In der Geschichte von Izhar Gafnis verrücktester Erfindung spielt seine Frau die wichtigste Rolle. Als der Israeli vor vier Jahren zum ersten Mal über ein Fahrrad aus Pappkarton nachdachte, winkten befreundete Ingenieure ab. Ein Fahrrad aus Pappe? Unmöglich sei das. Gafnis Frau aber drängte ihn dazu, es auszuprobieren. „Wenn Du es nicht versuchst, wirst Du dich verrückt machen, Du wirst mich verrückt machen – und die ganze Familie gleich mit“, sagte sie zu ihm.
Also ging er in seine Werkstatt und fing an, die Pappe zu verstehen. Er faltete sie hin und her, baute Figuren aus ihr, lernte, wie er sie so fest wie möglich machen kann. Zwei Jahre später traute er sich an die ersten Fahrrad-Bauteile. Sein Antrieb, sagt er, seien die anderen gewesen. Er wollte beweisen, dass ein Pappbike alles andere als unmöglich ist.
Ein weiteres Jahr verstrich, bis der erste Prototyp fertig war. „Der war so ziemlich ein Pappkarton auf Rädern“, sagt Gafni. Danach sei ihm klar geworden, dass sein Produkt wie ein richtiges Fahrrad aussehen müsse. „Da fing die wirkliche Herausforderung erst an.“
Auch die hat er gemeistert. Im Sommer 2012, drei Jahre nach seiner Idee, ließ sich Gafni auf seinem ersten wirklichen Pappfahrrad filmen. Rahmen, Felgen, Sattel, Lenker – nahezu alles daran ist aus Pappe. Die Räder sind mit Gummi aus recycelten Autoreifen ummantelt und kommen ohne Luft aus. Als Kette dient ein Keilriemen, der das Hinterrad über einen Metallring antreibt. Einzig die Bremsen und die Pedale sind noch aus anderem Material. Gegen Nässe und Feuer ist die Pappe schließlich mehrfach mit Speziallack überzogen.
Sommer 2013, ein weiteres Jahr ist vergangen. Gafni hat im Internet viele Fans gewonnen und ein Team um sich geschart. Cardboard Technologies heißt sein Unternehmen, und als erstes Produkt soll sein Pappfahrrad die Leute begeistern – zu Kosten in der Massenproduktion von neun bis zwölf US-Dollar pro Stück (knappe zehn Euro). Ein Verkaufspreis steht noch nicht fest, aber allzu viel dürfte es später nicht werden. In Entwicklungsländern will Gafni seine Bikes sogar verschenken.
Kinderwagen und Rollstühle als nächstesDoch um überhaupt eine Serienproduktion zu starten, braucht Gafnis Startup Geld. Anscheinend sehr viel: Zwei Millionen Dollar hat sich der Papp-Ingenieur als Ziel auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo gesetzt. Ein höheres Ziel gab es bei Indiegogo noch nie. Seit einer Woche läuft die Kampagne – und derzeit hat Gafni erst wenig mehr als ein Prozent des Geldes zusammen. Was auch daran liegen könnte, dass die ersten Cardboard-Bikes 290 Dollar kosten und erst im März 2015 ausgeliefert werden sollen.
Wenn es gut läuft, hat Cardboard Technologies aber schon die nächsten Projekte in der Schublade: Kinderwagen, Rollstühle, Einkaufswagen – alle manuell angetriebenen Fahrzeuge seien denkbar, heißt es beim Startup.
Gafni, eigentlich Spezialist für Produktionslinien, wird wissen, was er braucht, um die Fahrräder am Fließband zu produzieren. Fraglich ist aber, ob sein Team alle Feinheiten bedenkt, an denen es scheitern kann, wenn man internationale Märkte erschließt. Erst im vergangenen Jahr warteten hunderte deutsche Kunden auf ihre smarte Uhr „Pebbles“, deren Entwickler sie auf der US-Crowdfunding-Plattform Kickstarter unterstützt hatten – und das nur weil dem deutschen Zoll ein paar Dokumente zur Einfuhr fehlten.