Giftbrühe, toter Fluss, chemische Reinigung: Die Beinamen der Elbe waren vor dem Mauerfall alles andere als schmeichelhaft. Wie die Emscher im Ruhrgebiet oder der Rhein stand sie lange für Umweltsünden der Industrie und galt als einer der schmutzigsten Flüsse Europas. Baden? Unmöglich. Fischfang? Vermarktung verboten.
Wie sehr sich dieses Bild gewandelt hat, zeigt sich ab diesem Samstag: eine mehr als 500 Kilometer lange Schwimmstaffel lenkt den Blick zur Elbe. In 19 Etappen führt sie im Wissenschaftsjahr vom sächsischen Bad Schandau bis zur Staustufe in Geesthacht in Schleswig-Holstein. Es geht vorbei an einer einzigartigen Kultur- und Naturlandschaft, die vom Reformationsjubiläum bis zum Biber viel zu bieten hat. Doch es gibt nicht nur Erfolge. Trotz ihrer guten Wasserqualität hat die Elbe Probleme - und ein Gedächtnis.
Vor fast 30 Jahren machte der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) Schlagzeilen, als er in einem Neoprenanzug den Rhein durchschwamm. Was 1988 einer Wahlkampf-Wette geschuldet war, die nichts mit Umwelt zu tun hatte, kam in den Medien anders an. Der Sandoz-Skandal, bei dem hochgiftiges Löschwasser nach einem Brand im Chemiekonzern einen roten Rhein und Tonnen toter Fische verursachte, war erst zwei Jahre her. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 hatte das deutsche Umweltbewusstsein verändert.
„Die Reaktionen auf meine „Rheindurchquerung“ waren politisch außerordentlich negativ“, erinnert sich Töpfer heute. „Für mich war es keineswegs eine Utopie, zu erwarten, dass große deutsche Flüsse wie die Elbe oder der Rhein so sauber werden, dass man sie auch für Schwimmstaffeln nutzen kann“, ergänzt er.
Elbe hat sich schnell erholt
Damit war Töpfer, später Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, Ende der Achtzigerjahre eine Ausnahme. Zwei Tage nach dem Mauerfall zitierte der „Spiegel“ aus einer geheimen Studie des DDR-Umweltministeriums. Danach lag die Belastung der Elbe mit Schwermetallen um ein Vielfaches über den Höchstwerten der europäischen Trinkwasserrichtlinie. Es ging um Quecksilber, Cadmium, Chlorkohlenwasserstoffe und anderen Chemiemüll aus Fabriken entlang der Elbe und ihren Nebenflüssen - eine wahre Giftbrühe, die vom deutsch-deutschen Grenzfluss in die Nordsee gespült wurde.
Heute gleicht das Flusssystem Elbe in langen Abschnitten einem Naturparadies - samt Unesco-Siegel. „Ökologische Systeme haben ein hohes Regenerationsvermögen. Dass sich die Elbe aber so schnell erholt und auch viele Tiere wie der Elbebiber zurückkommen, das hat kaum jemand erwartet“, sagt Markus Weitere, Gewässerökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg. „Es gibt heute in der Elbe deutlich weniger Schadstoffe wie Schwermetalle. Da hat sich durch die politische Wende, das Runterfahren der Industrie und verbesserte Kläranlagen erheblich etwas zum Positiven entwickelt.“
Doch es bleibt ein großes Aber. Die Elbe sei durch Eutrophierung, also den Eintrag von Nährstoffen und dem daraus folgenden Algenwachstum, immer noch ein problematischer Fluss, berichtet Weitere mit Blick auf Nitrat und Phosphat aus der Landwirtschaft. Dazu komme die vom Menschen veränderte Form des Flusses mit Strömungen und Ufern. „Wenn wir den gesamten ökologischen Zustand des Systems Elbe anschauen, wird er immer noch nicht als gut bewertet, sondern in weiten Teilen als mäßig und unbefriedigend“, sagt Weitere.