Kampf um Rohstoffe Die Ära der Hochrisiko-Förderung beginnt

Experten warnen vor knapp werdenden Rohstoffen. Doch das Problem liegt woanders, wie unser Gastbeitrag erklärt.

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Wer eine Karte der geologischen Lagerstätten in Deutschland betrachtet, dem fällt sofort die bunte, flächenfüllende Vielfalt der mineralischen Vorkommen auf. Von Sand und Kies bis Kalkstein und Dolomit, von Braunkohle bis zu Ölschiefern – Deutschland ist ein rohstoffreiches Land.

Überlagert man die Karte allerdings mit den Flächen für Landschafts- und Naturschutzgebiete, Biosphärenreservate, Nationalparks und Wasserschutzareale, so ist von der ursprünglichen Vielfalt nur noch wenig zu sehen. Trägt man dann noch die landwirtschaftliche Nutzung ein, die immerhin auf der Hälfte der Landesfläche in Deutschland stattfindet, bleiben kaum noch Orte übrig, wo eine Förderung von geologischen Rohstoffen ohne Konflikt mit anderen Nutzungsansprüchen möglich wäre.

Bergbau weicht den Konflikten zunehmend ausWarum sollte das in anderen Ländern grundsätzlich anders sein? Der Unterschied besteht zum einen darin, dass gerade metallische Vorkommen, die am Ende unsere Nachfrage nach Stahl und Aluminium stillen, in anderen Regionen noch nicht so weit ausgebeutet sind wie in Deutschland. Außerdem haben in vielen rohstoffreichen Ländern die Ansprüche von direkt Betroffenen und die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt noch einen geringeren Stellenwert als bei uns.

Dennoch weicht der Bergbau weltweit in weniger dicht besiedelte Gebiete aus. Die größten Zuwächse verzeichnet die Bergbauindustrie in Flächenstaaten mit der geringsten Bevölkerungsdichte wie Australien, Kanada, USA und Russland. In Europa entstehen die größten neuen Minen im Norden Finnlands. Die Folge: Wenn in der Region Alberta in Kanada Ölsande gewonnen werden, entstehen großflächige Mondlandschaften. Aber die Proteste von wenigen Ureinwohnern und Umweltbewegten verhallen, solange die Minen weit weg sind von den Zentren des Verbrauchs.

Was das Beispiel Kanada auch zeigt: Selbst in beinahe menschenleeren Einöden ist die Förderung von Rohstoffen nicht frei von Konflikten.

Das liegt auch daran, dass der technische Aufwand der Rohstoffgewinnung insgesamt zunimmt. Die leicht zugänglichen Lagerstätten sind vielfach ausgebeutet, die Unternehmen müssen mehr Material beseite räumen, um an die eigentlichen Rohstoffe zu gelangen, sie müssen mehr und tiefer graben und sie müssen mehr Material aufbereiten. Die Folge ist ein steigender Energie- und Flächenverbrauch bei der Rohstoffgewinnung.

Für die Kohleförderung umgesiedeltMit den Gruben wächst auch ihr Radius, in dem Grundwasser abgesenkt wird. Auch die Raffination von Erzen benötigt häufig Wasser. In trockenen Gebieten kommt es zu Konflikten mit der Landwirtschaft. In niederschlagsreichen Regionen haben Dammbrüche von Sickerbecken, in denen sich schwermetallhaltiger Schlamm absetzen soll, zur Vergiftung von Flüssen und fruchtbaren Anbauflächen geführt.

Allein in den USA gibt es mehr als 1200 durch saure Minenwässer gefährdete Standorte. Bei mehr als zehn Prozent würde die Sanierung jeweils mehr als 50 Millionen Dollar kosten.

Die Folge der immer aufwendigeren Förderung ist, dass es weltweit hunderte wissenschaftlich dokumentierte soziale und umweltbezogene Konflikte um Projekte für die Rohstoffgewinnung und ihre Aufbereitung gibt.

Aber nicht nur der Bergbau und die mineralstoffbasierte Industrie verursachen ressourcenbedingte Umweltveränderungen. Blickt man auf die Folgen der Rohstoffförderung, muss man zum Beispiel auch die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung für die Errichtung von Palmölplantagen in Indonesien thematisieren. Insgesamt ist die Ausdehnung der Anbau- und Weideflächen in der Landwirtschaft weltweit mit wesentlich größeren Verlusten artenreicher Lebensräume verbunden als der Bergbau. Gerade in tropischen Regionen schreitet der Raubbau an Wäldern mit großem Tempo voran.

Welche gravierenden Folgen aber auch der Bergbau haben kann, zeigt das Beispiel Deutschland. Allein in den letzten 60 bis 80 Jahren wurden im Rheinland etwa 45.000 und in der Lausitz etwa 30.000 Einwohner umgesiedelt, um Braunkohlevorkommen zu erschließen – häufig trotz heftiger Proteste der Betroffenen. Die Tagebaue Garzweiler und Horno wurden weithin bekannt.

In Deutschland neue Genehmigungen für ausgedehnten Bergbau zu bekommen, dürfte kaum noch möglich sein. Das würden Bevölkerung und Umweltverbände nicht mehr mitmachen.

Verbraucher in der VerantwortungDie Beispiele der konfliktreichen Erdölförderung aus Teersanden in Kanada und der Kohlebergbau in Deutschland stehen dabei exemplarisch – die Ressourcenextraktion stellt weltweit ein wachsendes Problem dar. Die menschgemachten Stoffströme übersteigen mittlerweile natürliche Massenbewegungen etwa durch Vulkanismus.

