Konzerne Die nachhaltigsten Unternehmen der Welt

In die Liste der nachhaltigsten Konzerne schaffen es auch Öl- und Pharmafirmen. Das wirft die Frage auf, wie man Nachhaltigkeit definiert.

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Der belgische Materialtechnik- und Recyclingkonzern Umicore ist eine richtig große Nummer in Sachen saubere Technologien. Einen Großteil ihres Umsatzes machen die Spezialisten aus Brüssel mit Katalysatoren für Autos und LKW, sie stellen Komponenten für Photovoltaikmodule her und haben den weltweit ersten Recyclingprozess für moderne Batterien etabliert. Fast alle Geschäftsbereiche sind vorzeigbar, um das grüne Image zu untermauern, mit dem sich der Konzern gerne schmückt.

Dazu hat jetzt auch das Ranking der 100 nachhaltigsten Konzerne der Welt beigetragen, das die kanadische Analysefirma Coporate Knights („Das Unternehmen für sauberen Kapitalismus“) seit 2005 jährlich veröffentlicht. Umicore führt in diesem Jahr die Liste an – wegen seiner „starken, flächendeckenden Nachhaltigkeitsperformance“, wie es in der Begründung heißt.

Die Auswahlkriterien des Rankings sind vielfältig und streng. Zunächst tauchen viele Unternehmen aus der Cleantech-Branche gar nicht auf, weil nur mittlere und große Konzerne mit einem Marktwert von mindestens zwei Milliarden Dollar eingeschätzt werden. Waffenhersteller und Tabakkonzerne sind tabu. Chancen auf einen Platz in der Liste haben dann in einem ersten Schritt nur Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeit selbst messen und dokumentieren, nicht überschuldet sind und innerhalb des vergangenen Jahres nichts oder kaum etwas für Gerichtsurteile bezahlen mussten. Auch die Nachhaltigkeit der Produktpalette spielt eine Rolle.

Im zweiten Schritt definiert die Jury 12 Schlüsselindikatoren und passt diese für jede Branche an. Zu den Messgrößen gehören beispielsweise das Verhältnis von Umsatz und Energieverbrauch, die CO2-Intensität des Umsatzes, das Müllmanagement oder das Verhältnis von Chef- und Durchschnittsgehältern. Damit bewerten die Experten jeden Konzern relativ zu seinen Wettbewerbern – heraus kommen also die nachhaltigsten Unternehmen jedes Industriezweigs, was zum Teil den dritten Platz des norwegischen Ölkonzerns Statoil erklärt.

Sieben deutsche Konzerne vertretenIndirekt ist auch Deutschland unter den besten Zehn: 2003 übernahm Umicore die Edelmetallscheidung der deutschen Degussa, deren einstiges Kerngeschäft. Ansonsten schafften es sieben deutsche Konzerne in das Ranking, angeführt von BMW und Adidas auf den Plätzen 16 und 17, gefolgt von Siemens, BASF, Daimler, Henkel und SAP. Für BMW wiederholt das Ranking einen erst kürzlich errungenen Erfolg: Zum achten Mal in Folge wurden die Münchner als nachhaltigster Autohersteller der Welt im Dow Jones Sustainability Index gelistet.

„In Sachen CO2, Wasser, Energie und Abfall sind zwei Drittel der Global-100-Konzerne auf dem besten Weg, ihre Ressourcenproduktivität bis 2025 zu verdoppeln“, sagte Corporate-Knights-Chef Toby Heaps, „in einer Zeit immer knapperer Ressourcen macht das genauso viel Sinn wie Dollars.“

Auch das betont Corporate Knights gerne: Nachhaltige Konzerne sind wirtschaftlich erfolgreicher – und die Global-100-Liste somit ein Indikator für Investitionen in Aktien.

Der Global-100-Index sei einer der wenigen Aktienindizes, die sich in den vergangenen Jahren besser als der MSCI All Country World Index der weltgrößten Unternehmen entwickelt haben. Die Liste stehe stellvertretend für effizient geführte Unternehmen, die langfristig stabil wirtschaften. „Die Nachhaltigkeitsdaten, die in unser Modell einfließen, können versteckte und statistisch robuste Signale für die künftige Ertragskraft von Unternehmen sein“, sagte Doug Morrow, Forschungschef bei Corporate Knights.

Falsche Definition von Nachhaltigkeit?Doch die Rangliste, die Corporate Knights jährlich während des Weltwirtschaftsforums in Davos veröffentlicht, zieht auch Kritik auf sich. Denn noch immer lässt der Begriff Nachhaltigkeit bei großen Unternehmen viel Raum für Interpretation. Hat Nachhaltigkeit zwangsläufig etwas mit der Umwelt zu tun? Auf jeden Fall, schreibt Chris MacDonald, ein Experte für Wirtschaftsethik. Im Ranking werden die Konzerne allerdings auch an Werten gemessen, die nicht „grün“ sind. Etwa daran, wie viele Steuern sie zahlen oder wie viele Innovationen sie hervorbringen. „Ein Nachhaltigkeitsranking, das nur teilweise auf Umweltkriterien beruht, versagt in seiner eigentlichen Funktion“, kommentiert MacDonald.

Das ist die große Frage: Sollten wir die Nachhaltigkeit von Unternehmen nur mit Werten wie ihrer Energie- und Treibhausgasintensität und ihren Investitionen in grüne Energie bewerten, oder ist nachhaltig schon all das Gute, das ein Unternehmen tut? Es ist wohl an der Zeit, einheitliche Kriterien für die Nachhaltigkeit von Unternehmen zu definieren. Dann würde es auch kein Ölkonzern mehr in ein solches Ranking schaffen, der schon bald im arktischen Eis nach dem Rohstoff suchen will.

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