Die schlimmsten Kohlekraftwerke Europas stehen auch in Deutschland. Das zeigt eine Studie unter dem schmissigen Titel “Europe’s dirty 30” – zu deutsch: Die schmutzigsten 30 von Europa (hier als PDF).
Der traurige Platz eins geht an ein Kohlekraftwerk in Polen mit einem Ausstoß von rund 37 Millionen Tonnen CO2 im vergangenen Jahr. Direkt dahinter folgen vier deutsche Standorte. Unter den Top Ten finden sich sechs deutsche Kraftwerke. Unter den Top 30 sind es neun, ebenso viele wie in Großbritannien.
Warnung an InvestorenDie Studie, die unter anderem von den Umweltorganisationen Climate Action Network, vom WWF und der deutschen Klima-Allianz in Auftrag gegeben wurde, vergleicht den CO2-Ausstoß aller 350 Kohlekraftwerke Europas für das Jahr 2013.
Ganz neu sind die Erkenntnisse freilich nicht, kursieren diese Art Listen doch schon seit Jahren in Behörden und bei Think Tanks. Erst im April hatte die Europäische Kommission eine ähnliche Aufstellung veröffentlicht. Der WWF hatte im Jahr 2007 ein Ranking der Top-Verschmutzer (hier als PDF) herausgegeben.
Interessant beim Vergleich: Im Jahr 2007 führten die Liste noch zwei griechische Kohlekraftwerke an mit sechs deutschen Kraftwerken in den Top Ten. Die EU führte in ihrem Report vom April nur fünf Kraftwerke aus Deutschland unter den schmutzigsten Zehn.
Was bringen also die Zahlenspiele? Einmal sollen sie natürlich die Politik aufrütteln. Außerdem weisen sie auf den immer noch großen Anteil der Kohleverstromung in Europa hin.
Diese Feststellung gilt auch für den Rest der Welt, wie eine weitere aktuelle Analyse der Ratingagentur Standard and Poor's zur Zukunft der Kohle zeigt. Die Einschätzung der Experten: Der Absatz von Kohle wird in den kommenden fünf Jahren weiter steigen, Treiber sind vor allem China und Indien.
Allerdings: Längerfristig rechnen die Analysten mit einem Rückgang der Kohleverstromung in China. Die Gründe sind ein Schiefergasboom ähnlich wie in den USA und ein verstärkter Umweltschutz.
Klimaschutz lohnt sich (noch) nicht
Standard and Poor's richtet gleichzeitig eine Warnung an Investoren: Wegen strengerer Vorgaben beim Klimaschutz könnten Rohstoffunternehmen weltweit einen Teil ihrer Kohlevorkommen nicht mehr fördern. Das investierte Geld wäre verloren.
Bisher allerdings merken die Rohstoffunternehmen von einem strengeren Klimaschutz nichts. Denn der EU-Zertifikatehandel bietet keinen echten Anreiz zur Einsparung von CO2-Emissionen. Mit Blick auf Europa ist in der Studie “Europe’s dirty 30” gar von einer "Renaissance der Kohle" die Rede. Dabei sind kaum mehr Kohlekraftwerke hinzugekommen. Vielmehr würden die bestehenden intensiver genutzt.
Die Studie zeigt außerdem, dass Deutschland im Vorjahr knapp 160 Terawattstunden Strom mit Kohlekraft erzeugt hat - die größte Menge seit der Wiedervereinigung. "Deutschland nutzt dabei mehr Kohle zur Energiegewinnung als andere EU-Länder", sagt Mona Bricke von der deutschen Klima-Allianz.
Es scheint paradox - im Land der Energiewende boomen die Kohlekraftwerke und die Emissionen steigen. Das hat wirtschaftliche und politische Gründe. Kohle und die CO2-Zertifikate sind nach wie vor günstig, Erdgas ist sehr viel teurer, obwohl der Bau eines Gaskraftwerks eher weniger kostet als ein Kohlekraftwerk.
Umfangreiche BraunkohlevorkommenTrotz der Klimaschutz-Bekenntnisse Deutschlands scheint ein Ausstieg aus der Kohle deshalb so schnell nicht in Sicht. Mit seinen großen Kohlevorräten könnte das Land theoretisch noch rund 200 Jahre auf den schmutzigen Energieträger setzen. Ganz konkret plant das Energieunternehmen Vattenfall neue Braunkohletagebaue in der Lausitz. Dort sollen fünf Ortschaften weichen (ganz nebenbei schaden Kohlekraftwerke nicht nur dem Klima, sondern durch ihren Schadstoffausstoß (z.B. Quecksilber) auch der Gesundheit).
Das alles steht in krassem Widerspruch zu den eindringlichen Warnungen der Klimawissenschaft. So heißt es im jüngsten Report des UN-Weltklimarates, dass 60 bis 80 Prozent der bekannten fossilen Rohstoffreserven im Boden bleiben müssten, damit das Zwei-Grad-Ziel überhaupt noch eingehalten werden könne.
Mehr noch: Die weltweiten Treibhausgas-Emissionen müssen sinken - bis 2050 mindestens um 50 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990. Dabei kommt es vor allem auf die Industrieländer an. Wenn es Deutschland und der EU mit dem Klimaschutz ernst ist, müssen sie schnell handeln – freuen kann sich über die gute Platzierung in der Schmutzfinken-Rangliste niemand.