Mit einer versteckten Software konnten VW-Fahrzeuge Testsituationen erkennen und die Abgaswerte herunterregeln. Defeat Device heißen solche Einrichtungen, wie sie die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA entdeckt hat.
Ähnliche Systeme scheinen auch bei der Elektronikbranche im Einsatz zu sein. Laut der britischen Zeitung "The Guardian" soll auch Samsung bei seinen Fernsehgeräten geschummelt haben. Konkret geht es um die sogenannte „Motion Lighting“-Technik, die den Stromverbrauch der Geräte senken soll. Das Öko-Feature sorgt dafür, dass die Bildschirm-Helligkeit automatisch reguliert wird, sobald das Gerät Bewegungen erkennt - anscheinend aber nur im Labor.
Wie eine Untersuchung der EU-finanzierten Arbeitsgruppe ComplianTV, die dem Guardian vorliegt, zeigt, regulierten die Fernseher ihren Stromverbrauch lediglich unter Laborbedingungen. Innerhalb einer Minute sei der Verbrauch im Prüfmodus schlagartig von 70 Watt auf 40 Watt gesunken. „Es scheint, als würden die Fernseher den Testmodus erkennen und ihren Verbrauch dementsprechend anpassen“, heißt es im zugehörigen Bericht. Im Alltag hingegen sei der Verbrauch unverändert hoch gewesen.
Während bei VW die Lenkräder still standen, während das Auto fuhr, sollen bestimmte Testvideos den TV-Geräten signalisiert haben, dass sie auf dem Prüfstand stehen. Um Fernseher weltweit vergleichen zu können, werden sie von der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (IEC) anhand eines Standardprogramms kontrolliert - ein immergleicher Mix aus TV-Shows, DVDs und Live-Übertragungen. In der Branche seien diese Testvideos schon lange bekannt - und inzwischen wohl in der Software mancher TV-Geräte verankert, wie Experten vermuten.
„Einige Fernseher erweckten den Eindruck, als ob sie den Standardfilm registrierten“, heißt es weiter im Bericht. Sobald das Testprogramm abliefe, reduzierten die Fernseher automatisch ihre Bildhelligkeit, um den Verbrauch zu reduzieren. Im Alltag hingegen, mit normalem Fernsehprogramm, sei keinerlei Verbrauchsminderung eingetreten. „Eine klare Maßnahme, um die zuständige Prüfkommission zu täuschen", kommentiert die Schwedische Energieagentur im Guardian.
Hersteller zeigt sich empörtIm Hause Samsung will man von dieser Anschuldigung nichts wissen. Scharf dementiert der Hersteller die Nachricht, er habe seine Fernseher bewusst manipuliert, um bessere Effizienznoten zu erhalten. „Es gibt keinerlei Vergleich zwischen dem, was bei VW passiert ist und unserer Technologie“, sagt ein Samsung-Sprecher dem Guardian. Die Motion-Lighting-Technik sei keine Einstellung, die sich nur unter Laborbedingungen aktiviere. Vielmehr sei sie ein gängiges Feature, das den Stromverbrauch automatisch reduziere, sobald das Gerät Bewegungen erkenne. Allerdings könne sie auch von Nutzern deaktiviert werden.
Die Europäische Kommission will die Vorwürfe in den kommenden Wochen prüfen. Schon jetzt verspricht sie, die Effizienzregularien zu verschärfen und sogenannte „Abschalteinrichtungen“, die Testmodi erkennen und den Verbrauch dementsprechend regulieren, zu verbieten. „Sollten sich der Verdacht der Manipulation erhärten, werden die Kunden ähnlich verärgert sein wie bei Volkswagen“, sagt Jack Hunter, Sprecher des Europäischen Umweltbüros.
Nicht nur Fernseher betroffenDie Ausgangssituation für Samsung ist dabei denkbar schlecht. Schon in der Vergangenheit optimierte der Hersteller sein Smartphone Galaxy S4 auf Test-Programme. Sogenannte Benchmarksoftware überprüfte damals die Leistung und Geschwindigkeit der Geräte. Wurde ein bestimmtes Programm auf dem Smartphone geöffnet, stieg die Leistung des Grafikprozessors auf Werte, die im alltäglichen Verbrauch undenkbar wären. Ein Trick, um die Fachwelt gezielt zu beeindrucken.
Welche Ausmaße eine Überführung hätte, zeigte sich bereits 2010 am Beispiel LG. Wie die Verbraucherorganisation Choice aufdeckte, stattete das südkoreanische Unternehmen seine Kühlschränke mit einem Mechanismus aus, der nur dann Energie sparte, wenn das Gerät eine Testsituation im Labor erkannte. Statt der angegebenen 738 Kilowattstunden im Jahr verbrauchte das Gerät im Alltag allerdings 876 Kilowattstunden. Bei einer Lebensdauer von zehn Jahren fielen somit knapp 170 Euro mehr an, als das Energiezertifikat versprach.
Nach Bekanntwerden des Skandals verdonnerte ein Gericht den Elektronik-Hersteller, jedem Kunden knapp 300 Euro Schadensersatz pro Gerät zu zahlen, um die Mehrkosten zu kompensieren. Hinzu kamen Bußgelder an die australischen Behörden, da dieser Mechanismus dort seit 2007 verboten ist. In Deutschland wurden keine der betroffenen Modelle verkauft.
Manipulation ist gängige PraxisDoch nicht nur Samsung und LG trimmten ihre Geräte auf Höchstleistungen unter Testbedingungen. In allen Branchen, bei fast allen Gütern, werden Prüfer seit Jahren von umsatzgetriebenen Unternehmen getäuscht. So wie bei Intel: Bereits 2000 soll der Technikgigant die Benchmarks der ersten Generation der Pentium 4-PCs manipuliert haben. Besonders brisant: Intel soll nicht nur die Leistung geschönt, sondern die Produkttest ihrer PCs gleich selbst durchgeführt haben.
Solche Manipulationen sind nicht immer verboten und deshalb interessant, da der Energieverbrauch von technischen Geräten auch zur Kaufentscheidung beiträgt. Werden sie bekannt, sind sie allerdings Gift für das Markenimage. Für Käufer lohnt es sich, im Vorfeld unabhängige Tests, etwa von Verbraucherorganisationen, anzuschauen.