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Regio-Lebensmittel Startup bringt Wochenmarkt ins Internet

Beim Berliner Startup Bonativo können Kunden regionale Lebensmittel im Internet bestellen. Werden Wochenmärkte nun überflüssig?

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Ganz ohne Marktgeschrei, dafür aber mit viel Ambition, startet heute das neueste Projekt der Berliner Internet-Mogule Samwer im Netz: Bonativo, ein Lieferdienst vor allem für regionale Lebensmittel vom Produzenten um die Ecke. Rund 400 Artikel, vom Kohl bis zum Honig, soll es in Zukunft auf der Online-Plattform zu kaufen geben. Direkt vom Erzeuger und günstiger als im Supermarkt sollen sie sein, so das Versprechen.

Möglich macht’s ein neuartiges Vertriebssystem: Statt wie gewohnt als Kunde im Supermarkt bereits vorrätige Lebensmitteln zu kaufen, dient die Bestellung des Kunden im Netz als Einkaufszettel für Bonativo. Mit diesem "Zettel" fahren die Mitarbeiter des Startups anschließend zu den Produzenten, sammeln alle Produkte ein, lagern sie in einer kleinen Halle in Berlin-Kreuzberg und liefern sie dann im Stadtgebiet aus. Alternativ können die Produzenten bestellte Waren auch bei Bonativo in der Stadt abgeben.

In den Genuss des regionalen Online-Händlers kommen zunächst nur Berliner. Nach erfolgreicher Testphase soll das Angebot allerdings schon bald auf ganz Deutschland und sogar Europa ausgeweitet werden.

„Wir helfen lokalen Herstellern, mit ihren Produkten eine breitere Masse von Kunden zu erreichen“, sagt Christian Eggert, Geschäftsführer von Bonativo. Für viele Bauern, Imker oder Fleischer würde es sich nicht lohnen, ihre Ware aus dem Umland extra nach Berlin zu fahren. Damit löst das Startup ein entscheidendes Logistik-Problem vieler kleiner Betriebe.

Auch beim Preis kommt Bonativo den Produzenten entgegen. Statt Dumping-Preise zu diktieren, dürfen die Lieferanten die Preise ihrer Ware selbst bestimmen. Gewinn macht Bonativo mit einem Aufschlag, wie er in jedem Supermarkt anfällt und mit Leistungen wie einem fest vereinbarten Lieferzeitraum. Dennoch stellt Eggert in der Berliner Zeitung klar: „Wir sind günstiger als Naturkostläden, weil sowohl Großhändler als auch stationäre Läden entfallen."

Innerhalb von zwei Tagen nach Bestellung und einem Mindestbestellwert von 30 Euro werden die Produkte kostenfrei geliefert. Möchte man eine genaue Lieferuhrzeit angeben - ein zweistündiges Zeitfenster zwischen 12 Uhr und 22 Uhr - kostet der Service 4,90 Euro Versandgebühr. Ganz regional ist das Angebot dabei allerdings nicht: Auch Bananen und Orangen zum Beispiel hat Bonativo, wie jeder Supermarkt, im Angebot. Über ein Menü lassen sich die Produkte auf der Seite aber auf Regionales einschränken. Genaue Kriterien dafür, was regional ist, haben die Gründer allerdings noch nicht festgelegt. Bisher zählen Produkte aus Berlin und Brandenburg dazu.

Neben den Lebensmitteln bleibt auch eine weitere Frage: Wie nachhaltig ist das Einkaufen im Netz überhaupt? Bonativo nutzt für die Fahrten nach eigener Aussage ein normales Auto. Wer also zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum nächsten Biosupermarkt oder zum Wochenemarkt fährt, belastet die Umwelt weniger. Auch dürfte die ausgeklügelte Logistik der Supermärkte umweltfreundlicher sein als die vielen Fahrten mit wenig Ladung, wie sie Bonativo unternimmt. Um die wirklich an Nachhaltigkeit interessierten Kunden zu gewinnen, muss das Startup an diesem Punkt wohl nachbessern.

Bonativo - der neueste Klon der SamwersHinter dem unscheinbaren Namen und dem Geschäftsführer Eggert stecken übrigens keine Unbekannten: Die Rocket Internet AG, die Startup-Schmiede der drei Samwer Brüder Marc, Oliver und Alexander (Deutschlands wohl erfolgreichsten und umstrittensten Online-Unternehmern) unterstützt Eggert bei seinem Plan, aus dem regionalen Wochenmarkt ein Millionengeschäft im Netz zu machen.

Ganz neu ist die Idee mit den regionalen Lebensmitteln per Mausklick allerdings nicht: Anbieter wie Regionalmarkt oder Good Eggs (nur in den USA) bieten schon seit einiger Zeit regionale Lebensmittel im Netz an. Denn egal ob Obst, Gemüse oder Fleisch: Die Verbraucher legen zunehmend Wert auf regionale Produkte. Auch die deutschen.

Wie eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney aus dem Jahr 2013 zeigt, kaufen inzwischen mehr als 70 Prozent der deutschen Verbraucher mehrmals im Monat regionale Lebensmittel ein. Jeder Zweite tut dies sogar wöchentlich. Regionale Produkte, darunter vor allem Eier, Gemüse und Obst, sind nach Angaben der Berater somit gar gefragter als Bio-Lebensmittel.

Online-Handel mit Lebensmitteln wächstBonativo aber setzt noch auf einen weiteren Trend: Deutsche kaufen ihre Lebensmittel immer häufiger im Internet. Im Vergleich zu 2011 stieg der Anteil der deutschen Verbraucher, die ihre Lebensmittel online bestellen, im Jahr 2012 von 18 auf 27 Prozent. Das ergab eine weitere Studie, die A.T. Kearney in Zusammenarbeit mit der Universität Köln und der Universität St. Gallen erarbeitet hat. Demnach habe der Online-Food-Markt allein im Jahr 2012 bereits 370 Millionen Euro umgesetzt. Inzwischen dürfte es sehr viel mehr sein.

Was viel klingt, ist allerdings nur ein Bruchteil des gesamten Marktvolumens: Gerade einmal 0,2 Prozent macht der Online-Food-Markt am gesamten deutschen Lebensmittelumsatz aus. Heruntergerechnet hat jeder Deutsche also nur zwei Euro für Lebensmittel im Internet ausgegeben. In Großbritannien hingegen, wo das Konzept blüht, sind es stolze 82 Euro.

Trotz steigendem Trend wird sich daran auch in Zukunft wenig ändern. „Die Deutschen sind zufrieden mit den bestehenden Einkaufsmöglichkeiten vor Ort“, sagt Mirko Warschun, Partner bei A.T. Kearney. Nach Angaben der Studie wird der Online-Lebensmittelhandel damit auch in den nächsten drei bis fünf Jahren ein Nischenmarkt bleiben. Nur wenige Verbraucher, so die Experten von A.T. Kearney, werden Online-Angebote regelmäßig nutzen. Ob Startups wie Bonativo daran etwas ändern können, wird sich zeigen.

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