Fracking soll nun auch in Deutschland möglich werden. Unter strengen Auflagen will die Bundesregierung die umstrittene Gas- und Ölförderung aus tiefen Gesteinsschichten erlauben. Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) haben sich nach langem Hin und Her auf einen Verordnungsentwurf geeinigt.
Doch Fragen bleiben: Wie gefährlich ist die Technik wirklich? Sind die Sorgen berechtigt? Wie viel Gas gibt es überhaupt? Und an welchen Stellen übertreiben Kritiker und Befürworter?
An diesem Donnerstag Abend ist Peter Altmaier in Berlin bei einer Diskussionsrunde, dem Shell-Energie-Dialog, zu Gast. Mit ihm auf dem Podium sitzen Michael Sailer, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Institutes und Dr. Matthias Bichsel, Director Projects and Technology bei Royal Dutch Shell. Beginn ist 19:30 Uhr. Wir berichten an dieser Stelle live.
21:15 Uhr, die Diskussion ist zu Ende
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Ausnahmen für Energieintensive: Mit Altmaiers Vorschlag kommen Mehrbelastungen auf die Industrie zu, sagt jemand aus dem Publikum. Wie sieht er das? Altmaier findet es interessant, dass durch seine Vorschläge "Existenzängste" entstehen, antwortet er. Alle beschweren sich über steigende Preise, sagt er. Aber dieses Jahr seien schon 18 Prozent der Unternehmen begünstigt. Will 700 Millionen Euro bei den Befreiungen einsparen, insgesamt betragen die Ausnahmen knapp über 4 Milliarden Euro. Er will vor allem bei Braunkohle und Bahnen ansetzen.
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Altmaier: "Derzeit funktionert der CO2-Handel nicht, es gibt keinen Anreiz zum Einsparen. Nur deshalb sind alte Kohlekraftwerke so rentabel. Moderne Gaskraftwerke brauchen deshalb Subventionen. Das ist der Grund, warum CO2 einen vernünftigen Preis braucht." Das bedeute weniger Bedarf für Subventionen. "Ich bin kein Gegner der Kohle, aber auf lange Sicht wird es der Kohle schaden, wenn unsere CO2-Ziele nicht geschafft werden." Der Verbrauch der Fossilen werde weltweit zunehmen. Warum? Er gibt ein Beispiel: "Ich bin Anhänger einer "demokratischen Luftfahrt" - eben billiges Fliegen. Aber deshalb haben wir Zuwächse. Wir brauchen also auch beim Kerosin biologische Alternativen. Vielleicht kann man in anderen Verkehrsbereichen dann mehr Gas verwenden," sagt Altmaier.
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Können wir die Fossilen nicht im Boden lassen? Shell: Auch 2050 noch über die Hälfte der Energie auf der Welt aus Kohle, Gas und Öl. 2100 wird das anders sein. "Peak-Oil ist völlig falsch, wir werden immer genug Fossile haben."
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Wie steht Altmaier zu CCS, der Verpressung von CO2 im Boden? Es wäre möglich, CCS in Deutschland zu machen, sagt er, aber niemand stellt den Antrag. CCS ist nur interessant für Kohlekraftwerke, für die aber auch nur, wenn CO2 teurer wird - rund 35 Euro plus X pro Zertifikat, sagt Altmaier. Derzeit habe keiner in der Kohlewirtschaft Interesse, in CCS zu investieren. "Das Umweltbewußtsein ist bei uns sehr stark, deshalb sehen die Menschen das kritisch. Ich habe mehr Probleme mit Fracking als mit CCS."
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Zur Frage des Gaspreises: Es kam nochmal die Frage auf, ob Fracking nicht die Strom- und Energiepreise drücken könnte. Altmaier sagt, man wisse das nicht. Denn ob man die heimischen Vorkommen genauso günstig ausbeuten könne wie in den USA, sei völlig unbekannt. Noch ein interessanter Einwurf von Shell: Das Unternehmen macht erstmals ein größeres Geschäft mit Gas als mit Öl.
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Bichsel von Shell sagt: Gas reicht für 250 Jahre, Schiefergas brauche man da gar nicht unbedingt.
