Holz-Hochaus Ein grüner Wolkenkratzer für London

Der Londoner Bauboom ist in die Kritik geraten. Doch er könnte auch eine architektonische Innovation hervorbringen: Ein 300 Meter hohes Haus aus Holz.

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London ist eine Stadt im Bauboom. Sagen die einen. Die anderen sagen: London ist eine Stadt, die dem Bau-Irrsinn anheim gefallen ist. 200 Hochhäuser waren im Jahr 2014 in Planung. Längst stellen nicht nur Pessimisten die Frage, wer darin eigentlich wohnen soll - ob dieser Boom also nicht bloß eine Blase ist.

Die Skyline der Metropole mit ihren acht Millionen Einwohnern ist bislang eine architektonisch diverse Mischung aus historischen Bauten wie dem Turm um die berühmte Glocke Big Ben oder der Kathedrale St. Paul's auf der einen und extravaganten Wolkenkratzern wie der Shard, dem mit 306 Metern höchsten Gebäude der EU, oder dem nach seiner Form im Volksmund Gherkin (Gurke) genannten Turm auf der anderen Seite. Durch die Flut an neuen Wolkenkratzern könnte diese Mischung aus alt und neu, traditionell und modern bald Geschichte sein, befürchten Kritiker.

Holz - ein wiederentdeckter Baustoff

Doch ein neuer Entwurf lässt hoffen, dass das neu ausgerufene Rennen zu den Wolken vielleicht doch nicht nur mit verspiegelten Stahlbeton-Konstruktionen bestritten werden wird. London im Boom könnte bei allen Risiken und Nebenwirkungen auch Innovationen im grünen Bau fördern.

Das Architekturbüro PLP Architecture und die Universität Cambridge haben einen Entwurf vorgestellt, der es in sich hat: Das Gebäude soll 300 Meter hoch werden und damit nur sechs Meter kleiner als der Spitzenreiter Shard. Das Baumaterial? Holz. Entstehen soll das Hochhaus auf dem Gelände der geschichtsträchtigen im Londoner Zentrum gelegenen Barbican Estate.

Die Holzbauweise möchten die Verantwortlichen dabei nicht als Marketinggag verstanden wissen. Sie führen sowohl stadtplanerische als auch ökologische Gründe an. "Wenn London überleben will, muss sich die Stadt verdichten", sagt Michael Ramage, Direktor des Cambridge Center for Natural Material Innovation. "Eine Möglichkeit sind höhere Gebäude. Wir glauben, dass die Menschen eine größere Affinität zu Hochhäusern aus natürlichen Material haben als zu Stahlbeton-Türmen." Holz und andere natürliche Baustoffe würden vollkommen vernachlässigt, man gebe ihnen kaum eine Chance, obwohl ausgerechnet in London beim Bau nahezu jedes historischen Gebäudes Holz genutzt wurde.

Holz aus zertifiziertem AnbauDie Holzkonstruktion würde 50000 Tonnen CO2 binden, so viel wie 5000 Londoner im Jahr verbrauchen. Zwar kein revolutionärer Wert für eine Millionenmetropole, aber mehr als ein herkömmlicher Wolkenkratzer binden kann. Zudem rechnen die Planer mit geringeren Baukosten, schnellerer Bauzeit und - paradoxerweise - höherem Brandschutz im Vergleich zu Stahlbetonbauten.

Für den Bau haben die Architekten 65.000 Kubikmeter Bauholz veranschlagt. Bau-Weichholz wolle man aus zertifizierten Wäldern beziehen (PEFC oder FSC). Daraus soll dann ein 80-stöckiges Gebäude mit 1000 Wohneinheiten entstehen, auch Geschäftsräume sollen in dem Hochhaus untergebracht werden.

Die Architekten versprechen sich von der Bauweise auch eine gesündere Lebensweise. "Holzhäuser haben das Potential eine angenehme, entspannte, ungezwungene und kreative urbane Erfahrung zu ermöglichen", sagt Kevin Flanagan, Partner bei PLP. Die Holzbauweise könnte darüber hinaus die Stadtplanung verändern. Es könnte gut sein, dass in Zukunft mit Holz nicht bloß den Stahlvorbildern nachgeeifert, sondern ein eigener Baustil geschaffen werde.

Den Schritt über eine kühne Vision hinaus hat das Londoner Holzhaus bereits gemacht. Die Entwürfe wurden beim Londoner Bürgermeister Boris Johnson bereits eingereicht.

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