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Pilotprojekt für Smart Grid Hier gibt es Strom umsonst

Ein Leipziger Unternehmen startet ein Vorzeigeprojekt für ein intelligentes Stromnetz – mit Strom für lau und einem Schwarm von 2500 Kellerakkus.

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Die Solarzellen auf dem Dach sind im Sommer treue Stromlieferanten für den Direktverbrauch und die Pufferbatterie im Keller. Im Herbst und Winter machen sie dagegen schlapp. Windstrom wird dagegen im Herbst und Winter häufig im Überfluss produziert, der sich dann nur zum Nulltarif an der Strombörse verscherbeln lässt.

Davon profitieren bisher nur Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken, vor allem im Ausland, die den Billigstrom gewissermaßen zwischenlagern, um ihn bei Strommangel teuer verkaufen zu können.

Ersparnis von 200 Euro pro JahrKünftig kommen aber auch die Kunden des Leipziger Stromspeicherspezialisten Deutsche Energieversorgung in den Genuss (fast) kostenlosen Stroms, wenn ihre Solaranlagen Pause machen – jedenfalls diejenigen, die sich zur Teilnahme an dem Projekt Econamic Grid entschlossen haben. Die Zielgruppe für den eher ungewöhnlichen Vorstoß des Energieversorgers: Besitzer von Solaranlagen mit Speicherbatterie, die die Leipziger unter dem Namen Senec verkaufen.

2500 der 4500 Besitzer der Senec-Akkus haben sich bisher zur Teilnahme an dem Projekt entschlossen. Jeder von ihnen bekommt pro Jahr rund 800 Kilowattstunden kostenlosen Strom, die in den Batteriespeicher fließen, wenn zu viel Wind ins Netz drängt. Wer zusätzlich in einen elektrischen Heizstab investiert, um Brauchwasser zu erwärmen oder die Heizung zu unterstützen, bekommt weitere 2500 Kilowattstunden pro Jahr, die nur zur Wärmeerzeugung genutzt werden können.

Während das Füllen der Batterie mit kostenlosem Strom ein attraktives Angebot ist – der Gegenwert liegt bei etwas mehr als 200 Euro – ist das Heizen weniger lukrativ. Die Einsparung liegt zwar bei 150 bis 200 Euro, doch die Kosten für die Umrüstung des Heizungskessels dürften so hoch sein, dass sie sich erst nach vielen Jahren amortisieren.

Der Beweggrund der Leipziger ist einfach: „Wir wollen an Econamic Grid nichts verdienen“, sagt Rico Kleindienst, der Marketing Manager des Unternehmens, „sondern unser Pufferspeicherangebot attraktiver machen.“ Zu einem Gewinn könnte es dennoch reichen.

Vorbild für ein Smart GridDenn an Tagen mit hohem Überangebot an Windstrom, die sich im Herbst und Winter häufen, ist so genannte negative Regelenergie gefragt, also Kunden, die Strom abnehmen. Die privaten Batterien der Solaranlagenbesitzer sind dafür bestens geeignet, weil sie wegen Sonnenmangels seltener aufgeladen werden als im Sommer. Ein Unternehmen, das Abnehmer für den überflüssigen Strom im Netz garantieren kann, erhält dafür eine Vergütung, die um ein Vielfaches höher sein kann als der Preis für Haushaltsstrom. Damit finanziert das Leipziger Unternehmen sein Projekt.

Negative Regelleistung wird ebenso wie positive viertelstündlich ausgeschrieben. Wer sie zur Verfügung stellen kann nimmt an der Versteigerung teil. Die Vergütung ist umso höher, je weniger Abnehmer sich finden. Regelleistung wird benötigt, um das Stromnetz zu stabilisieren, das durch die zeitweise stark schwankende Einspeisung von Wind- und Solarstrom massiv belastet wird.

Mit seinem Projekt ist das Unternehmen aus Leipzig auch ein Pionier auf dem Feld des Smart Grid, eines intelligenten Stromnetzes, von dem Experten seit Jahren sprechen, das bisher aber über die Theorie nicht hinauskommt. Die Idee dahinter: Künftig können Batterien in Kellern von Privatleuten und Elektroautos Schwankungen im Stromnetz ausgleichen und kurzfristige Flauten oder Wolkentrübungen zumindest teilweise überbrücken. Außerdem sollen sie Strom aus der Überpoduktion von Wind- und Solaranlagen lagern, sodass sie nicht abgeregelt werden müssen.

Für die Steuerung seines Batterieparks betreibt die Deutsche Energieversorgung einen zentralen Datenserver, der die Verteilung des Stroms an alle Senec-Speicher koordiniert. Bei einem Überangebot an Strom fließen aus dem Netz stündlich bis zu 2,5 Kilowattstunden in eine Pufferbatterie (der Tagesverbrauch eines Durchschnittshaushaltes liegt bei rund 11 Kilowattstunden).

Produziert die Solaranlage in dieser Zeit keinen Strom und die Waschmaschine läuft, muss dieser Haushalt allerdings Strom aus dem Netz beziehen. Ein direkter Verbrauch des kostenlosen Stroms durch die Waschmaschine ist technisch nicht möglich – und wohl auch nicht gewollt. Dass die Kunden dennoch zufrieden sind, dafür sollen die 800 Kilowattstunden Strom sorgen, die sie zum Ausgleich geschenkt bekommen.

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