Kolumne Wie nachhaltig ist der Versandhändler Otto wirklich?

Den Slogan "Otto ... find’ ich gut" kennt fast jeder. Aber Kinderarbeit bei Zulieferern und schlechte Arbeitsbedingungen haben das Image des Konzerns getrübt.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Frank Wiebe ist Autor des Buches “Wie fair sind Apple & Co? – 50 Weltkonzerne im Ethik-Test”, das am 1.Februar erscheint. Wiebe ist Redakteur und Kolumnist des “Handelsblatts” und lebt in New York. Bei WiWo Green lesen Sie in den nächsten Wochen Auszüge aus seinem Buch. Im Buch wird der Text ergänzt durch Kennzahlen, ein exklusives Rating von Oekom Research und andere Einschätzungen sowie eine eigene Bewertung des Autors nach einem fünfstufigen System.

Kein Zweifel: Der Versandhändler Otto in Hamburg versteht etwas von Kommunikation. Der Spruch "Otto ... find’ ich gut" 
gehört zu den bekanntesten Werbeslogans in deutscher Sprache – und er funktioniert gerade deswegen, weil er so simpel ist.
 Außerdem passt er natürlich auch zu einem Unternehmen, das 
sich auch ethisch als "gut" präsentieren möchte.

Dass es sich um eine Firma im Familienbesitz handelt, rundet das beschauliche Bild ab. Der Gründer, Werner Otto, ist 
2011 im stolzen Alter von 102 Jahren gestorben, sein Sohn Mi
chael hat schon seit Langem die Führung übernommen: Diese
 Tradition gibt dem Konzern ein Gesicht.

Otto hat schon früh das Thema Nachhaltigkeit entdeckt 
und systematisch ins Firmenmanagement integriert. Es gibt daher auch kaum einen Artikel über derartige Themen, in denen 
Michael Otto nicht als Vorzeige-Unternehmer genannt wird. So
 schreibt das "Handelsblatt" im April 2012: "Es gilt, CSR strategisch anzupacken. Wie das funktioniert, zeigt die Otto Group.
 Der Versandhändler hat die Zahl nachhaltig hergestellter Produkte zuletzt um die Hälfte auf knapp 4500 erhöht und geht 
Partnerschaften mit Markenherstellern und Händlern ein, die
 nachhaltige Sortimente anbieten."

Preise für NachhaltigkeitMichael Otto und sein Un
ternehmen sind deswegen auch schon mit unzähligen Preisen 
bedacht worden.
 Aber man darf nicht übersehen: Auch der Versandhändler 
aus Hamburg wurde schon mit ganz ähnlichen Vorwürfen konfrontiert wie andere Textilunternehmen – in der Regel geht es
 dabei um die schlechten Arbeitsbedingungen in Zulieferbetrie
ben, die fernab in Schwellenländern liegen. Außerdem: Auch 
andere Konzerne bemühen sich, derartige Missstände abzustel
len. Ähnlich bei Umweltthemen: Der Einsatz von nachhaltig 
erzeugter Baumwolle oder gar Biobaumwolle ist bei allen Textilkonzernen ein Thema.

Letztlich unterscheidet sich das Sorti
ment, das Otto bietet, nicht grundsätzlich von dem vieler Kon
kurrenten.
 Verdienstvoll ist sicher, dass Otto Themen wie Nachhaltigkeit, Verantwortung und Ökologie schon sehr früh, sehr beharrlich und sehr glaubwürdig in der Öffentlichkeit weit nach vorne
 gebracht hat.

Kritik erfährt Otto aber zum Beispiel von dem In
stitut Südwind in einer Studie aus dem Jahr 2005. Danach wer
den in Zulieferbetrieben der Hamburger in Indonesien und 
China ähnlich miserable Zustände angetroffen wie in denen an
derer Konkurrenten. Otto bekommt in der Studie die Gelegen
heit zur Stellungnahme und gibt an, mit einem der kritisierten 
Zulieferer die Zusammenarbeit eingestellt zu haben.

Im Februar
 2007 berichtet der "Stern" aber über den Zulieferer einer Tochter
 des Otto-Konzerns in Indien, der Kinder in einem Kellerloch
 arbeiten lässt. Otto versucht zunächst, die Zusammenarbeit mit 
dem Zulieferer zu verbessern und aus ihm eine Art Vorzeige-
Unternehmen zu machen. Als dann weitere Keller mit ähnlichen 
Arbeitsbedingungen entdeckt werden, beendet er die Zusammenarbeit.

