Klimaschutz Geht es nicht mehr ohne Geoengineering?

Der Weltklimabericht erwähnt zum ersten Mal Chancen und Risiken des Geoengineering. Müssen wir die Risiken der Klima-Manipulation in Kauf nehmen?

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Hunderte Tonnen Eisen im Pazifik, Tausende Spiegel in der Erdumlaufbahn, manipulierte Wolken, die mehr Sonnenlicht reflektieren: Was sich anhört wie Stoff für einen Science-Fiction-Thriller oder Verschwörungstheorien, sind kühne Ideen, um die Erderwärmung zu bremsen oder gar aufzuhalten. In allen Teilen der Welt machen Wissenschaftler mit Plänen von sich reden, das Weltklima zu manipulieren, anstatt mehr und mehr Emissionen zu vermeiden.

Der Fachbegriff für solche Vorhaben lautet Geoengineering. Der heute veröffentlichte Weltklimabericht erwähnt als erster seiner Art die Möglichkeit, das Klima mit Geoengineering zu schützen. Und er geht noch weiter: Erderwärmung und Meerespiegel-Anstieg könnten ohne Maßnahmen, die schon vorhandenen Treibhausgase zu absorbieren, überhaupt nicht mehr aufgehalten werden.

Das US-Magazin „New Scientist“ zitierte bereits am Mittwoch aus dem letzten Entwurf des Klima-Reports vor der heutigen Veröffentlichung: „Die CO2-induzierte Erwärmung wird nach einer völligen Einstellung aller Emissionen voraussichtlich mehrere hundert Jahre konstant bleiben.“ Ein großer Teil des Klimawandels sei somit unumkehrbar nach menschlicher Zeitmessung – es sei denn, die Emissionsbilanz wäre für einige Zeit negativ. So steht es auch im endgültigen Report.

Genau darauf zielt Geoengineering ab. Wenn manche der Ideen im großen Stil umsetzt würden, so versprechen ihre Erfinder, könnten sie mehr Klimagase aus der Atmosphäre schlucken, als die Menschen verursachen. Oder sie würden die Sonneneinstrahlung für einige Zeit dermaßen eindämmen, dass die Treibhausgasemissionen egal werden. Vor zwei Jahren war das Geo- oder auch Climate-Engineering dem Bundesumweltminiterium einen 200 Seiten starken Bericht wert. Auch darin hieß es bereits: Will man das Zwei-Grad-Ziel einhalten, kommt man um Geoengineering womöglich nicht herum.

Laut dem britischen Guardian ist an der Erwähnung der Geoengineering-Möglichkeiten im neuen Klimabericht vor allem Russland Schuld. Und zwar aus ureigenem Interesse: Die russische Volkswirtschaft besteht im Wesentlichen aus der Förderung und dem Export von Rohstoffen – und die gesamte Wachstumsstrategie des Landes ist darauf ausgelegt, die Welt mit fossilen Brennstoffen zu versorgen. An strengen Klimaschutzvorschriften hat Russland kein Interesse.

Aber kann man das Weltklima wirklich mit Manipulationen und Reparaturen retten? Ein kleiner, entschlossener Kreis von Wissenschaftlern glaubt daran. Für die meisten dürfte sich der neue Passus im Klimabericht wie eine Bedrohung anhören – in etwa so, als kündigte man an, ohne den massiven Einsatz von grüner Gentechnik gebe es bald nichts mehr zu essen.

