In 4 einfachen Schritten Ein Architekt hat die Lösung für die Wärmewende im Haus

Die Wärmewende geht ganz einfach. Wie, zeigt ein Architekt bei einer Wohnsiedlung in Berlin.

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Manchmal fühlt sich der Berliner Architekt Taco Holthuizen, als ob er gegen Windmühlen kämpft. Teuer soll die energetische Sanierung von Häusern sein? Nein, sagt Holthuizen. „Wenn man es richtig macht, nämlich ganzheitlich, ist die Sanierung billig und spart vom ersten Tag an Geld. Man muss nur einen ganz kleinen Teil der um uns vorhandenen Energie ins Gebäude hineinbekommen.“

Noch gibt es wenige Bauherren, die so wagemutig denken wie Taco Holthuizen. Dabei wäre die Wärmewende ganz einfach. In einem großen Berliner Wohngebiet in Lichterfelde-Süd zeigt der Architekt, wie es geht. Dort saniert die Genossenschaft Märkische Scholle derzeit 800 Wohnungen. Richtige Energiefresser waren die Altbauten vorher.

Nun sind bereits viele nach dem ganzheitlichen Konzept von Holthuizen auf Vordermann gebracht – und zu Vorzeigeobjekten der Wärmewende geworden. Früher benötigten die Mieter pro Quadratmeter umgerechnet 200 Kilowattstunden Strom für Heizung und Warmwasser pro Jahr. Mittlerweile sind es weniger als 30. Die Bruttowarmmiete stieg, je nach Verbrauch, nur um 50 Cent bis 1 Euro pro Quadratmeter.

Das geht ganz ohne Hexerei und mit vorhandener Technologie. Vier Elemente verbindet das Planungsbüro von Holthuizen dabei zum energetischen "Gesamtkunstwerk".

1. Rückgewinnung der WärmeAlle Wärme, die Lampen und Bewohner abstrahlen, die beim Kochen und Duschen abfällt, sammelt sich in den Räumen einer Wohnung. Deshalb nutzt Holthuizen die Raumluft auch als Wärmequelle.

„Diese Energie steht an 365 Tagen im Jahr zur Verfügung“, sagt der Architekt. 25 bis 30 Prozent des Energiebedarfs eines Hauses könne man aus der Abwärme gewinnen, sagt Holthuizen.

Einbauen lässt sich eine Wärmerückgewinnung auch in bestehende Gebäude ganz einfach, sagt er. In den Aufenthaltsräumen bekommen die Mauern Lüftungsschlitze. Aus Küche oder Bad wird die Luft in ein Rohr abgesaugt. Es verläuft neben den sowieso vorhandenen Versorgungssträngen. Im Dach oder im Keller tauscht eine Wärmepumpe die Abwärme und führt sie in den Heizkreislauf. Fertig.

Erwünschter Nebeneffekt: Trotz der dichten Fenster von heute ist immer frische Luft im Raum. Feuchtigkeit wird abgesaugt, die Schimmelgefahr ist gebannt.

2. SonnenenergieSolarthermie und Photovoltaik auf dem Dach sind das zweite Element in Holthuizens Konzept. Sie fangen die kostenlose Energie der Sonne ein, erzeugen warmes Wasser und Strom. Sie decken 50 Prozent des Energiebedarfs der Bewohner. Bei Sonnenschein liefert die Solaranlage auch den Strom, um Wasser aus einem Erdwärmespeicher in der Siedlung auf die benötigte Heiztemperatur zu bringen.

3. Der ErdwärmespeicherDer Erdwärmespeicher ist ein Patent von Taco Holthuizen und seinem Partner Dietmar Deunert. „Das Erdreich ist die billigste Art, Wärmeüberschüsse zu speichern“, sagt er. Wie in einer riesigen Fußbodenheizung werden dafür Kunststoffrohre durch die Wasser fließt in ein Erdbett verlegt, nur seitlich und von oben gedämmt.

Der geniale Trick: Die Wärme kann auch das Erdreich darunter aufwärmen. Der gesamte nutzbare Speicher ist damit dreieinhalb mal so groß wie der gedämmte Bereich. Denn weil die Erde in Tiefen ab zwei Metern winters wie sommers kaum kühler oder wärmer ist als die Temperatur im Speicher, bleibt die Wärme schön am Platz. Die in der Erde gespeicherte Wärme deckt weitere 25 bis 30 Prozent des Bedarfs der modernisierten Wohnungen in Berlin.

