Offensive gegen den Abfall Handel kämpft mit Laser-Tattoos und Flat Skin gegen Verpackungsmüll

Gemüse und Obst ohne Plastikverpackung ist das Ziel der Discounter. Quelle: dpa

Rund 220 Kilogramm Verpackungsmüll produzieren die Bundesbürger pro Jahr und Kopf. Doch jetzt plant der Lebensmittelhandel eine Offensive gegen den Abfall. Vorreiter sind ausgerechnet die Discounter.

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Die Deutschen sind Europameister im Produzieren von Verpackungsmüll. Doch das soll sich nach dem Willen der großen deutschen Einzelhandelsketten ändern. Aldi kündigte in dieser Woche eine „Offensive gegen Verpackungsabfall“ an. Und auch Lidl, Edeka und Rewe sind längst dabei, den Plastikeinsatz zu reduzieren und die Verpackungen insgesamt weniger umweltschädlich zu gestalten.

Das ist allerdings auch nötig. Laut Zahlen des Umweltbundesamtes produzierten die Bundesbürger 2016 pro Kopf rund 220,5 Kilogramm Verpackungsmüll - ein Höchstwert in Europa. Die wachsende Abfallflut stößt bei den deutschen Verbraucher auf zunehmenden Widerwillen. Rund 95 Prozent der Teilnehmer plädierten bei einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC dafür, die Materialmenge bei Verpackungen auf ein Minimum zu reduzieren. Über 80 Prozent fanden außerdem, dass bei Produkten wie Obst und Gemüse eine Verpackung überflüssig sei.

Bei den großen Handelshäusern finden diese Klagen inzwischen mehr Gehör - zumindest ein Stück weit. Aldi etwa will bis zum Jahr 2025 die Verpackungsmenge bei seinen Eigenmarken um 30 Prozent senken. Wo sich Verpackungen nicht vermeiden lassen, sollen diese bis 2022 vollständig recyclingfähig sein. Besonders im Fokus stünden Obst und Gemüse, berichtete der Billiganbieter. Schließlich gelten in Folie eingeschweißte Apfelsinen und Bananen als Musterbeispiele für überflüssige Verpackungen.

Konkurrent Lidl hatte schon im Februar angekündigt, den Plastikeinsatz in Deutschland durch Änderungen an den Verpackungen der Eigenmarken-Produkte bis 2025 um mindestens 20 Prozent drücken zu wollen. „Wir analysieren seit längerer Zeit in enger Abstimmung mit unseren Lieferanten sehr sorgfältig, wo wir auf Plastik ganz verzichten oder wo wir auf alternative Verpackungsmöglichkeiten zurückgreifen können“, sagte Jan Bock, Geschäftsleiter Einkauf bei Lidl Deutschland. Dabei wird auch an zahlreichen kleinen Schrauben gedreht. So wurde beispielsweise vor kurzem die Foliendicke einiger Toastbrot-Verpackungen bei Lidl um 25 Prozent reduziert. Und auch bei Fleisch setzt das Unternehmen auf neue materialsparende „Flat-Skin-Verpackungen“, die den Kunststoffverbrauch pro Teil um rund 60 Prozent verringern. Das Fachblatt „Lebensmittel Zeitung“ bezeichnete die Discounter erst kürzlich als „Tempomacher“, die sich in Sachen Nachhaltigkeit ein „Kopf-an-Kopf-Rennen“ lieferten.

Doch auch die Supermarktriesen Edeka und Rewe haben das Thema entdeckt. Wurden Bioprodukte früher oft in Plastik verpackt, um sie besser von den preisgünstigeren „normalen“ Produkten unterscheiden zu können, so werden heute Avocados, Kiwis, Süßkartoffeln oder Gurken aus Bio-Produktion bei Edeka und Rewe immer öfter mit einer Laser-Gravur gekennzeichnet. Dieses Laser-Tattoo habe keinerlei Auswirkungen auf Geschmack und Haltbarkeit, betonen die Unternehmen.

Bananen werden inzwischen bei Rewe und Penny nur noch unverpackt verkauft. Die Produktinformationen stehen auf Klebebanderolen oder -etiketten. Edeka gibt in einem Pilotmarkt im schleswig-holsteinischen Büsum Kunden die Möglichkeit, frische Lebensmittel an der Fleisch- und Wursttheke mit einer Mehrwegdose einzukaufen. „Wir arbeiten intensiv dran, überflüssige Verpackungen abzuschaffen, Verpackungen zu reduzieren oder umweltfreundlicher zu gestalten“, sagt Rewe-Managerin Christin Schmidt. Doch nicht immer sei ein völliger Verzicht die beste Lösung oder auch nur möglich. Schließlich habe die Verpackung häufig auch eine Schutzfunktion für das Produkt.

Benjamin Bongardt vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) begrüßt das wachsende Engagement der Lebensmittelhändler beim Thema Verpackungsmüll-Vermeidung. Mit ihren Eigenmarken könnten sie hier Vorbild sein. Denn viele Markenartikler, die nach wie vor auf aufwendige Verpackungen setzten, hätten das Problem bislang verschlafen. „Sie sind jetzt in Zugzwang“, meint der Umweltschützer.

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