Innovation Schwimmendes Kraftwerk erzeugt Energie aus Meereswärme

Seit 40 Jahren tüfteln US-Ingenieure an einem innovativen Meereskraftwerk. Jetzt wird es gebaut - vor der Küste Chinas.

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Was lange dauert, wird am Ende gut. Das gilt sogar für einen Waffenkonzern wie Lockheed Martin aus den USA. Ganz abseits vom eigentlichen Kerngeschäft tüfteln dort seit rund 40 Jahren Ingenieure an einem ziemlich verrückten Kraftwerk. Das soll die relativ großen Temperaturunterschiede zwischen oberflächennahem Meereswasser und der Tiefsee nutzen.

Jetzt gab es endlich einen Durchbruch bei dem Projekt - herausgekommen ist etwas, das einer Ölplattform zum Verwechseln ähnelt (siehe Aufmacherbild)

Die Amerikaner vereinbarten mit dem chinesischen Investor Reignwood Group den Bau einer solchen Anlage, die eine Leistung von zehn Megawatt haben soll. Das ist ungefähr ein Hundertstel der Leistung der weltweit größten Braunkohlekraftwerke. Das Kraftwerk, das auf Stelzen stehen oder auf einer schwimmenden Plattform montiert wird, soll eine Ferienanlage in China mit Energie versorgen, die Reignwood bauen will.

Ocean Thermal Energy Conversion (Otec) nennt sich diese Stromerzeugungsart. Statt Wasser, das erst bei einer Temperatur von 100 Grad Celsius verdampft, wird eine bereits bei niedriger Temperatur siedende Flüssigkeit eingesetzt, etwa Ammoniak oder Propan. Bei relativ geringem Überdruck und der Temperatur des Oberflächenwassers, die mindesten 20 Grad Celsius betragen muss, entwickeln diese Medien Dampf, der in einen sogenannten Turbogenerator geleitet wird.

Das, was in den dampfenden Kühltürmen von Kohle- und Kernkraftwerken geschieht, die Rückverwandlung des Dampfes in Flüssigkeit, geschieht in einem geschlossenen Kühlturm an Bord des Meereskraftwerks, in den Wasser aus einer Tiefe von mindesten 500 Meter gepumpt wird. Die Kälte lässt den Dampf kondensieren. Er verwandelt sich zurück in Flüssigkeit, die im warmen Oberflächenwasser verdampft und die Turbine antreibt.

Jahrelanger KampfSchon seit Jahrzehnten versuchen Ingenieure, das Temperaturgefälle des Meeres zur Stromerzeugung zu nutzen. Doch stets ging so viel Energie für das Hochpumpen des kalten Wassers verloren, dass es sich nicht lohnte. Welchen Wirkungsgrad das Lockheed-Kraftwerk erreicht, ist unbekannt. Es dürfte den von Solarzellen allerdings kaum überschreiten. Dennoch hat Otec einen entscheidenden Vorteil: Es liefert Strom rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Vorausgesetzt, es schwimmt in Meeresregionen, in denen das Oberflächenwasser ganzjährig auf eine Temperatur von mindestens 20 Grad Celsius kommt.

Die Energie kann nicht nur für die Versorgung von Orten oder Ferienanlagen genutzt werden, sondern auch als Entsalzungsanlage zur Herstellung von Trinkwasser. Die geplante Ferienanlage soll die erste der Reignwood Group ohne jede Schadstoffemission sein.

Während Lockheed die Baupläne für das Chinaprojekt noch längst nicht fertig hat, denkt das Management des Rüstungskonzerns bereits an die nächste Generation. Mit einer Leistung von 100 Megawatt sollen diese Kraftwerke gleich zehnmal so groß werden. Ein Ölkraftwerk, das ebenso viel Strom produziert, benötigte dazu pro Jahr rund 200 Millionen Liter im Wert von derzeit 130 Millionen Dollar, rechnet Lockheed vor. Zudem würde es eine halbe Million Tonnen Kohlendioxid emittieren.

Klingt eigentlich alles ziemlich überzeugend. Nur: Lockheed betrieb bereits eine Versuchsanlage vor Hawaii, die aber nie so viel Energie lieferte wie vorhergesagt. Sie wurde abgerissen. Ob die Amerikaner vor Chinas Küsten mehr Glück haben, wird sich zeigen.

Und hier wird das System nochmal im Video erklärt:



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