Wer jetzt die Prozente zusammenrechnet, sieht: Die Siedlung in Lichterfelde produziert mehr Energie, als sie braucht. Nur im Winter, wenn die Solaranlage wenig Strom liefert, kauft die Genossenschaft Strom für die Wärmepumpen dazu.

4. "Das Gehirn"„Insgesamt hat das System eine Arbeitszahl von 6“, sagt Holthuizen. Das bedeutet: Für einen Teil eingesetzten Strom produziert es mithilfe der Raumwäre, der Erdwärme und der Solarthermie die sechsfache Menge Energie. Das funktioniert auch, weil Taco Holthuizens Büro eZeit Ingenieure eine Energiezentrale mitentwickelt hat, die das System steuert und optimal aufeinander abstimmt.

Dieses Gehirn, der dynamische Energiemanager DEM, ist das vierte Element im Spiel. Es verhindert Effizienzverluste durch Kommunikationsprobleme zwischen den Anlageteilen.

Diese enorm gute Arbeitszahl schaffen nicht einmal fossile Kraftwerke. Selbst die effizientesten haben nur einen Wirkungsgrad von 60 Prozent. Also eine Arbeitszahl von 0,6. Auch eine moderne Gas-Brennwerttherme kann mit dem regenerativen System nicht mithalten. Sie hat einen Wirkungsgrad von maximal 110 Prozent.

Unsinnige VorschriftenJetzt könnte sich Taco Holthuizen eigentlich zurücklehnen und abwarten, bis sich sein System herumspricht. Früher oder später müsste die ökonomische Vernunft ja siegen. Das Ganze könnte man aber noch viel besser machen – gäbe es nicht die Energieeinsparverordnung (EnEV). Sie ist das zentrale Regelwerk für die energetische Modernisierung von Gebäuden in Deutschland.

Um Taco Holthuizens „fundamentale Kritik“ an der EnEV nachzuvollziehen, muss man den Begriff „Primärenergiebedarf“ verstehen. Ihn zu senken ist das Ziel der Verordnung – nicht nur irgendwie Energie zu sparen.

Primärenergie ist diejenige, die ganz am Anfang der Verbrauchskette steht: Angenommen, jemand heizt mit Strom. Dann hat er einen hohen Primärenergiefaktor. Weil schon sehr viel Energie verbraucht wurde, bevor der Strom aus dem Kraftwerk mit dem niedrigen Wirkungsgrad bei ihm zu Hause ankommt.

Jetzt kommt noch etwas Mathematik ins Spiel: Um den Primärenergiebedarf eines Gebäudes zu berechnen, muss laut EnEV der Heizwärmebedarf plus Warmwasser mit der sogenannten Anlagenaufwandzahl multipliziert werden. Taco Holthuizens regeneratives System bringt es auf eine Anlagenaufwandzahl, die kleiner als 0,3 ist. Das bedeutet, dass der ohnehin schon geringe Heizwärmebedarf, mal genommen mit der Anlagenaufwandzahl, in einem lächerlich geringen Primärenergiefaktor resultiert.

Trotzdem – und das ist der springende Punkt – müssen die Häuser der Märkischen Scholle mit einer dicken Schicht Wärmedämmung für viel Geld eingepackt werden. Das schreibt die EnEV vor, wenn mindestens zehn Prozent der Fassade saniert werden. Einfach dünn und günstiger dämmen geht nicht.

Taco Holthuizen redet sich darüber bei Vorträgen regelmäßig in Rage, denn der Primärenergiebedarf für die Herstellung einer Fassadendämmung ist hoch. Man spricht auch von grauer Energie.

Einfach behaglichDie vorgeschriebenen Dämmdicken würden ihren Primärenergiebedarf bei einem ganzheitlich gebauten Haus erst nach vielen Jahrzehnten wieder einspielen, kritisiert Holthuizen. Er fordert, dass die Energieeinsparverordnung einfach einen Primärenergiebedarf pro Quadratmeter vorschreibt. „Wie ich dahin komme, bleibt mir überlassen, solange es im Gebäude behaglich ist“, wünscht sich Holthuizen.

Kommendes Jahr steht eine Reform der EnEV an. Vielleicht setzt sich die ökonomische Vernunft ja bis dahin durch. Damit Häuser endlich ökologisch sinnvoll gebaut werden.

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