Interview David Mayer de Rothschild: "Wir brauchen Billionen-Dollar-Umweldfonds"

Wir haben uns mit Heike Schiffler und David Mayer de Rothschild am Rande der GreenTec-Awards getroffen und festgestellt, dass der Ökologe und die Verpackungs-Kommunikatorin ziemlich ähnliche Ziele verfolgen. Etwa eine deutlich nachhaltigere Gesellschaft. Welchen Weg sie dorthin einschlagen wollen, haben sie uns im Gespräch erklärt.

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Rothschild und Schiffler bei den GreenTec-Awards 2015. (Foto: GreenTec Awards)

Heike Schiffler ist eine erfahrene Kommunikationsfachfrau und arbeitet seit den 90er-Jahren im Nachhaltigkeitsbereich. Für Tetra Pak kümmert sie sich um Umweltbelange auf dem europäischen und dem asiatischen Markt.

David Mayer de Rothschild gilt als begehrtester Junggeselle der Welt – dabei ist er kaum zuhause. Seine wahre Leidenschaft gilt Expeditionen, von denen er oft bedenkliche Eindrücke mitbringt – und Ideen, wie sich die Umweltprobleme unserer Zeit lösen lassen.

Herr Rothschild, Sie reisen viel – als Öko-Abenteurer, als Umweltbotschafter – und dabei kommt ein ziemlicher CO2-Fußabdruck zusammen. Wissen Sie, wie groß dieser ist?

Rothschild: Ich arbeite seit 17 Jahren im Umweltbereich, Reisen sind ein Teil davon. Ich werde mich dafür nicht entschuldigen, und ich kenne meinen Fußabdruck natürlich, weil ich ihn jedes Jahr kompensiere. Aber ein Fußabdruck kommt ja nicht nur vom Reisen. Ich verstehe das Konzept, aber wenn wir uns nicht das ganze System anschauen, dann verschieben wir nur die Möbel auf der Titanic, aber retten das Schiff nicht. Wir brauchen auch jenseits des Reisens eine größere Transparenz bei Klimagasen. Sehen Sie, wir alle mögen die schönen Dinge, Käse aus Frankreich, Bananen im Winter, aber vielleicht müssen wir aus diesem Kreislauf raus.

Frau Schiffler, auch Sie sind viel unterwegs. Heiligt der Zweck die Mittel?

Schiffler: Manchmal muss man Menschen treffen, Konferenzen besuchen, weil wir auf eine Linie kommen wollen. Das muss man manchmal persönlich machen – manchmal reicht die Videokonferenz. Aber ich stimme darin zu, dass der positive Effekt von einem erfolgreichen Treffen deutlich weitreichender sein kann als der negative Effekt einer Reise.

Herr Rothschild, die Reisen, Ihr Beziehungsleben, Ihre Familie sind immer von großem Interesse. Auch wenn Sie bei Ihren Aktionen mit starken Symbolen arbeiten, etwa als Sie mit einem Plastikboot durch die Plastik-Teppiche im Pazifik gefahren sind - überlagert das private Interesse an Ihnen dennoch Ihre Projekte?

Rothschild: Ich sage gerne: Wir können darüber reden, wen ich date, wie ich hergeflogen bin und welche Kleidung ich trage - oder Sie sind mutiger und fragen tiefer. Wir können über Ökologie reden oder über Haarprodukte und Frauen. Wenn das niedrige Niveau dazu führt, dass mich Menschen googlen und eine Story über die Entholzung im Amazonas finden – super. Jeder von uns hat seine Geschichte.

Welche Geschichte erzählen Sie Frau Schiffler? Als Unternehmen muss man ja auch eine Geschichte erzählen?

Schiffler: Das Prinzip ist das selbe, Menschen erreichen. Es darf nicht theoretisch sein – wir müssen Dinge zeigen, verständlich machen.

Und was ist die Geschichte?

Schiffler: "Protect whats good" war der Slogan unseres Gründers, und das steht immer noch hinter unserem Geschäft. Nicht nur dafür, Lebensmittel in der Verpackung aufzubewahren, sondern auch, unsere Umwelt zu beschützen, deren Ressourcen wir brauchen. Deshalb arbeiten wir ja beispielsweise daran, pflanzenbasierte Kunststoffe einzusetzen, um kein Erdöl zu verbrauchen. Wir wollen keine Materialien nutzen, die knapp sind, sondern welche, die nachwachsen. Am Ende kann dann 100 Prozent Recycling stehen.

Das klingt ein bisschen, als hätten Sie ein Bild der perfekten Verpackung im Kopf?

Schiffler: Ja, das ist eine Reise dorthin, die wir machen. Definitiv.