Mit jeder neuen Mine, mit jeder neuen Monokulturplantage schreitet die globale Umweltveränderung stetig fort. Mit der gewonnenen Rohstoffmenge steigt damit das Risiko von Nutzungskonflikten mit jenen, die in den Abbau-Gebieten leben, dort ihre Nahrungsmittel anbauen und ihre Tiere weiden, die sauberes Wasser benötigen. Hinzu kommt: Wenn natürliche Landschaften verschwinden, bleiben auch irgendwann die Touristen weg.

Den Rohstoffexportländern allein die Schuld für den sozialen und ökologischen Raubbau zuzuweisen, griffe aber zu kurz. Es sind nämlich die Verbrauchsländer wie Deutschland, die mit ihrer Nachfrage den Raubbau in der Ferne befeuern. Und je höher die Preise von Rohstoffen, desto attraktiver wird der Bereich auch für Anleger aus den Industrienationen, die in die Rohstoffgewinnung investieren.

Wobei die Wirkungen so fern nicht bleiben werden. Die Zahl der Umweltflüchtlinge steigt heute schon. Je weniger es gelingt, Menschen in Entwicklungsländern ein angemessenes Einkommen auf einer nachhaltigen Ressourcenbasis zu ermöglichen, desto größer wird die Zahl jener sein, die in die wohlhabenderen Staaten drängen.

Nachhaltiger BergbauDoch langsam scheint ein Umdenken stattzufinden. In letzter Zeit hat sich eine Reihe von Unternehmen dazu verpflichtet, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung verantwortungsvollen Bergbau zu betreiben. Zertifizierungsprogramme sollen gesundheits- und umweltschonende Abbaubedingungen gewährleisten. Unter anderem sollen die Maßnahmen Blutdiamanten vom Markt verdrängen.

Ein weiteres Beispiel ist das Metall Tantal, das zum Beispiel in Smartphones zum Einsatz kommt. Auch hier gibt es inzwischen Zertifizierungsversuche, die unter anderem garantieren sollen, dass Minenarbeiter in Konfliktregionen faire Löhne erhalten. Diese Bestrebungen könnten tatsächlich dabei helfen, Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen durchzusetzen, Menschenrechte zu achten und rücksichtsvoll mit der Natur umzugehen.

Allerdings müssen die Zertifizierungsanstrengungen hohe Hürden überwinden. Die Renditeerwartungen im Bergbau sind hoch und er wird häufig von und in Ländern betrieben, in denen Korruption an der Tagesordnung ist. Regierungsbeamte vergeben dort Lizenzen ohne Rücksicht auf die aktuelle Nutzung der Flächen und angestammte Rechte der indigenen Bevölkerung.

Neben dem verantwortungsvolleren Abbau von Rohstoffen, gibt es aber noch einen weiteren Trend, der die Umwelt künftig entlasten könnte. Verarbeitende Firmen erkennen zunehmend, dass es sich lohnt, in die Substitution teurer Werkstoffe und generell in Materialeffizienz zu investieren und so ihre Kosten zu senken.

Lösung RessourceneffizienzZwar haben sich die Metallmärkte nach dem enormen Preisauftrieb vor zehn Jahren wieder etwas beruhigt. Dennoch kosten Kupfer und Platin heute in etwa das Dreifache im Vergleich mit dem Jahr 2000. Manche Experten rechnen damit, dass der sogenannte Schweinezyklus mit Zeitverzögerung greift und die Investitionen in verstärkte Minenerschließung die Preise wieder drücken werden. Doch es bleibt eine Unsicherheit, ob die Preise im Mittel nicht doch weiter steigen.

In fast allen Industrieländern läuft die Entwicklung deshalb bereits in Richtung zunehmender Materialproduktivität, ein Faktor, der immer mehr den Wettbewerb bestimmen wird. Die Potenziale sind bei Weitem nicht ausgeschöpft. Unser Fortschritt würde im Gegenzug auch den Entwicklungsländern helfen, denen ihr Rohstoffreichtum häufig zum Fluch geworden ist.

So kommt auch den Rohstoffimporteuren und letztlich den Verbrauchern hierzulande eine große Verantwortung zu. Es geht darum, die Produktions- und Konsummuster so zu gestalten, dass die damit verbundene globale Ressourcennutzung zum einen soziale Mindeststandards einhält und zum anderen den ökologisch sicheren Bereich nicht verlässt.

Will man diesen ökologisch sicheren Korridor erreichen, müssten wir den Rohstoffverbrauch von Deutschland bis 2050 auf etwa ein Fünftel des heutigen Wertes vermindern. Wir würden dann pro Person immer noch zehn Tonnen Mineralien und zwei Tonnen Biomasse aufwenden, wovon fünf Tonnen als Rohstoff gehandelt würden. Möglich wäre eine solche Verminderung, wenn die Ressourcenproduktivität entsprechend gesteigert wird.

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Stefan Bringezu leitet die Forschungsgruppe Stoffströme und Ressourcenmanagement am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Seit 2011 ist er außerdem Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement beim Center for Environmental Systems Research (CESR) an der Universität Kassel. Stefan Bringezu beschreibt in einer Artikelserie bei WiWo Green, welche Herausforderung im Bereich der Rohstoffversorgung auf uns warten und wie wir sie meistern können.

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