Reines Erdgas aus Grünstrom Mikroben "verdauen" überschüssiges CO2

In Hessen produziert eine Power-to-Gas-Anlage Methan – mit einem ganz besonderen Verfahren.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Biogasanlagen haben ein Problem - bei ihrem Betrieb bleibt ein ungeliebter Gast übrig: Kohlendioxid, das als Hauptverursacher des Klimawandels gilt.

Teilweise besteht das produzierte Biogas, das als regenerative Energiequelle genutzt werden soll, sogar bis zur Hälfte aus Kohlendioxid. Der Rest ist Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, mit einem kleinen Anteil von Wasserstoff.

Mikoorganismen verdauen KohlendioxidDas ungeliebte CO2 könnte künftig komplett wegfallen. Der Heizungshersteller Viessmann setzt seit Kurzem ein biologisches Verfahren ein, das das Klimagas künftig zu fast 100 Prozent in Methan umwandelt. Das gelingt mit einer Technik, die MicrobEnergy entwickelt hat.

Das Unternehmen, das zur Viessmann-Firmengruppe gehört, nutzt die Verdauungsleistung hochspezialisierter Mikroorganismen. Sie nehmen in Flüssigkeit gelösten Wasserstoff und das Kohlendioxid durch ihre Zellwand auf und „verdauen“ es zu Methan. Außerdem bleibt nur noch Wasser übrig.

Das produzierte Methan wird in das Erdgasnetz eingespeist. Damit wird Überschussstrom aus Wind- und Solaranlagen in eine leicht speicherbare Energieform umgewandelt, Methan eben. Wozu der Aufwand?

Der Ausbau erneuerbarer Energie führt in wind- und sonnenreichen Zeiten zu großen Mengen an Strom, die nicht ins Stromnetz eingespeist werden können.

Stromspeicher sind aber rar. Eine Alternative bietet die Power-to-Gas-Technologie, die überschüssigen Wind- oder Solarstrom in synthetisches Methan umwandelt.

Der Vorteil: Das gewonnene Methan kann man im deutschen Erdgasnetz zwischenlagern, das immense Speicherkapazitäten hat. Denn Methan und Erdgas sind quasi identisch.

Erste Power2Gas-Anlage dieser ArtSo funktioniert die Power-to-Gas-Technologie normalerweise: Strom wird mittels Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt.

Danach folgt eine so genannte Methanisierungsstufe, in der aus Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2) synthetisches Methan entsteht. Das CO2 kommt etwa aus industriellen Prozessen, aus der Umgebungsluft oder aus Biogasanlagen.

Die von MicrobEnergy eingesetzten Bakterien sorgen nun dafür, dass bei diesem Prozess fast ausschließlich Methan übrig bleibt. 

Zum Vergrößern anklicken. (Quelle: Viessmann)Zunächst war eine solche Anlage, die in einem Container Platz findet, erfolgreich an der Kläranlage Schwandorf in der Oberpfalz getestet worden.

Im März ist die weltweit erste Power-to-Gas-Anlage dieser Art, wie Viessman in einer Pressemeldung schreibt, am Stammsitz des Unternehmens in Allendorf an der Eder in Betrieb gegangen.

Das ist ein gutes Geschäft, rechnet Viessmann vor. Der Verkauf von Methan brachte 2014 50.000 Euro ein, die Bereitstellung von besonders hoch vergüteter Regelenergie 70.000 Euro.

Die Servicekosten für den Elektrolyseur schlugen mit 20.000 Euro zu Buche. Ebenso viel kostete der verbrauchte Strom. Die Wertminderung wurde mit 50.000 Euro angesetzt. Blieben 30.000 Euro übrig.

In dem riesigen Ergas-Netz aus Pipelines und unterirdischen Speichern ließe sich ohne zusätzliche Baumaßnahmen so viel Methan speichern, dass die deutsche Stromversorgung einige Monate gesichert wäre, gäbe es genügend Erdgaskraftwerke.

Doch die sind relativ dünn gesät. Derzeit liegt die Gesamtleistung bei rund acht Gigawatt. Damit ließe sich Deutschland nicht einmal einen Tag lang mit Strom versorgen.

Das Methan kann direkt ins NetzDie Reinheit des in Schwandorf produzierten Methans liegt bei 98 Prozent. Damit kann es nach einer wenig aufwändigen Reinigung direkt ins Netz eingespeist werden. Der Markt allein in Deutschland ist gigantisch.

7500 Biogasanlagen könnten mit der MicrobEnergy-Technik aufgerüstet werden.

Verglichen mit der konventionellen Power-to-Gas-Technik, bei der Methan aus Wasserstoff und Kohlendioxid bei einer Temperatur von mehr als 200 Grad Celsius und Überdruck entsteht, kommt das biologische Verfahren mit weit weniger Energie aus.

Urzeit-Tierchen produzieren EnergieWährend MicrobEnergy die gleichen Mikroorganismen nutzt, die in Biogasanlagen Dienst tun, setzt Alexander Krajete, der im österreichischen Linz ein gleichnamiges Unternehmen bertreibt, Archäa ein, einzellige Mikroorganismen, die sich selbst an widrigste Umweltbedingungen angepasst haben.

Er glaubt, eine großtechnische Anlage könnte synthetisches Methan für zehn Cent pro Kilowattstunde herstellen.

Auch in anderen Teilen der Welt arbeiten Wissenschaftler daran, Mikroorganismen zur Produktion von synthetischem Erdgas einzusetzen, etwa in Finnland, Großbritannien und den USA. Die meisten Projekte befinden sich jedoch erst im Forschungsstadium.

Korrektur: Der Überschuss bei Viessmann betrug 30.000 Euro und nicht 50.000. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%