Apropos Reise - Herr Rothschild, Sie waren - wie gerade angesprochen - mit Ihrem Plastik-Recycling-Boot bei einem solchen Müllteppich. Der auch für eine Wirtschaft steht, die eben nicht auf Wiederverwertung setzt. Aber wir hatten bei WiWo Green auch schon einen Leser, der nicht an an die Plastikfläche glauben wollte, weil man sie nicht sehen könne.

Rothschild: Das ist leider ein gutes Beispiel für schlechten Journalismus. Denn hier wurde viel sensationalisiert. Wenn jemand von einem Plastikteppich hört, denkt er an eine Insel aus Plastik, auf der Robinson Crusoe lebt. Wie ein solides Floß. Aber so funktioniert Plastik nicht. Salzwasser und Sonnenlicht lassen das Plastik spröde werden, das wird immer kleiner, bricht schnell in kleinste Teile. Meerjungfrauen-Tränen werden die auch genannt.

Dort, wo Strömungen aufeinandertreffen, sammelt sich das Plastik. Überwiegend unter Wasser, und bereits sehr klein. Es gibt also keinen richtigen Teppich, nur eine höhere Dichte. Aber man darf die Menge dennoch nicht unterschätzen: Boyan Slat ist jetzt von Florida nach Hawaii gefahren, und er hat seine Schiffe viel schneller vollbekommen als gedacht.

Plastik im Ozean ist ein Riesenproblem, auch weil die Fische die Teilchen aufnehmen. Wenn man mich essen würde, dann würde man giftige Stoffe zu sich nehmen, die aus dem Kunststoff kommen können. Auch wenn ich Fleisch statt Fisch esse – das Fischmehl, mit dem andere Tiere gefüttert werden, enthält ebenfalls Plastik.

Das lässt sich auch nicht auf Unternehmen schieben. Niemand hasst die Natur oder will sie absichtlich beschädigen. Die Herausforderung ist, aus einem System auszubrechen, das auf billigem Öl und unendlichen Ressourcen basiert. Politik, Unternehmen, Bürger können es nicht alleine. Das muss man gemeinsam schaffen. Was ist wichtiger als unser Überleben auf diesem Planeten? Nichts. Also warum setzen wir nicht ein Billionen-Dollar-Umweldfonds auf? Und wenn ein Unternehmer einen nachhaltigen Weg findet, der uns voran bringt, dann zwacken wir Geld vom Planet-Survival-Fund ab - wir brauchen solche große Investitionen, um aus dem bisherigen System herauszukommen.

Im Interview am Rande der GreenTec-Awards: David Mayer de Rothschild, Heike Schiffler und WiWo-Green-Mitarbeiter Peter Vollmer (v. l.)

Also das Ziel der nachhaltigen Gesellschaft. Frau Schiffler, ist die festgefahrene Struktur das Problem?

Schiffler: Ja, natürlich, es gibt viele Details, viele Menschen, die zusammenarbeiten, die man überein bringen muss. Und wenn man sich verschiedene Staaten, unterschiedlichen Wohlstand anschaut, dann ist es einfach unheimlich schwierig, alle zusammenzubringen. Aber ja: Es braucht eine globale Herangehensweise.

Rothschild: Zwei Milliarden Menschen haben immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser - hier bei uns stehen drei Sorten Wasser auf dem Tisch. Wir sind da das eine Prozent, aber das ermöglicht uns, zu Menschen zu reisen und ihre Lösungen anzuschauen. Manche Slums haben beeindruckende Wege, Müll weiterzuverwenden, Häuser zu bauen. Das Liter of Light Projekt – so einfach, aber genial. Wir sind an einem Punkt, wo wir so viel darüber wissen, wie wir die Welt besser machen können – jetzt sind wir auch verantwortlich, zu handeln.

Ist diese Verantwortung auch ein Antrieb für Unternehmen?

Schiffler: Deshalb setzen wir ja auf Wälder, die nachhaltig bewirtschaftet werden, beim Plastik ist das nicht so einfach – deshalb wollen wir auch da Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen haben. Aber die müssen von der Verarbeitung auch so sein, dass wir sie problemlos einsetzen können. In der Praxis kommen viele kleine Schritte nacheinander, die man entsprechend bewältigen muss. Das ist nicht einfach. Aber man braucht auch ein offenes Bewusstsein.

Offen für Ideen sein, Dinge lernen – das entschuldigt ja auch das Reisen wieder.

Rothschild: Das stimmt. Live Curious.

Einen Schwepunkt zum Thema "Nachhaltig Reisen" und Infos zu den Green-Tec-Awards finden Sie auch in der aktuellen Wirtschaftswoche mit einem Schwerpunkt zur Green Economy – im Zeitschriftenhandel oder digital für Inhaber unseres Digitalpasses.

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