Kunststoff Tyvek Jetzt wird Kleidung wirklich recycelbar

Tyvek wird bisher vor allem im Hausbau eingesetzt. Deutsche Designer machen aus dem wiederverwertbaren Stoff nun Kleidungsstücke.

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Anne Trautwein brauchte eigentlich nur ein innovatives Thema für ihre Diplomarbeit, als sie sich dafür entschied, Kleidung aus Tyvek herzustellen. Die papierähnlichen Kunststoffbahnen, die der US-Chemiekonzern DuPont in den Fünfzigerjahren entwickelte, kannte die Designerin von Freunden, die Produktdesign studierten.

Dass aus dem Projekt einmal das in Halle an der Saale ansässige Modelabel Luxaa werden sollte, war so nicht geplant. Aber die Nachfrage war einfach da. "Luxaa wollte geboren werden", sagt die 33-Jährige heute.

Leichte Stoffe, luftige DesignsDank eines Stipediums konnte sie 2011 starten und näht heute Blusen und puristische Kleider aus Tyvek oder verzwirnt Tyvek-Streifen und macht daraus leichten Strick. Der ist antiallergen, bis 90 Grad waschbar, sehr weich auf der Haut und atmungsaktiv.

Der Polyethylen-Stoff wird bisher vor allem im Baugewerbe eingesetzt, wo er zur Wärmedämmung und Isolierung dient: Er ist wasserdicht, gibt aber Feuchtigkeit von drinnen nach außen ab. Ganze Häuser werden buchstäblich mit Tyvek eingewickelt. Auch für Schutzanzüge für Maler zum Beispiel eignet sich das Material hervorragend.

Das liegt auch an der jüngsten Crowdfunding-Kampagne für bunte Portmonnaies, die am 10. September endet und schon innerhalb von zwölf Tagen die selbstgesetzte Marke erreicht hatte.

Die farbenfrohen Geldbeutel sind nicht nur viel dünner als herkömmliche Portmonnaies aus Leder. Sie sind auch extrem widerstandsfähig. "Die Prototypen meiner Smartphone-Hüllen halten jetzt seit drei Jahren", sagt Wagner.

Wenn sie eines Tages doch kaputt gehen oder nicht mehr gebraucht werden, will er sie zurücknehmen. Tyvek kann bis zu fünfmal wieder aufbereitet werden und ist damit sehr viel umweltfreundlicher als aktuelle Kleiderstoffe, die eigentlich nur verbrannt werden können. Sind die Tyvek-Fasern nach mehrmaliger Nutzung beschädigt, lassen sie sich für andere PET-Produkte verwenden. Designerin Anne Trautwein gibt deshalb für jedes zurückgebrachte Kleidungsstück einen Gutschein aus, den sich die Kunden mit dem nächsten Einkauf verrechnen lassen können.

Und noch etwas haben die beiden Unternehmen gemeinsam: Sie setzen auf regionale Produktion. "Gedruckt, gestanzt, gefaltet, geklebt und verpackt wird in Berlin. Nur die Schneiderei sitzt im Erzgebirge", sagt Nils Wagner. Auch Trautwein lässt fast alle Arbeitsschritte in Deutschland durchführen.

Slow Fashion statt ständig neuer KollektionenZudem will sie die Modewelt entschleunigen: Statt zwei Kollektionen pro Jahr entwirft sie lediglich eine für den Sommer. "Im Winter gibt es dann jeweils eine ergänzende Capsule-Kollektion zu einem bestimmten Thema, deren Stücke sich mit der Kollektion kombinieren lassen", erklärt Trautwein. Dazu verwendet sie auch andere Materialien wie Bio-Seide, Bio-Flanell oder Bio-Baumwolle. An Tyvek gefällt ihr aber besonders, dass es in der Modewelt noch unbekannt und völlig assoziationsfrei ist.

Färbeverfahren in ArbeitDie Kleidung gibt es online oder in Boutiquen in Berlin, Leipzig, Düsseldorf und Ingolstadt. Trautwein plant aber jetzt schon weitere Pop-Up-Store-Projekte, eine eigene Taschenkollektion und die Expansion ins EU-Ausland.

Der vielseitige Kunststoff könnte also noch eine steile Karriere vor sich haben. Trautwein feilt gemeinsam mit Entwicklungspartnern derzeit an einem Färbeverfahren, Nils Wagner möchte demnächst auch Turnbeutel herstellen. Im großen Stil wird das papierartige Material übrigens jetzt schon als wichtiges Accessoire verwendet: Viele der bunten Festivalbändchen, die Musikbegeisterte Jahr für Jahr erhalten, sind aus Tyvek.

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