Nachgehakt 18-Jährige wird dank DIY-Taschenlampe zum Tüftler-Star

Vor drei Jahren gewann Ann Makosinski mit einer durch Handwärme betriebenen Taschenlampe einen Technik-Wettbewerb. Heute steht die kanadische Studentin auf Bühnen, um nicht nur männliche Nerds für Technik zu begeistern.

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Ann Makosinski fühlt sich auf der Bühne sichtlich wohl. (Foto: privat)

Ann Makosinski war 15 Jahre alt, als sie sich die auf die heimische Couch setzte, frontal in die Kamera blickte und ein zweiminütiges Video aufzeichnete, das ihr Leben grundlegend veränderte. Sie erzählt von ihrer Brieffreundin auf den Philippinen, die nach Sonnenuntergang nicht für die Schule lernen kann, weil es ihr an elektrischem Licht mangelt.

Ann, die schon immer gerne getüftelt hat, entwickelte eine Taschenlampe, die durch die Wärme der Hand zum Leuchten gebracht wird. Dabei macht sie den physikalischen Peltier-Effekt zunutze: Ist ein Metall einem Temperaturgefälle ausgesetzt, wird elektrische Spannung erzeugt.

Die auf das von ihr als "Hollow Thermoelectric Flashlight" genannte Erfindung lässt aus dem Unterschied zwischen der Umgebungstemperatur und der Handwärme, die den Metallschaft der Taschenlampe umschließt, genug Energie gewinnen, um sparsame LED-Lampen anzutreiben. Mit dem Bewerbungsvideo sollte sie später einen Wissenschaftswettbewerb von Google in ihrer Altersklasse gewinnen. Anlass auch für Wiwo Green, im Juli 2013 darüber zu berichten.

Aus Alltagsproblemen werden Erfindungen

In unserer Serie "Nachgehakt" greifen wir vergangene Beiträge erneut auf und fragen uns, was aus Ideen, Trends und Personen geworden ist. Es kann vorkommen, dass Projekte, an die einst große Erwartungen gestellt wurden, schließlich in Kritik gerieten und von der Bildfläche verschwinden. Wer die Branche der Green Technology sehr aufmerksam verfolgt, hat Ann Makosinski hingegen nie so ganz aus den Augen verloren. Denn sie ist, wie sie selber formuliert, nicht nur Erfinderin, sondern auch zu einem "Medienliebling mit zahlreichen internationalen Auftritten" (Zitat der Huffington Post) avanciert.

Ann Makosinski bei der Google Science Fair. (Foto: privat)

Im Herbst vergangenen Jahres war die Kanadierein (bereits zum zweiten Mal) Gast in einer Show des Late-Night-Talkers Jimmy Fallon. Mittlerweile ist sie 18 Jahre alt und erneut von ihren Lebensumständen inspiriert: Die Kandierin ist Studentin der Universität von British Columbia und dort würde, wie bei Studenten üblich, Kaffee in rauen Mengen konsumiert. Beim Anblick eines jener Heißgetränke, das erst einmal abkühlen musste, dachte sie wie schon beim ihrer Taschenlampe daran, die Hitze in Energie umzuwandeln.

Sie entwickelte den eDrink, eine etwas klobige, chromfarbene Kaffeetasse, die aus dem Temperaturgefälle zwischen der Außentemperatur und der des Getränks elektrische Spannung erzeugt. In der Fernsehshow zeigt sich Jimmy Fallon betont überrascht, als sie das Kabel eines iPhones in den USB-Anschluss der Tasse steckt und das bekannte Signal ertönt, wenn das Smartphone zum Laden gebracht wird. Das Publikum applaudiert.

Zum Vorbild erkoren

Sie hat vor, den eDrink zu vermarkten. Noch ist jedoch nicht einmal ihr vorheriges Projekt großflächig zum Einsatz gekommen. "Ich plane, die Taschenlampen sowohl zu verkaufen als auch in Entwicklungsländern zu verteilen, wo Licht nicht überall verfügbar ist", antwortet sie per Mail auf Fragen von WiWo Green. "Dies ist ein sehr langer Prozess, aber wir werden hoffentlich bald die richtige Firma für eine Zusammenarbeit finden". Ein Plan von mehreren: Auch ein Buch will sie schreiben. Ihre "Memoiren", oder wie sie selbstironisch sagt, ein Buch über die Absurdität, auf nur 18 Lebensjahre literarisch zurückzuschauen.

