Pilotanlage Alkohol-Sprit soll Benzin ersetzen

In Lünen entsteht die erste Anlage, die Methanol aus Kraftwerksabgasen produziert. Autos können den Treibstoff tanken.

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Ein großer Teil der Umweltprobleme wären gelöst, wenn die Menschheit wenigsten teilweise adäquaten Ersatz für Benzin und Diesel hätte. Zwar können Elektroautos mittelfristig herkömmliche PKWs ersetzen, bei Lastern lohnt sich der Einsatz von Batterien aber kaum.

Eine Möglichkeit, einen flüssigen Ersatz für die erdölbasierten Treibstoffe zu finden, erprobt derzeit das Unternehmen Sunfire in Dresden. Aus Wasser, Strom und CO2 werden hier synthetische Treibstoffe. Power-to-Liquid, also die Umwandlung von Strom in flüssigen Treibstoff, nennen sich diese und ähnliche Verfahren auch.

Keine Konkurrenz zu NahrungsmittelnAuf andere Weise als Sunfire wollen Ingenieure demnächst auf dem Gelände des Kraftwerksbetreibers Steag in Lünen bei Dortmund flüssige Treibstoffe produzieren.

Ausgangsmaterialien sind Wasserstoff, der per Elektrolyse (vereinfacht gesagt, wird dabei Wasser unter Strom gesetzt) gewonnen wird, und Kohlendioxid aus dem Abgas des Steinkohlekraftwerks am Standort. Jährlich sollen aus diesen Zutaten bis zu 250.000 Liter Methanol werden.

Methanol lässt sich bis zu einem Anteil von zehn Prozent Benzin und Diesel beimischen, ähnlich wie Ethanol. Beides sind Alkohole, doch das im E10-Kraftstoff enthaltene Ethanol ist umstritten, weil es aus Nahrungs- und Futtermitteln wie Getreide und Zuckerrüben hergestellt wird. Das in Lünen produzierte Methanol ist dagegen kein Konkurrent für die Nahrungskette.

Vorbild für die Anlage ist eine Produktionsstätte in Island, die allerdings ein paar Nummern größer ist. Sie hat eine Jahreskapazität von fünf Millionen Litern. Die Basismaterialien Kohlendioxid und Wasserstoff gewinnen die dortigen Betreiber aus der Luft, weil es auf Island keine fossilen Kraftwerke gibt. Energiequelle ist Strom aus Geothermiekraftwerken.

Produktionstart 2017In Lünen wird der Wasserstoff mit Hilfe von überschüssigem Strom gewonnen. Bei starker Sonneneinstrahlung und kräftigem Wind produzieren Grünstrom-Anlagen in Deutschland teilweise so viel Energie, dass er sich oft nicht einmal exportieren lässt. Dann müssen Windräder abgeschaltet werden – Solarzellen produzieren dagegen weiter.

Power-to-Liquid-Anlagen könnten die Strom-Verschwendung stoppen und dazu noch Kohlendioxid binden. Das Methanol emittiert, wenn es in Automotoren verbrennt, damit zwar Kohlendioxid. Doch das wird, anders als beim Einsatz von Sprit aus Erdöl, nicht zusätzlich in die Luft geblasen.

Die Investitionssumme in Lünen liegt bei elf Millionen Euro. 80 Prozent davon übernimmt die Europäische Union im Rahmen des Forschungsprogrammes „Horizon2020“. 2017 soll das erste Methanol produziert werden.

Alkohol-Sprit könnte konkurrenzfähig seinBeteiligt an dem Projekt sind die Unternehmen Hydrogenics aus Kanada, Carbon Recycling International (CRI) aus Island und Mitsubishi Hitachi Power Systems Europe mit Sitz in Duisburg.

Obwohl die Anlage in Island weitgehend problemlos läuft, betreten die Unternehmen in Lünen Neuland. Da Überschussstrom nicht immer zur Verfügung steht, ist ein kontinuierlicher Betrieb nicht möglich, wie es normalerweise bei Elektrolyseuren der Fall ist. Die ganze Anlage muss also mit Unterbrechungen fertig werden.

Wenn sich die Spritproduktion in Lünen bewährt, könnten größere Anlagen entstehen. Eine 200-fache Leistung sei möglich, glauben die Ingenieure. Die Jahreskapazität läge bei 200 Millionen Liter.

Da Strom und Kohlendioxid praktisch kostenlos sind, wäre der Treibstoffpreis voraussichtlich konkurrenzfähig. Was für die Lünener Anlage als Pilotprojekt noch bei weitem nicht gilt.

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