Innovation Forscher wollen mit Biowasserstoff Autos antreiben

Blaualgen, Termiten und Holzwespen: Sie alle produzieren Biowasserstoff. Dazu brauchen sie nur Licht. Forscher wollen daraus den Treibstoff der Zukunft machen.

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Wenn Termiten Holz verdauen, entsteht Wasserstoff, der in Brennstoffzellenautos als Treibstoff dient. Die Produzenten sitzen im Darm der kleinen Krabbeltiere: hoch spezialisierte Mikroorganismen mit großer Effektivität. Aus der Menge an Zellulose, die in einem Din-A-4-Blatt steckt, stellen sie zwei Liter Wasserstoff her. Ein Auto mit Brennstoffzellenantrieb käme damit 10 Kilometer weit. Forscher am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg und an der Universität Gießen wollen die winzigen Biofabriken jetzt im technischen Maßstab nutzen. Zunächst suchen sie nach einheimischen Insekten, die die gleiche Fähigkeit besitzen. Einer der aussichtsreichsten Kandidaten ist die Holzwespe.

Ob in Kiel oder Potsdam, in vielen Institutionen in Deutschland suchen Wissenschaftler nach Wegen, Wasserstoff biotechnisch herzustellen. In einer Reihe von anderen Nationen in Europa, Amerika und Asien gibt es ähnliche Bestrebungen. Verlockend ist, dass derart produzierter Wasserstoff absolut umweltverträglich ist. Bisher stimmt nur eins nicht: die Ausbeute. Daher ist Biowasserstoff bei weitem noch nicht konkurrenzfähig zu Benzin, Diesel oder Ethanol.

Mit dem gerade gestarteten EU-Projekt CyanoFactory soll sich das ändern. 3,7 Millionen Euro erhalten über drei Jahre verteilt neun Forschungseinrichtungen in Deutschland, England, Italien, Portugal, Schweden, Slowenien und Spanien. Die deutschen Vertreter sind die Ruhr-Universität Bochum, die bereits große Erfahrungen in diesem Bereich hat, die Hochschule Mittweida in Sachsen und das Umweltunternehmen KSD in Hattingen an der Ruhr. Die Produktionsarbeit sollen Blaualgen leisten, von Wissenschaftlern Cyanobakterien genannt. Im Naturzustand sind diese Mikroorganismen gar nicht in der Lage, Wasserstoff zu produzieren. Wasserstoffforscher lieben sie dennoch, weil sie praktisch nur Sonnenlicht brauchen, um zu wachsen und sich zu vermehren.

Diese natürliche Entwicklung wollen die Wissenschaftler jetzt in andere Bahnen lenken. Spezialisten der Universität Uppsala in Schweden leisten die Basisarbeit. Per Genmanipulation pflanzen sie in die Mikroorganismen die Fähigkeit ein, Wasserstoff zu produzieren. Licht einfach zum Wachsen zu nutzen, ist eine Unart, finden die Forscher. Diese Unart wollen sie ihnen abgewöhnen. Sie sollen die Energie, die sie aus der Sonne beziehen, lieber zur Wasserstoffproduktion nutzen.

Die CyanoFactory-Forscher kappen dazu beispielsweise Lichtsammelantennen, die dazu da sind, Photonen, also Lichtteilchen auch dann noch einzufangen, wenn das Angebot gering ist, bei anbrechender Dunkelheit etwa. Diese Antennen machen ein Gutteil der Biomasse aus, sind aber für Mikroorganismen in Bioreaktoren überflüssig, weil dort immer genügend Licht vorhanden ist.

Es gibt eine Menge Stellschrauben, an denen die Forscher drehen können, um die Blaualgen zu höchster Produktivität zu bringen. Wenn alle Optimierungen, die geplant sind, gelingen, könnte die Produktion von Wasserstoff in Bioreaktoren wirtschaftlich werden, schätzt Hermann-Josef Wagner, Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum.

Gemeinsam mit dem Hattinger Unternehmen entwickeln die Bochumer Forscher jetzt einen 100-Liter-Bioreaktor, der preiswert und besonders flach ist, damit alle Mikroorganismen stets genügend Licht bekommen. In der nächsten Stufe werden Reaktoren mit der zehnfachen Größe gebaut.

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