Zur Veröffentlichung des fünften IPCC-Reports haben wir uns noch einmal angesehen, welche Geoengineering-Ideen derzeit kursieren. Hier sind drei Beispiele für Wetter-, Klima- und Meeresmanipulation:

Nano-Spiegel über der StratosphäreDer kanadische Geoingenieur David W. Keith legte 2010 in einer Studie seine Idee dar, knapp über Stratosphäre Nano-Spiegel zu installieren. Die aus Aluminium, Aluminiumoxid und Bariumtitanat bestehenden Nanopartikel sollen dann oberhalb der Ozonschicht in einer Höhe von 40 bis 50 Kilometer schweben. Das Aluminium auf der Oberseite gibt die Wärme aus dem Sonnenlicht langsamer ab als das Bariumtitanat. Der Einfluss des Lichts auf die Bewegung von Aerosolteilchen (Photophorese) sorgt dafür, dass die Teilchen in einem Schwebezustand bleiben.

Der Vorteil dieser Methode ist die große Höhe, in der die Teilchen schweben – so würden geochemische Wechselwirkungen mit der Ozonschicht verhindert, die bei künstlichen Aerosol-Wolken befürchtet werden. Die Partikel könnten laut Keith sogar so konstruiert werden, dass sie in Richtung der Polkappen wandern – und die Effekte auf äquatoriale Klimaverhältnisse gering sind.

Meeres-Düngung und Plankton-BoomEs kursieren verschiedene Vorschläge, wie man die Meere düngen könnte, um das Plankton-Wachstum anzuregen. Je mehr Grünzeug im Meer schwimmt, desto mehr CO2 können die Ozeane speichern, so die Idee. Einer der Vorschläge: Tonnenweise Eisen ins Meer kippen und warten, damit das Plankton wächst.

Eine weitere Idee haben wir im August bei Wiwo Green vorgestellt: Der Biophysiker William Calvin von der University of Washington hat eine Push-Pull-Pumpe entwickelt, die Nährstoffe vom Meeresboden an die Oberfläche pumpt und so das Pflanzenwachstum anregt. Denn Algen Speichern genauso wie Pflanzen an Land Kohlendioxid aus der Luft.

Calvins Ziel ist ambitioniert: 600 Gigatonnen Kohlenstoff will er so binnen 20 Jahren aus der Luft ziehen. Das wären alle menschengemachten CO2-Emissionen, die seit dem vorindustriellen Zeitalter angefallen sind, plus jene, die in den kommenden zwei Jahrzehnten noch hinzukommen dürften. Dem Traum einer CO2-neutralen Welt steht jedoch das unkalkulierbare Risiko gegenüber, das eine Meeres-Düngung mit sich bringt. Wer kann schon abschätzen, wie sehr man dadurch empfindliche Ökosysteme durcheinanderbringt?

Schwefeldioxid: künstliche VulkanausbrücheAls 1992 der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen ausbrach, fielen die globalen Temperaturen um 0,5 Grad Celsius. Dieses Phänomen wollen sich Geo-Ingenieure zunutze machen. Es gibt verschiedene Vorschläge, wie man ähnlich dem Effekt eines großen Vulkanausbruchs massenhaft Schwefeldioxid in die Atmosphäre pumpen könnte, um die Sonneneinstrahlung abzuschwächen.

Der russische Klimatologe Michail Budyko veröffentlichte die Idee schon in den 1970er Jahren. Amerikanische Wissenschaftler entwickelten sie weiter: Mit einem 25 Kilometer langen Schlauch, befestigt an einem Heliumballon, könnte man das farblose Gas in großer Höhe verteilen. Dazu reichten nach Angaben der Geo-Ingenieure bereits ein Prozent der weltweiten Schwefelemissionen. Die Langzeitfolgen und geochemischen Wechselwirkungen sind auch dabei völlig ungewiss.

Und noch ein Problem tut sich auf – und zwar bei allen Ideen. Solange die Menschheit weiter Klimagase ausstößt, muss man die Klima-Manipulation am Laufen halten. Denn wenn sich die Schwefeldioxid-Wolken wieder auflösen, wärmt sich die Erde ziemlich rasch wieder auf. Bei allen kühnen Vorhaben gilt somit immer noch: Ohne Emissionsvermeidung geht kein Klimaschutz. So bitter diese Wahrheit für Russland auch sein mag.

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