"Power-to-Heat" Das Revival der Wärmespeicher

Wärme aus Strom galt lange als Umweltsünde. Nun sagen Forscher, ohne "Power-to-Heat" drohe die Energiewende zu scheitern.

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Der Nachtspeicherofen galt einst als Energie-Vorzeigeobjekt: Nachts, wenn Atom- und schwerfällige Kohlekraftwerke ihre Leistung nicht herunterregeln wollten oder konnten, heizte er sich mit billigem Strom auf und gab diesen tagsüber wieder ab. So die Idee.

Heute halten nur noch Energiekonzerne den Nachtspeicheröfen die Stange. Umweltverbände kritisieren die Emissionen, die im Vergleich zu Gasbrennwertkesseln dreimal so hoch seien. Sollte man auf Wärme aus Strom lieber verzichten? „Nein“, sagen Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik.

Denn so wie Atom und Kohle vor Jahren überflüssigen Strom in der Nacht produziert haben, sind es nun Wind und Sonne, die bei entsprechendem Wetter mehr als nötig liefern. Um den Strom zu speichern, stehen derzeit nur ein paar verhältnismäßig kleine Batterieblöcke und Pumpspeicherkraftwerke zur Verfügung. Wärmeerzeugung könnte das ändern. Power-to-Heat nennt das Norman Gerhardt, Leiter des Teams, das die aufsehenerregende Studie verfasste.

Wärmepumpen sollen heizen und kühlen

Bislang wird nur vereinzelt Wärme mit Überschussstrom erzeugt, und zwar mit dem, der auf privaten Dächern anfällt. Und das ist auch erst eine Alternative, seit sich Solarstrom von Neuanlagen nicht mehr mit lukrativen Vergütungen ins Netz einspeisen lässt.

Den Kasseler Wissenschaftlern reicht das längst nicht. Überschüssiger Strom soll - in Form von Wärme - in Frischwassertanks und Vorratsbehältern für die Heizung erwärmt werden. Das geschieht mit einer Art Tauchsieder. Strom soll zudem Wärmepumpen betreiben, möglichst bivalente, die im Winter zum Heizen und im Sommer zur Kühlung genutzt werden können. Letzteres ist gerade daher interessant, da an sonnigen Tagen meist keine Heizung benötigt wird.

Derartige Systeme sollten vor allem in Mehrfamilienhäusern, Gewerbebetrieben, Bürogebäuden, Schulen, Krankenhäusern und anderen Großverbrauchern installiert werden. „Power-to-Heat ist die Zukunft im Wärmemarkt“, prophezeit Gerhardt. Denn wenn Strom künftig nicht verstärkt in Wärme umgewandelt werde, könne die Energiewende sogar scheitern.

Dabei könnte Deutschland spätestens in Jahr 2050 ohne Kernenergie und weitgehend ohne fossile Energieträger auskommen, sagen die Wissenschaftler. Woher der Strom dann kommt und wer ihn abnimmt, haben sie für zwei Musterwochen hochgerechnet. (Siehe Grafik.) Power-to-Heat ist ein wichtiger Bestandteil.

Kein Strom mehr für Gasgewinnung?

Bisher hatten die Verfechter von Power-to-Gas das Sagen. Sie plädieren dafür, mit Überschussstrom Wasserstoff aus Wasser zu gewinnen. Wasserstoff ließe sich mit Kohlendioxid zu synthetischem Methan verschmelzen. Das wiederum soll ins Erdgasnetz eingespeist werden, welches dadurch zu einem gigantischen Speicher für Überschussstrom werden könnte.

Allerdings ist die Herstellung des künstlichen Erdgases aufwendig und damit teuer. Für Power-to-Heat sind nur geringe Investitionen nötig. Das Problem sehen die Forscher woanders: „Grundsätzlich stellt die hohe Preisdifferenz zwischen Gas und Strom das größte Hemmnis für die Ziele der Energiewende im Wärmemarkt dar“, sagen sie.

Das ließe sich ändern. Via Internet könnten die aktuellen Strompreise, die ein Spiegelbild von Angebot und Nachfrage darstellen – teurer Strom bedeutet geringes Angebot, billiger steht für Überschüsse im Netz – jedem einzelnen Großverbraucher übermittelt werden, der sich dann automatisch einschaltet, wenn viel Strom angeboten wird. Das würde die Verbrauchskurve glätten und die Nerven derjenigen beruhigen, die Kraftwerke so fahren müssen, dass stets so viel – oder so wenig – Strom entsprechend der Nachfrage produziert wird.

Zunehmend wäre dann auch das Abschalten von Windkraftanlagen bei kräftigen Brisen überflüssig. Dann produzieren sie oft so viel Strom, dass sich keine Abnehmer mehr finden, selbst wenn man draufzahlt.



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