Naturfasern an Bord Flugzeugbauer experimentieren mit Bio-Materialien

Flachs und Hanf könnten Flugzeuge leichter machen. Doch an den Bio-Materialien muss noch geforscht werden.

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Bislang bestehen Flugzeuge aus wenig ökologischen Materialien: Etwa dem leichten Kunststoff Carbon. Logisch, bedeutet doch jedes Kilogramm weniger eine Ersparnis an Treibstoff. Und trotzdem könnten künftig Biomaterialien Einzug in die Kabine halten, findet man am Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) an der Hochschule Hannover.

Dort arbeiten die Wissenschaftler derzeit an einer Helikopter-Verkleidungsstruktur. Ziel ist es, den Anteil der Naturmaterialien im Luftfahrzeugbau signifikant zu steigern. Denn diese haben - abgesehen davon, dass sie nachwachsen - einen großen Vorteil: Sie reagieren nicht so empfindlich auf Schwingungen und damit auf Belastungen. Und das bedeutet, dass Sie länger halten.

 

Außerdem können Schäden leichter entdeckt werden. Bei Carbon- und Glaserfaser ist eine Materialermüdung in einem Bauteil schwer zu finden. "Dafür muss ein Heidenaufwand betrieben werden - es ist sehr zeit- und kostenintensiv", erklärt Projektleiter Christoph Habermann. Biofasern bieten zudem bessere akustische Eigenschaften und neigen kaum zum Splittern.

Natürlich geht es nicht darum, ein komplettes Bio-Flugzeug zu bauen, auch wenn die Idee sympathisch klingt. Aber der herkömmliche Verbundwerkstoff soll mit den Naturfasern kombiniert werden, zum Beispiel nach dem Sandwich-Prinzip, bei dem sich Carbon- und Glaserfaserschichten mit  Jute- und Flachsfaser-Schichten abwechseln. "Die Prozesstechnik muss aber noch untersucht werden", schränkt Habermann ein.

Testweise arbeitet das Team an einem Helikopter. Der allerdings soll durch den Einsatz der Biomaterialien sogar leichter werden. Darüber hinaus beobachten die Forscher die ökologischen Aspekte, Habermann spricht von einer "ganzheitlichen Ökologiebewertung, die als Orientierungshilfe für spätere Anwender dient."

Boeing wagt sich an die Naturfasern"Naturfasern sind noch im Bereich der Forschung", erklärt Jens Bachmann, warum mit einem Praxiseinsatz zunächst noch nicht zu rechnen ist. Er arbeitet am Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Doch auch er betont die Vorteile: Der ökologische Fußabdruck sei besser als bei herkömmlichen Materialien. Hanf und Flachs wachsen einfach auf dem Feld. Carbon- oder Glasfaser herzustellen sei dagegen sehr energieaufwendig.

Auch der Einsatz von Bio-Harzen wird untersucht. Für tragende Struktur wie den Rumpf oder Flügel sind die Naturstoffe allerdings nicht geeignet. Um zu erforschen, ob allerdings ihr Einsatz bei "mittragenden Bauteilen" Sinn macht, ist am DLR gerade ein EU-Projekt angelaufen.

Was in der Flugzeugindustrie noch in den Kinderschuhen steckt, kommt bei Autos schon zum Einsatz. Im BMW i3 Interieur kommt die Naturfaser Kenaf zum Einsatz. Aus ihr bestehen große Teile des Armaturenträgers und der Türverkleidungen.  Auch andere Hersteller nutzen  Flachs-, Hanf- und Kokosfasern für Sitzlehen sowie Baumwolle und Sisal in Dämmplatten. Ein Massenmarkt ist das aber noch längst nicht.

Bisher hat sich unter den Flugzeugbauern nur Boeing an die Materialien vom Acker gewagt. Die Forscher arbeiten daran, die Kabinenverkleidungen aus Flachsfaser herzustellen. Seit Jahrhunderten wird es bereits für Textilien verwendet. Für das Flugzeuginnere wurde der Stoff bisher aber noch nicht eingesetzt. Kabinenverkleidungen bestehen bisher meist aus Plastik oder Glasfaser.

Airbus könnte sich ebenfalls vorstellen, Biomaterialien in der Kabine einzusetzen. Irgendwann. Die Auflagen für die Anwendung neuer Materialien sind hoch.  Alles muss zertifiziert und zugelassen werden. Und es gibt das Problem, dass Flachs- oder Hanffasern leichter brennen als Glas- oder Carbonfasern. Vorteile bieten Naturfasern dagegen beim Recycling - im Gegensatz zu Carbonfasern, bei denen eine Wiederverwendung eher schwer ist.

Bio-Materialien auch im TankKohlenstoff wäre auch eine spannende Alternative für den Tank. Hier setzt Airbus allerdings auf Algen. In einem ersten Testflug hat das Unternehmen bereits demonstriert, dass es funktioniert. Aber bisher lassen sich in Algen nicht in der benötigten Menge herstellen.

Im vergangenen Jahr hat die Airbus Group in Kooperation mit der Technischen Universität München daher ein weltweit einmaliges Technikum für die Algenzucht  aufgebaut, um effiziente Verfahren zur Produktion von Biokerosin und chemische Wertstoffe aus Algen zu erforschen. 150.000 Algenarten gibt es, so schätzen Wissenschaftler. Rund 5000 davon sind bisher ansatzweise charakterisiert. Doch nur etwa zehn Arten haben es bisher in die kommerzielle Nutzung geschafft.

"Während bei der Produktion von Biokraftstoff aus Mais eine problematische Konkurrenz zwischen Teller und Tank besteht", warnt Professor Thomas Brück, Leiter des Fachgebiets Industrielle Biokatalyse der TU München, "wachsen Algen auch in Salzwasser; sie brauchen keinen fruchtbaren Boden und keine Pestizide. Trotzdem können sie einen bis zu zehnmal höheren Ertrag pro Hektar und Jahr liefern.“

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