Milchproduktion Kampf der Superkühe

Seit Jahrzehnten dominiert das norddeutsche Holstein-Rind den Weltmarkt für Milchkühe. Doch es gibt Konkurrenz: Im scharfen Wettbewerb um den Export holt das süddeutsche Fleckvieh auf.

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Fleckviehrind Quelle: dpa

In Deutschlands Kuhställen tobt ein verborgener Konkurrenzkampf: Seit Jahrzehnten beherrscht das in Norddeutschland verbreitete Holstein-Rind den Weltmarkt für Milchkühe. Doch die Züchter in Süddeutschland und Österreich holen auf: Das im Süden verbreitete Fleckvieh hat sich zum internationalen Wettbewerber der Holsteins entwickelt. In der Nachkriegszeit gab die bayerische Durchschnittskuh nur halb so viel Milch wie ein norddeutsches Tier - doch inzwischen ist auch das Fleckvieh auf Hochleistung gezüchtet.

Die Hauptformen der zwei Rinderrassen sind leicht zu unterscheiden: Die schwarz-weiße Holstein-Kuh - im Fachjargon schwarz-bunt - kennt jedes Kind. Das zur Hälfte schwarze Fell inspirierte den 1979 gestorbenen Schriftsteller Arno Schmidt zum Titel seiner Erzählung „Kühe in Halbtrauer“. Es gibt aber auch eine rot-bunte Ausprägung.

„Auf jeden Fall ist die Holsteinrasse die am häufigsten vorkommende Milchviehrasse der Welt und wird in praktisch allen Ländern zur Milchproduktion genutzt“, sagt Jürgen Mohrenstecher vom Deutschen Holstein-Verband. Keine andere Rinderrasse gibt mehr Milch. Der Durchschnitt liegt derzeit bei knapp 9000 Litern im Jahr.

Die in der Regel hellbraun gefleckte Fleckviehkuh gibt im Schnitt über 1000 Liter weniger Milch im Jahr als eine Holstein. Doch anders als die für die Milchproduktion gezüchteten Holsteins ist das Fleckvieh eine „Zweinutzungsrasse“ für Milch und Fleisch. „Der Schlachterlös für Fleckviehfleisch ist wesentlich höher“, sagt Franz Gasteiger, Zuchtleiter beim Zuchtverband für oberbayerisches Alpenfleckvieh in Miesbach. Beide Rassen sind internationale Koproduktionen, keineswegs ausschließlich deutsche Züchtungen. Doch haben deutsche Rinderzüchter eine starke Stellung auf dem Weltmarkt.

Rinder werden in zweierlei Form exportiert: als lebendiges Tier und als Sperma. 2015 wurden nach Zahlen des Deutschen Holsteins-Verbands in Bonn über 80.000 lebende Holstein-Rinder aus Deutschland exportiert. Vom Fleckvieh dagegen gingen nur knapp 14.000 Tiere ins Ausland, wie die Arbeitsgemeinschaft süddeutscher Rinderzucht- und Besamungsorganisationen (ASR) berichtet.

Doch der echte Exportschlager sind die Rindersamen - und da liegt inzwischen das Fleckvieh in Führung. China etwa erlaubt nur Sperma-Importe, keine Lebendeinfuhr. So wurden 2015 nach den Zahlen der Arbeitsgemeinschaft deutscher Rinderzüchter (ADR) 4,8 Millionen Portionen Rindersamen ins Ausland verkauft, der Fleckvieh-Anteil lag mit 48 Prozent vor den Holstein-Rindern mit 42 Prozent. Auf dem Weltmarkt für Holstein-Sperma gibt es scharfe Konkurrenz durch Züchter in den USA und anderen Ländern. Die Fleckviehzüchter in Süddeutschland und Österreich dagegen haben weniger internationale Wettbewerber, wie ASR-Geschäftsführer Georg Röhrmoser sagt.

Die Fleckvieh-Züchter haben in den vergangenen Jahrzehnten den Rückstand in der Milchleistung stark verkleinert und sind damit konkurrenzfähig geworden. Im Jahr 1952 gab eine bayerische Milchkuh im Schnitt 1800 Liter Milch im Jahr, eine schleswig-holsteinische mit 3600 Liter fast doppelt so viel, wie dem Statistischen Jahrbuch 1953 zu entnehmen ist.

Die alten Statistiken sind zwar nicht eins zu eins auf Holsteins und Fleckvieh übertragbar, da insbesondere in Bayern noch andere Rinderrassen gehalten werden. Doch liefern sie ein Indiz der einstigen Leistungsunterschiede.

Der Export des Fleckviehs begann daher erst spät: „In den siebziger Jahren hat die weltweite Verbreitung begonnen“, sagt Maximilian Putz, Referatsleiter im bayerischen Agrarministerium.

Die süddeutschen Fleckvieh-Fachleute halten ihre Tiere für überlegen, was die Norddeutschen bestreiten. „Ins Extrem gezüchtete Holstein-Rinder bestehen eigentlich nur noch aus Haut und Knochen, im Krankheitsfall fehlen den Tieren die Reserven“, sagt Putz.

Die jährliche Erhöhung der Milchproduktion pro Kuh ist eine eher wenig beachtete Spitzenleistung der deutschen Wirtschaft. Die Entwicklung ähnelt der Steigerung der PS-Zahlen bei BMW und Mercedes: Allein in den vergangenen zehn Jahren ist die „Lebensleistung“ - die Menge Milch, die eine Kuh bis zur Schlachtung gibt - sowohl bei Holsteins als auch bei Fleckvieh um etwa 4000 Liter gestiegen.

Ungeachtet der Exporterfolge ist die Zucht auf immer höhere Leistung umstritten. Ein wissenschaftliches Gutachten für die EU-Behörde für Nahrungsmittelsicherheit empfahl 2009 eine Änderung der Zuchtkriterien: „Langfristige genetische Selektion für hohe Milchleistung ist der Hauptfaktor für niedriges Tierwohl - insbesondere Gesundheitsprobleme - bei Milchkühen“, hieß es darin. Die Züchter aber erwarten, dass die Milchleistung auch künftig steigt - „vielleicht nicht mehr ganz so schnell wie in den vergangenen Jahrzehnten“, wie der Miesbacher Zuchtleiter Gasteiger sagt.

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