Während Umweltminister Peter Altmaier Werbung für seine "Strompreisbremse" macht, mit der er die Energiewende für die Verbraucher bezahlbar halten will, wird an anderer Stelle die Energiewende gerade wieder künstlich verteuert. Denn Deutschland hegt große Ambitionen, wenn es um den Ausbau der Windkraft auf dem Meer geht. Vor Deutschlands Küsten sollen bis zum Jahr 2023 Windparks mit einer Leistung von 14 Gigawatt entstehen - so steht es im Netzentwicklungplan der Regierung.
Eine gute Sache könnte man meinen, denn diese Leistung liegt etwas höher als die aller Kernkraftwerke, die derzeit in Deutschland noch am Netz sind. Außerdem investieren Briten und Dänen Milliarden in die Energie vom Meer - da will Deutschland nicht zurückstehen.
Ein Problem gibt es allerdings: Die Offshore-Windkraft ist derzeit nach dem Wind an Land und der Solarenergie die teuerste grüne Energie. Für Windparks, die vor 2018 ans Netz gehen, zahlen Verbraucher 15 bis 19 Cent pro Kilowattstunde. Wind an Land kostet die Hälfte. Hinzu kommen sündhaft teuere Stromleitungen im Meer und eine Ausfallprämie für die Betreiber - die alle Bürger zahlen.
Die Milliardeninvestitionen für die Seekraftwerke werden vor allem von den großen Energieversorgern gestemmt. Kritiker sehen die üppige Vergütung deshalb als Zuckerl für die durch den Atomaustieg angeschlagenen Stromkonzerne. Ihre Kritik erhält jetzt durch eine neue Studie Auftrieb (hier als PDF). Sie zeigt: Im Fall der Offshore-Windenergie ist weniger tatsächlich sehr viel billiger.
In Auftrag gegeben wurde die Studie vom Berliner Think-Tank Agora Energiewende. Aufgeschrieben hat sie das Aachener Beratungsunternehmen Consentec mit Unterstützung des Fraunhofer-Institutes für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel. Das zentrale Ergebnis der Studie: Wird bis 2023 auf den Ausbau der Offshore Windkraft weitgehend verzichtet und stattdessen in Wind- und Solaranlagen an Land investiert, lassen sich pro Jahr rund zwei Milliarden Euro sparen. Eine stattliche Summe, wenn man bedenkt, dass allein in diesem Jahr rund 20 Milliarden Euro an Kosten für die Energiewende anfallen.
Wo die Anlagen stehen, macht kaum einen UnterschiedInteressant ist dabei: Investitionen in die besten Standorte an Land - Wind in Norddeutschland und Sonne im Süden - sind etwas günstiger, als der Ausbau von Windanlagen an verbrauchernahen Standorten. Es ist also billiger Stromleitungen von Norddeutschland in den Süden zu legen, als die Windräder im Süden nahe den Industriezentren zu bauen. Für Solaranlagen gilt das umgekehrt. Erneuerbare an den besten Standorten zu installieren, spart rund 100 Millionen Euro jährlich.
Auch mit einem Argument, das Verfechter des Offshore-Stroms immer wieder anbringen, beschäftigt sich die Studie. Der Wind auf dem Meer weht sehr viel stetiger und stärker als der Wind an Land. Drehen sich Anlagen auf dem Meer rund die Hälfte des Jahres (ca. 4100 Stunden), kommen Anlagen im Binnenland nur auf knapp ein Drittel (bis ca. 2900 Stunden) der Zeit. Dennoch ist die Windkraft auf dem Meer immer noch teurer.
Und noch ein anderes interessantes Ergebnis hält die Untersuchung parat. Derzeit wird viel über den Ausbau der Netze gestritten. Die Modelle der Studie zeigen, dass ein verzögerter Netzausbau bei gleichzeitigem starken Ausbau der Windkraft an Land pro Jahr ganze 14 Terawattstunden Strom verschwenden würde. Die Anlagen müssten wegen Überlastung der Netze abgeregelt werden.
Die Experten von Consentec und dem IWES haben auch ein wenig weiter in die Zukunft geschaut und die Effekte für das 2033 berechnet. Und auch hier zeigt sich: Offshore-Windkraft treibt die Preise nach oben. Das Fazit der Studie:
"Die mögliche Kostenersparnis durch optimierte Ausbaupfade beträgt im Jahr 2033 zwischen drei und vier Milliarden Euro pro Jahr. Der wesentliche Treiber dieser Kostenersparnis liegt weiterhin in den Ausbaukosten der Erneuerbaren (2,8 bis 3,7 Milliarden Euro pro Jahr), insbesondere der Verlagerung des Zubaus von Windkraftanlagen auf dem Meer hin zu Windkraftanlagen an Land (im Norden oder im Binnenland)."