzlich Unternehmer aus verschiedenen Branchen bei einer Veranstaltung des IÖW und der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.

Für sie sind betriebswirtschaftliche Kennzahlen nicht die einzigen Indikatoren für Erfolg. Wir stellen drei dieser "Postwachstumpioniere" vor.

Online-Shop?Nein danke

Seit knapp zwanzig Jahren betreibt Mike Saul in der Rostocker Innenstadt den Spielzeugwarenladen "Wupatki".

Angefangen hat der Unternehmer klein. Dann aber befolgte er den Rat seiner Finanzberater, nahm einen Kredit auf und vergrößerte den Laden auf zwei Stockwerke.

Den Hinweis seiner Berater, zusätzlich einen Online-Handel einzurichten, lehnte Saul hingegen ab.

"Für viele Kollegen aus der Branche ist der Internethandel kein Gewinn", weiß Saul. Wer einen guten Handel möchte, muss Geld und vor allem Zeit investieren.

Er will nicht, dass der direkte Kontakt zum Kunden leidet. Genau das, sagt Saul, sei die Stärke seines Ladens.

Neun Mitarbeiter hat "Wupatki" heute, die Kredite sind bezahlt und das Geschäft geht gut. Vielleicht doch eine weitere Filiale eröffnen? Saul winkt ab. "Schulden sind nervenaufreibend. In diese Situation möchte ich mich nicht mehr begeben."

Aufgeschlossen ist der Rostocker aber durchaus für Innovationen im Bereich umweltfreundlicher Spielwaren. Das Angebot und auch die Nachfrage der Kunden hält er noch für unzureichend, daran will er nun arbeiten.

Schnürsenkel aus Wuppertal statt aus China

Der Wuppertaler Familienbetrieb Carl Klostermann Söhne (CKS) fertigt seine Schuhbänder und Kordeln allesamt vor Ort.

Auch die Garne kommen von Unternehmen aus der Region. "Lokale Produktion ist unser Aushängeschild", sagt Jutta Platz, Geschäftsführerin von CKS. Deswegen könne CKS am deutschen Markt bestehen, obwohl andere Anbieter günstigere Preise haben.

Das war nicht immer so. Tatsächlich hatte das Unternehmen auch schon versucht, die Fertigung der Produkte teilweise nach Asien auszulagern.

Doch Lieferungen verzögerten sich und die Qualität litt. Obendrein war die Produktion nicht ökologisch.

Als ein Hauptkunde von CKS dann entschied, seine Schnürsenkel künftig direkt aus China zu importieren, kehrte der Familienbetrieb zur lokalen Produktion zurück.

Auch mit Blick auf diese Erfahrung hat die Geschäftsführung eine Entscheidung getroffen: Sie will nicht weiter wachsen.

Warum auch? Zurzeit hat das Unternehmen 33 Mitarbeiter. "Wir kennen unsere Mitarbeiter, unsere Produktionsprozesse und unsere Lieferanten", sagt Platz. Wenn es irgendwo hakt, kann sie direkt eingreifen. Das wäre ab einer bestimmten Größe nicht mehr möglich, so ihre Einschätzung.

Gleiche Löhne für alle

Die Berliner Druckerei "Oktoberdruck" hält heute noch an den Werten fest, die sich der Betrieb bei seiner Gründung 1973 auf die Fahnen geschrieben hat.

Alle Mitarbeiter beziehen etwa den gleichen Stundenlohn, unabhängig von Ausbildungsniveau und Berufserfahrung.

Behaupten kann sich das Unternehmen am Markt, weil Kunden bereit sind, für Qualität zu fairen Bedingungen einen höheren Preis zu zahlen.

Zudem legt Oktoberdruck großen Wert auf ökologische Verfahren und gestaltet alle Prozesse umweltfreundlich.

Auch bei "Oktoberdruck" wolle man nicht weiter wachsen.

Es gab  Zeiten, in denen dort über 40 Personen arbeiteten. Das habe nicht gut funktioniert und war organisatorisch eher schwierig, heißt es bei der Firma. So habe die Vergrößerung zu stärkerer Arbeitsteilung und Hierachien geführt.

"Das hat letztendlich unsere zentralen Werte gefährdet", erklärt Martina Fuchs-Buschbeck, Mitglied des Aufsichtsrats.

FazitWer nicht wächst, muss nicht automatisch sterben. Ganz im Gegenteil: Die vorgestellten Unternehmen fahren gut mit lokaler Produktion, fairen Arbeitsbedingungen und guter, umweltverträglicher Qualität.

Oftmals bezahlt der Kunde mehr, wenn er dafür mit gutem Gewissen einkaufen kann. Ein Unternehmen, das expandieren will, geht zudem immer auch ein finanzielles Risiko ein. Das bedeutet für die Geschäftsführung Stress, wenig Zeit mit der Familie und sicher einige schlaflose Nächte.

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