Kurierdienste Wie das Startup Tiramizoo die Logistik revolutioniert

Schneller als Amazon. Tiramizoo bringt Einkäufe in wenigen Stunden zu Kunden und will die Logistik grüner machen.

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Ideen, die die Welt verändern können, kommen manchmal auf ganz einfache Weise zustande. So saß Michael Löhr, ein von grüner Technik begeisterter Maschinenbauer und passionierter Fahrradfahrer, vor sieben Jahren in seinem Büro beim kanadischen Brennstoffzellenbauer Ballard und war im Stress. Zwar wartete zu Hause keine Großfamilie auf ihn, aber ein Fuhrpark von sieben Rennrädern und Mountainbikes. Die wollten in Schuss gehalten werden.

Anruf beim Radhändler: Ich brauche dringend ein Ersatzteil, habe aber leider keine Zeit es abzuholen, sagte Löhr. Der Verkäufer antwortete wie selbstverständlich: Dann schicke ich es ihnen gleich ins Büro.

Löhr war ebenso erfreut wie erstaunt – und hatte eine Idee: Was, wenn wir in Städten einen schnellen und bequemen Kurierservice anbieten, so dass Privatkunden nicht mehr selbst zum Einkaufen fahren müssen? Bis heute werden Kuriere vor allem von Unternehmen genutzt, die Dokumente und ähnliches an andere Unternehmen schicken.

Sieben Jahre später sitzt Michael Löhr im Büro seines Startups tiramizoo in München. Der 36-Jährige hat rund 700.000 Euro an Investorengeld eingesammelt und macht sich jetzt daran, den Deutschen die tägliche Fahrt ins Kaufhaus, den Supermarkt oder auch nur zum Blumengeschäft abzunehmen. Nichts weniger als „ein neues Zeitalter in der Kurierbranche“ will Löhr mit seinen 14 Mitarbeitern einläuten.

Italienischer Nachtisch als InspirationWas der Name seines Startups mit dem italienischen Nachtisch zu tun hat? „Tiramisu bedeutet auch „Hol mich ab“, erklärt der Gründer. Die Endung „zoo“ soll dabei schlicht den Wiedererkennungswert bei den Kunden steigern.

Erst im Sommer holte Löhr auch den Autobauer Daimler als Investor mit einer geheimen Summe an Bord. Während Amazon oder Ebay noch ihren Sofort-Lieferservice testen, schafft Löhr mit seinem Leitungsteam - Philipp Walz für den Vertrieb und Gregor Melhorn als CTO und 2. Geschäftsführer - schon jetzt Fakten.

Und so funktioniert die Geschäftsidee: Wenn der Kunde entweder Online, über Telefon oder persönlich in einem Geschäft eine Ware kauft, bringt sie ein Kurier, der mit tiramizoo kooperiert, am selben Tag vorbei. Oft erhält der Käufer seine Ware schon zwei Stunden später zu Hause oder im Büro.

Was erstmal unspektakulär klingt, hat im Alltag weitreichende Folgen: „Im Durchschnitt fährt jeder Deutsche für einen Einkauf vier Kilometer mit dem Auto“, rechnet Löhr vor. „Aber für ein paar Kilo Essen oder Elektronikartikel mehr als eine Tonne Auto zu bewegen ist absurd.“ Laut einer Untersuchung des Bundesverkehrsministeriums legen die Deutschen pro Tag rund 500 Millionen Autokilometer zwischen Supermarkt, Kaufhaus und Wohnort zurück.

Die Kuriere, die für tiramizoo arbeiten, können laut Löhr 20 bis 40 Pakete täglich transportieren. Das habe das Potenzial durchschnittlich 20 bis 30 private Einkaufsfahrten zu ersetzen. Möglich macht es eine Software, die über GPS-Ortung den perfekten Weg errechnet, so dass möglichst viele Pakete gleichzeitig und auf der kürzest möglichen Strecke transportiert werden.

Ideal für E-FahrzeugeDie Umweltbilanz der Startup-Idee ließe sich noch weiter verbessern, indem die Kuriere Elektroautos nutzen. Schon jetzt testet ein Pizzadienst in Hamburg die Stromer, weil sie in der Gesamtrechnung günstiger sind als Benziner. Nachts können die E-Fahrzeuge der Kuriere in Ruhe laden.

In Punkto Nachhaltigkeit hat der tiramizoo-Kurierdienst also das Potenzial den privaten Einkaufsverkehr um Längen zu schlagen – obwohl nur zehn Prozent der Kuriere, die mit tiramizoo kooperien, mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Derzeit bieten in den zwölf größten deutschen Städten unter anderem die Elektronikhändler von Notebooksbilliger.de und Conrad, die Buchhandlungen Thalia und Hugendubel und Galeria-Kaufhof ihren Kunden den Tages-Lieferservice von tiramizoo an. Hinzu kommen kleinere Anbieter aus der Modebranche wie luxodo.com oder Lodenfrey.

Die Kosten für die Lieferung liegen zwischen fünf und 15 Euro – ab einer bestimmten Einkaufssumme ist sie teilweise auch umsonst. Mit der Post ist das weitaus billiger, gibt Löhr zu. Aber der Schnellservice sei immerhin eine “Premiumdienstleistung”.

Wurst per Kurier ist nicht ganz billigWenn lokale Einzelhändler wie Blumengeschäfte, Metzgereien oder Fahrradläden in der Nachbarschaft oder gar Privatpersonen etwas verschicken wollen, können sie das über die Webseite von tiramizoo mit ein paar Klicks tun.

Bevor die Software bei den Partnern von tiramizoo Mitte 2011 in den Test gehen konnte, musste aber eine entscheidende Hürde genommen werden:

In Deutschland gibt es rund 3500 Kurierunternehmen, die alle mit unterschiedlichen Tarifen und Versicherungsmodellen arbeiten. Tiramizoo musste mit den Kurieren, die mit dem Startup kooperieren wollten, unter anderem eine einheitliche Versicherungsvereinbarung erarbeiten. Ganz ähnlich wie sie auch die Deutsche Post anbietet. Vor der Logistikrevolution war also eine Papierschlacht zu gewinnen.

Demnächst wollen die tiramizoo-Macher auch ins europäische Ausland expandieren. Und auch für Deutschland haben sie für die Zukunft große Pläne: So sollen Privatleute, die eine Strecke mit ihrem eigenem PKW oder einem Carsharing-Auto zurücklegen, sich als Interimskurier betätigen. Eine App würde über die GPS-Daten berechnen, wie die Paketlieferung in die Fahrstrecke am besten eingebunden werden kann. Der Fahrer könnte sich damit noch ein Taschengeld verdienen.

„Eine Person und drei Pakete in einem Carsharing-Auto, so könnte in Zukunft grüne Logistik aussehen“, sagt Löhr. Bis es soweit ist, freuen sich die Profi-Kuriere über neue Kunden. Und die Kunden über schnellere Lieferungen.

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