Wie sie als junge Frau die Tech-Nerds auf TEDx-Konferenzen aufmischt, lesen Sie auf der nächsten Seite.

"Ehrlich gesagt, war es eine große Überraschung für mich, dass so viele Leute sich für mein simples Projekt für Wissenschaftsmessen begeistert haben", sagt Ann. Einladungen ins Fernsehen wie zu Jimmy Fallon, zahlreiche Preise, Stipendien von Unternehmen wie Shell kamen. Sie wurde vom TIME magazine im Jahr 2014 in die Liste der 30 einflussreichsten unter 20-Jährigen aufgenommen und von der Teen Vogue als einer der Global Earth Angels ausgezeichnet. Sie tritt als Botschafterin von Wissenschaftsplattformen auf und modelt für das japanische Modeunternehmen Uniqlo.

Die Bühne der TEDxTeen betrat sie in High-Heels und schwarzer Leggins. Die Organisatoren von Tech-Konferenzen können die von männlichen, mittelalten Nerds geprägten Podien nun mit einer eine jungen, smarten, charmanten und attraktiven Frau auflockern. Die Campaigner, die hierzulande Mädchen für MINT-Fächer begeistern wollen, würden sicherlich einiges für eine deutsche Ann Makosinski geben.

Zwischen Studentenleben und Showgeschäft

Es ist eine große Rolle, an die sie geraten ist - und die sie trotz ihres Studiums zu erfüllen scheint. "Es ist definitiv ziemlich schwierig das Lernen für die Schule mit all meinen Leidenschaften außerhalb des Stundenplans auszubalancieren", sagt sie. "Aber irgendwie habe ich es geschafft, die letzten Jahre durchzuziehen". Sie beendet den Satz in ihrer Mail mit einem Emojicon: einem Gesicht, das die Zunge heraus streckt. Das wirkt lässig. Ein ausgelassenes Studentenleben sieht dennoch anders aus.

Im Internet demonstriert sie ihre Jugend, posiert mit Selfies auf Instagram und lässt ihre Follower bei Twitter und Youtube an ihrem Leben teilhaben. Sie weiß mit ihrem Alter zu spielen, wenn sie wieder in die Rolle der zielstrebigen Jungunternehmerin schlüpft. Sie wiederholt vor dem Publikum des TEDx-Talks, dass sie erst 18 Jahre alt sei. Sie gehört zur Generation der Digital Natives und würde dennoch kein Smartphone besitzen, weil sie das zu sehr von der effizienten Arbeit ablenken würde. Die Anleitung auf der Seite der Huffington Post darüber, wie Teenager zum Erfinder werden, beginnt sie mit dem Satz: "Ich habe nur eine halbe Stunde, um diesen Artikel zu schreiben. Los geht’s!"

Es ist schwer zu sagen, ob sie mit geschicktem Understatement oder mit ehrlicher Bescheidenheit von ihren Erfindungen spricht: "Ich habe definitiv nicht gedacht und denke auch immer noch nicht, dass sie sehr cool sind."

Medienkritik einer Weltverbesserin

"Ich weiß, dass ich es mag, Probleme zu lösen von Menschen, die weniger Glück hatten als ich oder weniger Möglichkeiten haben, selbst auf eine Lösung zu kommen: die Alten, Kranken und Armen", sagt sie. Vielleicht ein wenig zu viel Pathos und Selbstinszenierung.

Auf die Frage, ob sie einen Rat habe, wie andere junge Frauen dazu motiviert werden könnten, Berufe in der Tech-Branche anzustreben, antwortet sie: "Ich denke, der beste Weg ist es, Frauen und Technik in den Medien in einem positiveren und weniger klischeehaften Bild darzustellen. Warum stellen wir in den Medien immer nur Menschen zur Schau, die ohne jeglichen Grund berühmt sind? Präsentiert Menschen, die etwas auf der Welt verbessern", empfiehlt sie den Medien. Dem können wir uns wiederum voll und ganz anschließen.

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