Die Prognosen des Klimaforschers Ben Marzeion von der Universität Innsbruck sind düster: Sollten sie sich bewahrheiten, werden unsere Nachfahren die Freiheitsstatue in New York, das Opernhaus in Sydney und die Altstadt von Neapel nur noch ausgerüstet mit Taucherbrille und Sauerstoffflasche bestaunen können.
Die Touristenattraktionen versinken ebenso in den Fluten wie mehr als 100 weitere Bauwerke, die die Vereinten Nationen zum Weltkulturerbe erhoben haben.
Es sei denn, schreibt Marzeion in einer gerade veröffentlichten Studie, es gelingt doch noch, die Erderwärmung zu bremsen. Dann würde auch der Meeresspiegel weniger stark ansteigen und nicht den Lebensraum von Millionen Menschen überschwemmen.
Beten bei WellengangDoch was tun? Architekten aus den Niederlanden, wo weite Landstriche schon heute unter dem Meeresspiegel liegen, schlagen schwimmende Häuser als Gegenstrategie vor. Ihr Wortführer ist Koen Olthuis. Er findet, höhere Dämme seien "keine wirtschaftliche Lösung". Seine Bauten für neue Stadtviertel in Amsterdam und Utrecht schwimmen nach dem Vorbild von Hausbooten schon auf dem Wasser.
Aber auch eine schwimmende Moschee hat Olthuis entworfen, die vor den Küsten ankern könnte. Und er hat einen mehr als zehn Meter hohen Park mit mehreren Geschossen konstruiert, der Tieren in überfluteten Gebieten Zuflucht bieten soll. Eine Million Euro würde die schwimmende Parklandschaft nach seiner Kalkulation kosten.
Doch was, wenn die Apokalypse ausbleibt, wie Kritiker der "Klima-Alarmisten" behaupten? Selbst dann, meinen Städteplaner, könnte es notwendig werden, Lebensraum draußen auf der See zu schaffen. Denn schon heute platzen viele Küstenstädte aus allen Nähten. Wohnraum wird knapp und für Ärmere unbezahlbar; es lassen sich kaum noch neue Gewerbegebiete einrichten.
Badende GewächshäuserArchitekten, Ingenieure und Ozeanologen des Seasteading Institute in San Francisco wollen das Dilemma beheben. Sie planen, Startups, Forschungseinrichtungen und Büros auf fest verankerten Schiffen in den Gewässern vor den Städten unterzubringen.
Zu den Unterstützern der Idee zählt der deutschstämmige PayPal-Gründer Peter Thiel. Und auch 200 Internet-Aktivisten hat der Plan begeistert. Sie spendeten kürzlich 20 000 Dollar für eine Machbarkeitsstudie.
Doch wo kommt die Nahrung her? Die Lösung haben drei Londoner Designstudenten: Sie lassen Gewächshäuser baden gehen. Einen Prototypen namens Sealeaf haben sie jüngst vorgestellt. Er ist kaum größer als ein Einkaufswagen, wird an Stegen befestigt und soll als Serienmodell einmal 50 Dollar kosten. In dem Kasten schwappt eine Nährlösung, in der ihre Besitzer 20 Kilogramm Gemüse im Jahr ziehen können.
Vorerst noch ein schöner Traum für das Leben im Meer ist das Projekt des Londoner Designers Phil Pauley nach dem Vorbild von Jules Verne: eine Stadt unter Wasser, die einer Mondstation ähnelt. Bisher allerdings existiert sie nur auf seinem Computer.
Bald schon könnten schwimmende Städte eine Alternative sein. Denn auch ohne Sintflut wird an Land der Wohnraum knapp.
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In einer Mini-Serie beleuchtet WiWo Green in den kommenden Tagen die fantastische Unterwasserwelt mitsamt ihrer ökonomischen Perspektiven. Darüber haben wir berichtet: