Leichter und sicherer Autoindustrie will mehr Kunststoffe verbauen

Kunststoffe mit Faser-Verstärkung machen Autos stabiler, leichter und damit emissionsärmer.

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Kunststoffe in Autos sind eigentlich ein alter Hut. Dennoch erlebt Plastik auf Rädern derzeit ein kleines Revival. Neue faserverstärkte Kunststoffe sind leichter und fester als ihre nicht-verstärkten Vorgänger und sorgen so für mehr Sicherheit und vor allem eine bessere Umweltbilanz.

Innovationstreiber sind gerade die Elektroautos, deren Gewicht Autohersteller wie BMW als Reichweitenhebel neben der Batterie entdeckt haben. Der i3 besteht mittlerweile zu 40 Prozent aus Kunststoff. Professor Peter Michel vom Fraunhofer Pilotanlagenzentrum PAZ in Schkopau hält sogar knapp 50 Prozent für möglich.

Aber auch für herkömmliche Spritfresser bieten die neuen Kunststoffe neue Möglichkeiten. Bisher sind Autohersteller meist noch stahlgetrieben und beim Einsatz von Kunststoff eher zurückhaltend. Sie setzen lieber auf Altbewährtes weil Guterforschtes. Doch das Interesse steigt. Denn faserverstärkte Kunststoffe sind durch Werkstoffforschung und Prozessentwicklung deutlich leistungsfähiger geworden. In einigen Einsatzbereichen sind sie herkömmlichen Materialien hinsichtlich Belastbarkeit, Lebensdauer und Herstellungskosten bereits überlegen.

Auch die immer schärferen Emissions-Grenzwerte sorgen für Bewegung bei den Autobauern. Seit die Europäische Kommission den Kohlendioxidausstoß der Neuwagen limitiert, ringen die Entwickler um jedes Gramm, das den Autos zu einer besseren Verbrauchsbilanz verhilft. Als Faustformel gilt: 100 Kilo weniger Gewicht sparen im Durchschnitt 0,3 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer.

Forschung an verbesserten KunststoffenIm PAZ - einer Gemeinschaftseinrichtung des Fraunhofer IWM Halle und des Fraunhofer IAP in Potsdam - laufen die Entwicklungen an besonders leichten und robusten Kunststoffteilen auf Hochtouren. Im Auftrag der Autohersteller. Interessant sind für die Forscher sogenannte UD-Tapes, also faserverstärkte Hybridstoffe aus zwei oder mehreren Materialien. „Ziel dieser einzigartigen Auftragsforschung ist es, schwere und energieintensive Metallkonstruktionen zu ersetzen“, so Michel.

Mit hybriden Kunststoffen können die Forscher die Sicherheit der Fahrzeuginsassen erhöhen. Denn das eingesparte Gewicht kann genutzt werden, um etwa zusätzliche Fahrassistenzsysteme einzubauen. Außerdem sind einige faserverstärkte Kunststoffe weniger anfällig für Defekte oder Materialermüdung, die zu Unfällen führen können.

Auch in Unfallsituationen sind Kunststoffe teilweise leistungsstärker als herkömmliche Materialien. Der Nachteil: Faserverbundwerkstoffe sind für den Fahrzeugbau ein vergleichsweise neuer Werkstoff, es gibt keine jahrzehntelangen Erfahrungswerte wie beim Einsatz von Stahl.

Handgefertigte PlastikmotorenSelbst Motoren können mittlerweile aus faserverstärkten Kunststoffen gefertigt werden. Zumindest im Prototyp. Die Fraunhofer-Projektgruppe „Neue Antriebssysteme“ des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT hat einen Einzylinder entwickelt, der etwa 20 Prozent weniger als sein Aluminium-Pendant wiegt – und das bei gleichen Kosten. Auf dem Prüfstand hat der Motor den Test bestanden.

Doch die Neuentwicklung birgt für die Forscher jede Menge Herausforderungen. Die Materialien müssen extremen Temperaturen und hohem Druck standhalten sowie Schwingungen unbeschadet überstehen. Dass dies mit Kunststoffen generell machbar ist, war bereits in den 80er Jahren bekannt. Doch die damaligen Motoren hätten von Hand gefertigt werden müssen. Für die Automobilindustrie, wo Motorblöcke in Millionen-Stückzahlen vom Band laufen, unvorstellbar.

Von der Massenfertigung ist die Industrie auch heute noch weit entfernt. Doch ICT-Projektleiter Dr. Stefan Tröster ist davon überzeugt, dass sich auch bei Motoren Kunststoffe durchsetzen. Nicht nur wegen des Gewichts. Es hat auch bessere akustische Eigenschaften. Das Auto wird ganz einfach leiser.

Für die Entscheidung, welches Material eingesetzt wird, ist auch der energie- und kostenintensive Herstellungsprozess entscheidend. Denn die CO2-Bilanz eines Fahrzeugs muss bereits bei dessen Entstehung betrachtet werden. „Es hilft nichts, wenn bei der Herstellung des Bauteils bereits so viel Energie aufgewendet wird, dass auch ein geringer Verbrauch den CO2-Footprint negativ bleiben lässt“, erklärt Michel.

Deshalb suchen die Forscher am PAZ nach Wegen, um leistungsfähige Kunsthybride möglichst energiesparend herstellen zu können. Besonders in der Glasfaser sieht Michel noch sehr viel Potenzial, den CO2-Fußabdruck schon in der Herstellung positiv zu beeinflussen.

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