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Frage an Altmaier: Ist Fracking in Deutschland durchsetzbar? "Sicher nicht". Es sei zu laut, es gebe seismische Probleme und gefährliche Chemikalien. Die Probleme, die sich daraus ergeben, muss man vor Einsatz der Technologie erst hinreichend klären, sagt er. Die Vorraussetzungen für Fracking sieht er im Augenblick nicht gegeben. "Die Bürger wollen das nicht, die Abgeordneten deshalb auch nicht. Fraglich ist auch, ob es jemals eine so große Akzeptanz gibt, wie in den USA." Gas ist schon lange unter der Erde, dort könne es noch einige Jahre länger bleiben, sagt Altmaier. Fraglich sei, ob es hier auch so günstig ist, wie in den USA. Aber er sagt auch: Durch den Boom in den USA kann der Preis für konventionelles Gas auch in Europa sinken.
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Kommt die US-Revolution beim Schiefergas auch zu uns? Sailer glaubt das nicht. Der Gaspreis in den USA hat keine Auswirkungen auf Europa. Die Sache ist schlicht, dass wir so viel Gas in Zukunft nicht mehr brauchen. (Altmaier tippt SMS). Bichsel sieht das anders. Auswirkungen auf Europa gibt es, weil die Industrie in den USA durch die gesunkenen Gaspreise Vorteile hat. Auch China hat große Vorkommen Schiefergas, sagt er. Die wollen die Chinesen auch bergen. Bichsel sagt aber auch: "Wir wissen nicht, wo in Europa Schiefergas ökonomisch förderbar ist". Auch in den USA haben viele Schiefergasstätten nicht funktioniert.
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Jetzt geht es in die Diskussion.
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Altmaier sieht auch für die Unternehmen wie Siemens große Chancen, effiziente Gasturbinen in die Welt zu exportieren. Diese Technik sollte sich aber auch in Deutschland lohnen. Lobt seinen Gesetzesvorschlag zum Fracking.
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So, jetzt also doch noch Gas als Thema. Schiefergas in den USA sei nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen. Das Land sei weiniger dicht besiedelt. "Da fällt höchstens mal ein Coyote tot um", sagt Altmaier. Aber er will mehr Gas im Energiemix: Denn derzeit stehen Gaskraftwerke still, weil billige abgeschriebene Kohlelkraftwerke ins Netz drängen. Das will er ändern, wie, sagt er noch nicht.
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Aha. Also Altmaier geht es hier gar nicht so sehr um Fracking, sondern um eine Werberede für seine Energiereform. Nun gut. Gleich geht ja die Diskussion los. "Leitungsbau muss Priorität werden, Bürgerbeteiligung muss man ernst nehmen", sagt er.
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Erneuerbare müssen wettbewerbsfähig werden - nur dann gehen Wirtschaftswachstum und Umweltschutz zusammen. Komisch: Lobt seine Fotovoltaikreform vom Sommer, das habe insgesamt zu Kostensenkungen geführt. Na ja, das hat er exklusiv. Liefert nochmal eine flammende Rede für seine Strompreisbremse. Und: Beschuldigt seine Vorgänger der Unfähigkeit, sie hätten das "Gesamtkunstwerk" Energiewende nicht verstanden.
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Altmaier spricht von zwei gegensätzlichen Trends: Schwellenländer brauchen langfristig mehr Energie, Fossile werden teurer, die Entwicklungsstaaten werden nicht auf Wohlstand verzichten, auch wenn es dem Klima schadet. Aber Schiefergas in den USA hat die Preise gedrückt, und hat Kohle ersetzt, aber jetzt wird deshalb auch Kohle billiger und exportiert. "Schiefergas ist ein Game-Changer", sagt er. Energiewende muss sich darauf einstellen.
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Altmaier fordert ein funktionierendes System für den CO2-Handel, erklärt derzeitiges System für gescheitert. Das System ist nicht mit den Veränderungen wie der Wirtschaftkrise gewachsen.
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Altmaier spricht auch Niederländisch, so begrüßt er sie Shell-Mitarbeiter. Er hat vorher mit Parlamentariern über seine Strompreisbremse diskutiert, deshalb ist er so spät dran.
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So, Herr Altmaier ist inzwischen angekommen. Es gab bisher auch ein paar ganz interessante Zahlen zum Thema: So sagt Michael Sailer, dass rund 70 Prozent des Erdgases in Deutschland für die Wärmeproduktion genutzt wird. Hier wird die Nachfrage eher sinken mit besser isolierten Häusern. Matthias Bichsel wiederum fordert, Gas stärker zu fördern, es sei unverzichtbar für eine grüne Energieversorgung der Zukunft.
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Altmaier scheint noch im Bundestag festzustecken ... der Beginn verzögert sich wahrscheinlich auf 20 Uhr.
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Noch sind die Teilnehmer nicht auf der Bühne, aber Peter Altmaier ist ja auch für seine akademische "Viertelstunde" bekannt.