Ein Blog voll mit EigenlobWie ernst der Versandhändler das Thema nimmt, wie ge
schickt er aber auch in der Kommunikation ist, zeigt sich darin, 
dass er gezielt Auszubildende in "gute" Zulieferbetriebe in Asien
 schickt, die darüber begeistert im firmeneigenen Blog erzählen. 
Man mag das als PR abtun. Auf der anderen Seite: Wer als Azubi 
so mit dem Thema konfrontiert wird, hat sicher auch einen
 Anreiz, sich zu melden, wenn ihm später ganz andere Berichte 
zu Ohren kommen. Zur offenen Kommunikationsstrategie der 
Hamburger passt auch, dass Otto bei einer ZDF-Reportage im
 Jahr 2010 mit dem wenig schmeichelhaften Titel "Nähen bis 
zum Umfallen" seine eigenen CSR-Leute mit dem Fernsehteam
 zusammenarbeiten lässt.

Ein anderer Skandal, der ebenfalls recht peinlich ist, spielt 
sich sozusagen vor der eigenen Haustür ab. Zum Otto-Konzern
 gehört die Logistik-Tochter Hermes, die einen großen Teil der 
Ware ausliefert. Im Jahr 2011 wird harte Kritik laut an der extrem
 hohen Belastung und sehr niedrigen Bezahlung der Fahrer, die
 für Hermes unterwegs sind. In der Regel sind diese Fahrer nicht 
bei Hermes angestellt, sondern bei Subunternehmern, sodass den 
Konzern die Vorwürfe nicht direkt treffen.

Auf der anderen Seite 
lädt das Modell, mit Subunternehmen zu arbeiten, geradezu dazu
 ein, schlechte Arbeitsbedingungen zu tolerieren. Der Konzern
 reagiert auf die Vorwürfe allerdings prompt und gibt 2011 einen 
Verhaltenskodex für die Subunternehmer von Hermes heraus.
 Im Jahr 2012 räumt er ein, dass die Zustände immer noch nicht 
in Ordnung sind, und verspricht, die Bezahlung nach Stückzahlen abzuschaffen und auf Stundenlohn umzustellen.

Gute Noten für TransparenzDas Thema 
zeigt jedenfalls deutlich: Bei Otto ist auch nicht alles "gut".
 Nach so viel Kritik am Vorzeige-Unternehmen darf man 
aber nicht übersehen, dass der Händler die sozialen Themen und 
die Umweltproblematik sehr genau im Blick hat und darüber
 auch Aufschluss gibt. So führt er seit 2003 eine eigene Marke für
 biologische Baumwolle. Ein anderes Label bescheinigt Teppi
chen aus Nepal und Indien, dass sie ohne Kinderarbeit herge
stellt wurden – zugleich gehen 1,5 Prozent des Wertes der importierten Ware (also nicht des Kaufpreises) an Projekte für 
ehemalige Kinderarbeiter.

Um das "grüne" Image zu stärken,
 bündelt Otto derartige Angebote auf der eigenen Plattform "Ecorepublic". Dort findet man neben Waren aus Biobaumwolle 
auch energiesparende Waschmaschinen und Möbel aus zertifiziertem Holz.
 Otto unterstützt die Asian Floor Wage Campaign, die in 
Asien existenzsichernde Mindestlöhne für Textilarbeiter durch
setzen will.

Das ist aber nur eine von mehreren Initiativen: Eine 
andere, die Otto mitgegründet hat, heißt Business Social Compliance Initiative (BSCI); sie soll ebenfalls Mindeststandards in 
der Bezahlung sichern und arbeitet mit eigenen Kontrolleuren,
 um die Einhaltung sicherzustellen. Die generellen Vorgaben für 
Zulieferer unterscheiden sich aber nicht von denen anderer Konzerne – 48 Stunden pro Woche normale Arbeitszeit, einschließlich Überstunden dürften es 60 sein, ein freier Tag pro Woche 
im Minimum und keine Beschäftigung für Jugendliche unter 15
 Jahren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%