Innovationen in Unternehmen Wenn die Mitarbeiter auf Nachhaltigkeit achten

Mitarbeiter, die auch privat auf Nachhaltigkeit achten, können für Unternehmen zum großen Wettbewerbsvorteil werden.

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Wo sitzen die Nachhaltigkeitsexperten? Viele Unternehmen könnten direkt von ihren eigenen Mitarbeitern profitieren. Quelle: dpa

Dr. Viola Muster ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Arbeitslehre/ Ökonomie und Nachhaltiger Konsum der TU Berlin. Prof. Dr. Ulf Schrader leitet das Fachgebiet. Im Rahmen des BMBF-Projektes IMKoN "Integration von Mitarbeitern als Konsumenten in Nachhaltigkeitsinnovationsprozesse" untersuchen sie mit zahlreichen Forschungs- und Praxispartnern den Mehrwert von nachhaltigkeitsorientierten Mitarbeitern für Innovationen.

Nachhaltigkeit lohnt sich für Unternehmen: Konsumenten schätzen das, Investoren achten mittlerweile ebenfalls auf eine verantwortliche Unternehmensführung und auch heiß umworbene Fachkräfte wollen oft zu Unternehmen, die fair und verantwortungsbewusst arbeiten.

Was viele Unternehmen aber noch nicht wissen: Auch die Nachhaltigkeitsorientierung der Mitarbeiter, also ein sozial-ökologisch ausgerichteter Lebensstil, kann ein entscheidender Wettbewerbsfaktor sein.
Einerseits weil Unternehmen, die nachhaltiger werden wollen, natürlich auf Mitarbeiter angewiesen sind, die diese Werte teilen und in ihrem Verhalten am Arbeitsplatz umsetzen. Andererseits aber vor allem, weil nachhaltig orientierte Mitarbeiter, besondere Erfahrungen, Bedürfnisse und Ideen aus ihrem Privatleben mitbringen, die andere nicht haben und die für Unternehmen sehr wertvoll sein könnten.

Mehr Wissen über Produkte

Mitarbeiter, die häufig Bio-Produkte einkaufen, schätzen die Vorteile solcher Produkte. Und sie kennen auch deren Defizite – etwa weite Transportwege, unnötige Verpackungen und Inhaltsstoffe oder eine geringe Auswahl.

Auch Mitarbeiter, die beispielsweise Car-Sharing-Angebote nutzen oder in eine Solaranlage investiert haben, kennen diese Produkte und Märkte genauer als andere. Sie wissen um bestehende Mängel – und manchmal eben auch um die entsprechenden Lösungen.

Nachhaltigkeitsexperten im Büro nebenan

In vielen Unternehmen arbeiten also private Nachhaltigkeitsexperten. Mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen könnten sie dazu beitragen, dass Innovationen in Unternehmen nachhaltiger und zugleich praxistauglicher werden – schließlich kommen die Ideen ja von den potentiellen Nutzern selbst. Doch die nachhaltigkeitsorientierten Mitarbeiter haben auch noch andere Vorteile. So zeigen Studien, dass diese besonders motiviert sind, sich für neue, nachhaltige Lösungen interessieren und ihre eigenen Erfahrungen gern teilen und verbreiten.

Und das gilt nicht nur in ihrem Privatleben. Auch am Arbeitsplatz wollen sie diese Nachhaltigkeitsorientierung einbringen und verwirklichen, das hat eine Arbeitnehmerbefragung zum Thema deutlich gemacht. Das heißt also – die Mitarbeiter haben nicht nur kostbares Wissen, sie sind auch noch motiviert, es weiterzugeben.

Mitarbeiter als Doppelagenten

Außerdem haben Mitarbeiter, die sowohl informierte Verbraucher als auch kompetente Unternehmensmitglieder sind, einen besonderen Wert für Firmen. Wie Doppelagenten kennen sie sensible Informationen auf beiden Seiten – im Verbraucheralltag und in ihrem Unternehmen. Sie wissen, was die Menschen "draußen" brauchen. Und sie wissen gleichzeitig, was "drinnen" im Unternehmen los ist, welche Hürden eine gute Idee nehmen muss und was es braucht, damit aus einer Idee ein marktreifes Produkt wird. Schließlich brauchen erfolgreiche Innovationen beides – die zündende Idee und die passende Umsetzung.

Anders als im Spionage-Thriller nimmt keine Seite davon Schaden. Im Gegenteil: Diese auf Nachhaltigkeit ausgerichteten "embedded Lead User", wie sie in der Wissenschaft genannt werden, können gerade Win-Win-Situationen befördern. So lassen sich in Unternehmen möglicherweise erfolgreichere, nachhaltigere Innovationen hervorbringen. Verbraucher könnten dadurch passendere Angebote erhalten.

In Unternehmenspraxis Ausnahme

Doch welche Bedeutung hat die private Nachhaltigkeitsorientierung von Mitarbeitern im Unternehmensalltag? Welche Rolle spielt es für Unternehmen, ob Mitarbeiter Öko-Freaks sind oder Umweltsünder? Acht Unternehmen, vom Öko-Pionier bis zum nachhaltigkeitsengagierten Großunternehmen, werden im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts IMKoN ("Integration von Mitarbeitern als Konsumenten in Nachhaltigkeitsinnovationsprozesse") in Hinblick auf diese Fragen genauer unter die Lupe genommen.

Erste Ergebnisse einer Bestandsaufnahme geben Einblick in eine äußerst diverse Unternehmenspraxis. Insgesamt wird deutlich, dass es bislang eher Ausnahmen und Zufälle sind, wenn Mitarbeiter als private Nachhaltigkeitsexperten zu Innovationen beitragen. Eine systematische und aktive Einbindung der privaten Nachhaltigkeitsorientierung findet kaum statt. Nur in einem der befragten Unternehmen wurde die bisherige Bedeutung und tatsächliche Einbindung privater Nachhaltigkeitserfahrungen für die Entwicklung neuer Produkte als hoch eingeschätzt.

Unternehmensgröße als Hindernis?

Öko-Unternehmen verdeutlichen jedoch oftmals bereits mit ihrer eigenen Gründungsgeschichte, welchen Wert private Nachhaltigkeitserfahrungen für erfolgreiches Unternehmertum haben. Mit zunehmender Unternehmensgröße scheint es allerdings schwerer zu werden, diese ursprünglich selbstverständliche Verknüpfung von privaten Interessen und Unternehmensalltag beizubehalten. Je größer ein Unternehmen, je formalisierter die Innovationsstrukturen und je technisch-komplexer die Produkte, das zeigte sich zumindest in der kleinen Stichprobe, desto unwahrscheinlicher ist es bislang, dass private Erfahrungen und Ideen im Innovationsprozess systematisch Berücksichtigung finden.

Dass dies nicht so bleiben muss, zeigen die vielen Chancen, die die befragten Unternehmen dem Ansatz beimessen: Identifikationssteigerung mit dem Unternehmen, mehr Gemeinschaftlichkeit und Kreativität, eine bessere Wertschätzung und Nutzung der privaten Motivation von Mitarbeitern.

Gleichwohl gibt es Vorbehalte und Einschränkungen. So müsste beispielsweise darauf geachtet werden, dass Mitarbeiter sich dadurch nicht bevormundet und in ihrer privaten Freiheit gestört fühlen und dass keine Erwartungen geweckt werden, die am Ende nicht befriedigt werden können. Weitere Forschungsergebnisse werden zeigen, ob und wie sich der Ansatz in der Praxis bewährt.

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