Offshore-Windkraft In Stralsund entsteht erste schwimmende Windturbine Deutschlands

Bisher stehen Offshore-Windturbinen auf gigantischen Fundamenten im Meer - bald könnten sie auf dem Wasser schwimmen.

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In den Hallen der insolventen Volkswerft Stralsund lärmen derzeit wieder die Schmiedehämmer, zischen Schweißautomaten und knirschen Blechbiegemaschinen. Ein Unternehmen mit dem Namen Edelstahl und Umwelttechnik Stralsund (ESG) arbeitet dort an einem ganz besonderen Projekt, das die Offshore-Windkraft einen entscheidenden Schritt voranbringen könnte: Nämlich dem ersten in Deutschland entwickelten schwimmenden Fundament für Windgeneratoren.

Der Koloss besteht aus vier riesigen Schwimmtanks, hat eine Kantenlänge von 32 Meter und eine Höhe von 28 Meter und wiegt 670 Tonnen. Dabei wurden schon 50 Prozent Material gegenüber ersten Berechnungen eingespart. Das Fundament wird, wie bei Schiffen üblich, an Land gebaut und dann vom Stapel gelassen. Im nächsten Schritt montieren Arbeiter den Windgenerator am Pier auf das Fundament. Entwickelt wurde die Anlage vom Unternehmen Gicon aus Dresden, zu dem ESG gehört.

Seile halten die Windmühle am StandortDer erste Prototyp der schwimmenden Windkraftanlage soll eine Leistung von knapp drei Megawatt haben – später sind Sechs-Megawatt-Mühlen geplant.

Schlepper ziehen das komplette Windkraftwerk dann zum Standort. Vier Stahlseile, die am Meeresgrund verankert sind, ziehen die Schwimmkörper unter die Wasseroberfläche. „Die Haltekraft der Seile und der Auftrieb der Schwimmkörper sorgen für eine stabile Lage“, erklärt Burkhard Schuldt, der die Entwicklung bei ESG leitet.

Schwimmtechnik sorgt für PreisvorteilSchon bei Wassertiefen von 20 Meter, sagt Schuldt, sei die schwimmende Lösung festen Fundamenten überlegen, weil sowohl weniger Material für das Fundemant eingesetzt wird und der Aufwand für die Installation sinkt. Die Kosten für eine Kilowattstunde Strom sollen bei der ESG-Windmühle zehn Cent betragen. Herkömmliche Mühlen, die mit teils 1000 Tonnen schweren Fundamenten auf dem Meeresboden aufsetzen, produzieren über 20 Jahre gerechnet zu Preisen von 11 bis 15 Cent.

Bei größeren Wassertiefen ist der Kostenvorteil noch höher. Ab 30 bis 40 Meter sind feste Gründungen gar nicht mehr möglich.

Bisher haben die Entwickler mit einem Modell gearbeitet. In einem der großen Wasserbehälter des Entwicklungszentrums für Schiffstechnik und Transportsysteme in Duisburg testeten sie mit Erfolg die Stabilität des schwimmenden Fundaments.

In Kürze beginnt der Bau des Prototypen, dessen Finanzierung das Land Mecklenburg-Vorpommern mit 5,25 Millionen Euro unterstützt. Ende dieses Jahres soll das Fundament fertig sein und vom Stapel laufen.

Ziel ist der Windpark Baltic I

Der Prototyp des schwimmenden Fundaments erhält seine Mühle bei einem Zwischenstopp im Rügener Hafen Mukran, wo ihn Schlepper hinbringen. Das fertige Windrad bugsieren die Schiffe dann zum Windpark Baltic I nördlich der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst westlich von Rügen. Der produzierte Strom fließt über ein Unterwasserkabel, das bereits in Betrieb ist, in ein Umspannwerk bei Rostock.

Für die deutschen Windparks in der Ostsee rechnet sich Gicon mit seinem „Schwimmenden Offshore-Fundament“ (SOF) allerdings kaum noch Chancen aus. Deren Planung ist bereits weit fortgeschritten. Ganz anders sieht es im polnischen Teil der Ostsee aus.

Warschau will dort die gigantische Anzahl von 13.000 Mühlen bauen. Die meisten könnten auf SOFs stehen. Auch in der deutschen Nordsee glaubt Gicon zum Zuge kommen zu können, vor allem aber vor den Küsten von Großbritannien.

Selbst die USA und Japan nehmen die Stralsunder als künftigen Markt ins Visier. Bei den dort vorherrschenden großen Wassertiefen kommen ohnehin nur schwimmende Fundamente in Frage.

Erste Anlagen in Norwegen und Japan in BetriebBisher gibt es nur wenige Anlagen dieser Art, in Europa nur eine mit einer Leistung von 2,3 Megawatt. Die haben Siemens und der norwegische Energiekonzern StatoilHydro vor fünf Jahren vor der norwegischen Küste positioniert. Ein Gewicht, das in eine Tiefe von 150 Meter reicht, stabilisiert das Fundament, weil es den Schwerpunkt weit nach unten verlegt. Deshalb ist diese Bauweise nur für große Wassertiefen geeignet.

Außerdem haben der Handelskonzerns Marubeni und der Windgeneratorhersteller Hitachi eine schwimmende Zwei-Megawatt-Mühle 20 Kilometer vor der Küste Japans in 120 Meter tiefem Wasser positioniert.

Standorte mit sehr großer Wassertiefe haben auch Unternehmen und Forschungseinrichtungen in sechs Ländern im Visier, darunter der Lehrstuhl für Windenergie an der Universität Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel. Sie arbeiten an FloatGen, einem Entwicklungsprogramm für schwimmende Großmühlen, das die Europäische Kommission mit 19 Millionen Euro finanziert. 2015 sollen die ersten Anlagen im Mittelmeer vor der spanischen Küste stationiert werden.

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