Per Bauplan aus dem Internet Hippie-Ingenieure wollen das autarke Leben

Das Ergebnis sind Windräder, Traktoren, Brunnenbaumaschinen der Marke Eigenbau.

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Es ist nicht ungewöhnlich, dass Menschen online gemeinsam an Computersoftware basteln oder Produkte entwerfen und sie dann frei verfügbar ins Netz stellen. Projekte, Wissen oder Datensätze, die so entstehen, sind “Open-Source” – für jeden zugänglich und veränderbar.

Immer größer wird auch eine Bewegung, die sich „Open Source Ecology“ (OSE) nennt. Anstatt jedoch nur online das Wissen zu teilen, treffen sich die Mitglieder der Bewegung auch in der realen Welt.

Dann bauen sie Maschinen, deren Konstruktionspläne frei zugänglich sind. Das Wichtigste ist, dass die Produkte ein ökologisches und sozial nachhaltiges Leben fördern.

Wer baut, der dokumentiertIn Berlin basteln die Mitglieder des OSE-Netzwerkes derzeit an einem Lastenfahrrad. Auf der Seite “Open Source Ecology Deutschland” finden sich neben dem Bauplan für das Lastenfahrrad auch Anleitungen für eine mobile Melkmaschine oder eine Windturbine.

Zu den OSE-Kriterien gehört, dass Kosten und Materialaufwand für den Nachbau möglichst gering sein müssen. Vor allem aber sollen die Maschinen leicht nachzubauen sein.

Wer baut, dokumentiert und stellt später Texte, Fotos oder Videos online – quasi ein ultimatives How-to für ein weitgehend autarkes Leben. Nur die Einzelteile für die Maschinen müssen auf Schrottplätzen gesucht oder im Baumarkt gekauft werden.

„Aber es geht um mehr als nur ums Bauen. Bei den Treffen diskutieren wir auch über alternative Wirtschaftskonzepte wie Postwachstum“, sagt der 24-jährige Berliner Timm Wille, der den Aufbau des deutschen OSE-Netzwerkes vorantreibt.

Mehr als 20 aktive Mitglieder hat die OSE-Gruppe in der Hauptstadt, deutschlandweit sind es weit mehr. Abseits der Autobahn zwischen Berlin und Hamburg soll bald ein über 14.000 Quadratmeter großes Gelände viel Platz zum Basteln bieten. Es wäre das erste OSE-Lab Europas; eine Art großes Freiluft-Labor, um neue Baupläne zu entwickeln.

Ursprung in den USA

Ihre Anfänge hatte die OSE-Bewegung bereits vor mehr als zehn Jahren in den USA. Als Vater gilt der US-Amerikaner Marcin Jakubowski, promovierter Physiker. Seine Idee war es, unabhängig von jeglicher Infrastruktur zu leben. Jakubowski kaufte sich ein Stück Land und überlegte, welche Maschinen er brauchte und auch selbst herstellen könnte.

50 Maschinen standen am Ende auf seiner Liste: Unter anderem Bulldozer, Windturbine, Melkmaschine, Brunnenbohrer und eine Ziegelpresse. Die Liste trägt den Namen „Global Village Construction Set“, ein Startpaket für eine kleine Zivilisation.

In Foren warb der charismatische Jakubowski um Spenden, endgültige Bekanntheit erlangte er durch einen Auftritt bei der Plattform TED. Immer mehr Freiwillige besuchten sein Gelände, die „Factor e Farm“, unter ihnen Studenten, erfahrene Ingenieure und Unternehmer.

In den vergangenen Jahren aber wurde Jakubowski zunehmend von seinen Anhängern kritisiert. Manchen gilt er als größenwahnsinnig, weil er seine Ideen immer schneller umsetzen will. „Unser Ziel ist eine Sammlung von veröffentlichten Entwürfen, so klar, so vollständig, dass solch ein Starter-Kit auf eine einzige DVD passt“, lautet eine seiner Devisen.

Wie streng sind die Kriterien?In Deutschland wollen es die Initiatoren anders machen als in den USA. Wie genau, ist aber noch unklar. Wie streng sollen die Kriterien für die Produkte sein? Wie genau soll der Bau von Maschinen dokumentiert werden? Solche Fragen muss das Netzwerk noch beantworten.

Hält der Erfolg der OSE-Bewegung an, könnte es auf deutschen Höfen bald Traktorbaupartys geben. Aber auch in Afrika oder in der Mongolei werden die Maschinen für eine bessere Welt zunehmend nachgebaut und erprobt. Das Internet und frei zugängliche Konstruktionspläne machen es möglich.

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