Joachim Schöpfer ist Geschäftsführender Partner bei Serviceplan Corporate Reputation.
Kaum eine andere Branche war in den letzten Jahren solchen Turbulenzen ausgesetzt wie die Finanzbranche. Das hat auch das Image der Finanzdienstleister beschädigt. Zeichen der Erholung zeigen sich dort, wo die Empathie der Kunden am stärksten zum Ausdruck kommt – beim Nachhaltigkeitsimage. Eine Wende zum Besseren - die längst nicht für jeden gilt.
Bei dem Thema Nachhaltigkeit denkt man eher an Lebensmittel als an Lebensversicherungen, trotzdem ist das Thema Nachhaltigkeit für die Finanzbranche wichtig. Allerdings weniger im klassischen ökologischen Kontext, sondern in zwei anderen Facetten, die Nachhaltigkeit auszeichnen: soziale Verantwortung und Ökonomie.
Gerade bei diesen beiden Punkten musste die Branche in den letzten Jahren enorm Federn lassen. Dass sich nach Jahren des Niedergangs in der Wertschätzung der Kunden wieder ein Aufschwung abzeichnet, ist zunächst ein gutes Zeichen. Aber: Besser ist noch nicht gut.
Einzelne Unternehmen hui, Branche pfuiKein Finanzdienstleister schafft es in die besten Zehn des SIS-Nachhaltigkeitsrankings. Mit Platz 31 von 104 untersuchten Unternehmen führt die IngDiba das Feld der Finanzdienstleister an. Mit Platz 103 rettet sich die Deutsche Bank nur knapp vor dem letzten Platz. Dazwischen tummeln sich 15 weitere Banken und Versicherungen.
Das Branchenimage drückt die Unternehmen weiter nach unten. Von den 16 Industrien der Untersuchung schneiden die Finanzdienstleister am drittschlechtesten ab.
Trotzdem ist es möglich, sich als einzelnes Unternehmen abzusetzen. Das gelingt der IngDiba bereits seit einigen Jahren. Das ist auch deswegen bemerkenswert, weil eine Direktbank gewinnt und damit auch ein Geschäftsmodell, das beim Kunden eine gewisse Eigenständigkeit voraussetzt. Mit knapp vier Prozent Plus im Vergleich zum Jahr 2014 bestätigt sich für die IngDiba der Aufwärtstrend.
Traditionsreiche Banken weit hinten
Genau umgekehrt ist das Bild bei den klassischen Banken. Der Commerzbank ist es zwar dank spürbarer Anstrengungen in der Kommunikation gelungen, den negativen Trend zu stoppen und ein kleines Plus zu verzeichnen. Doch zufriedenstellen kann Platz 90 trotzdem nicht. Bei der Deutschen Bank hingegen gibt es nicht einmal eine positive Tendenz. Sie hat im Vergleich zum Vorjahr nochmals 2,34 Prozent einbüßen müssen.
Die Postbank und die Sparkassen stagnieren eher und verharren mit Platz 78 (Postbank) und Platz 74 (Sparkasse) im unteren Viertel des Rankings. Dabei gibt es auch hier ein Beispiel, dass es auch anders geht: Die Volks- und Raiffeisenbanken stehen mit einem ähnlichen Geschäftsmodell wie die Sparkassen vergleichsweise gut da (Platz 55).
Von den Versicherungen schafft es nur die R&V in die „obere Hälfte“ (Platz 43). Dahinter bildet sich ein Block an Versicherungsunternehmen, die fast gleichauf im Mittelfeld stehen: Gothaer (Platz 49), Axa (Platz 51), Ergo (Platz 53) und Generali (Platz 54). Auch bei den Versicherungen bildet ein großes Traditionsunternehmen das Schlusslicht: die Allianz mit Platz 69.
Wenn die Erwartungen niedrig sind, zeigt der Trend nach obenWas lässt sich aus diesen Zahlen ablesen? Erster Trend: Kleiner, moderner, flexibler gewinnt. Groß und traditionsreich verliert. Das ist deswegen erstaunlich, weil üblicherweise Traditions-Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit einen Bonus haben. Wenn diese Regel bei Finanzdienstleistern nicht gilt, deutet dies auf ein grundsätzliches Problem des Geschäftsmodells hin – denn Nachhaltigkeit ist ein Synonym für Zukunftsfähigkeit.
Zweiter Trend: Die Verbraucher haben sich größtenteils mit den Veränderungen in der Finanzindustrie abgefunden und sind pragmatischer geworden. Weil die Erwartungen nicht sonderlich hoch sind, sitzt umgekehrt auch die Enttäuschung nicht mehr so tief wie es in den Nachwehen der Finanzkrise der Fall war. Deswegen gibt es beim Nachhaltigkeits-Image von Banken und Versicherungen insgesamt einen Trend nach oben.
Das bedeutet auch, dass Banken und Versicherungen, die auf diesen neuen Realismus ihrer Kunden reagieren, einen überproportionalen Zuwachs in Sachen Image verzeichnen können. Ökonomische Nachhaltigkeit äußert sich heute nicht mehr in schierer Größe, sondern in einem transparenten und auf Service ausgerichteten Geschäftsmodell. Soziale Nachhaltigkeit ist nicht die paternalistische General-Unternehmerschaft für das finanzielle Wohlergehen von Kunden und Gesellschaft, sondern zeigt sich in Partnerschaft auf Augenhöhe.
Kurz gesagt: Die Banken und Versicherungen, die am schnellsten vom hohen Ross herunter gestiegen sind – oder besser noch – nie drauf waren, haben aus Sicht ihrer Kunden die beste Zukunft.
Transparent statt verzopftWas haben gute Zukunftsaussichten mit Nachhaltigkeit zu tun? Für eine Antwort ist es wichtig zu verstehen, dass das Nachhaltigkeits-Image in einem größeren Kontext operiert: Reputation. Sie ist sozusagen die öffentlich ausgesprochene Gesamtnote für ein Unternehmen. Nachhaltigkeit ist in diesem Gesamturteil der Faktor, der in einem Schulzeugnis wohl am ehesten unter Betragen auftauchen würde.
Oder präziser formuliert: Das Nachhaltigkeits-Image drückt aus, inwieweit sich ein Unternehmen so verhält, wie man es sich wünscht. Ob dieses Verhalten so ist, dass man diesem Unternehmen auch eine gute Zukunft zutraut. Deswegen würde es der Deutschen Bank beispielsweise nicht helfen, jetzt viel Geld in klassische Nachhaltigkeits-Themen zu investieren. Das würde als untaugliche Kompensation eines viel größeren Mangels verstanden werden – und möglicherweise sogar negativ wirken.
Was der Deutschen Bank und all den anderen, die sich am Ende der Skala aufhalten, wirklich helfen würde, ist etwas ganz Anderes. Es geht um einen Kulturwandel, der aus einer übermächtig, verzopft und undurchschaubar empfundenen Organisation ein flexibles, kundenfreundliches und transparentes Dienstleistungsunternehmen macht. Das Nachhaltigkeits-Image ist letztlich nur ein kleiner Seismograph, der auf etwas aufmerksam macht, was bei Banken und Versicherungen hoffentlich schon lange angekommen ist.
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Der Sustainability Image Score (SIS) misst das Nachhaltigkeitsimage bei den wichtigsten Stakeholdern eines Unternehmens, seinen Kunden. WiWo Green veröffentlicht zweiwöchentlich Analysen zu den Ergebnissen. Bereits erschienen: