Die neue WiWo App Jetzt kostenlos testen
Download Download

Schwerin Größter Akku Deutschlands geht ans Netz

… bisher stabilisieren vor allem Kohle- und Gaskraftwerke das deutsche Stromnetz. Die Herrschaft der Fossilen soll nun eine Großbatterie brechen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Ohne Stromspeicher ist die Energiewende zum Scheitern verurteilt. So jedenfalls lautet eine weit verbreitete Ansicht. Doch die ist ersteinmal ausgeräumt. Gestern veröffentlichte der Berliner Think-Tank Agora Energiewende einen Report, der das einfache Fazit zog: Für den Erfolg der Energiewende sind bis 2030 keine Speicher nötig. Eine kleine Einschränkung gab es allerdings: Schon heute können Großbatterien wirtschaftlich sinnvoll sein, schrieben die Autoren; nämlich, um die Netze zu stabilisieren.

Wie gerufen, um ihre These zu stützen, kommt da ein Pilotprojekt, das der Stromversorger Wemag zusammen mit dem Berliner Speicherspezialisten Younicos am heutigen Dienstag eingeweiht hat: Einen Riesenakku, der künftig Schwankungen im Stromnetz ausgleichen soll. Welche Bedeutung das Projekt hat, zeigt die Tatsache, dass Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) aufs platte Land reiste, um die Batterie feierlich in Betrieb zu nehmen.

Pilotprojekt mit RenditeUnd tatsächlich könnte die Großbatterie, an deren Steuerung und technischen Details Younicos seit Jahren feilt, Signalwirkung haben. Zwar werden schon weltweit größere Akkus eingesetzt, um erneuerbaren Strom zwischenzulagern. In Japan zum Beispiel speichert im Wind- und Solarpark Rokkasho-Futamata eine Batterie mit einer Leistung von 35 Megawatt den Grünstrom, wenn er nicht im Netz gebraucht wird. Steigt die Nachfrage, verkauft der Betreiber die Energie. In Europa ist die Wemag-Batterie mit einer Leistung von fünf Megawatt derzeit aber wohl einzigartig (über ein ähnlich großes  Projekt in Aachen haben wir kürzlich berichtet).

Das Besondere an dem Projekt in Schwerin ist aber nicht nur die Größe. Die Batterie soll auch Geld verdienen und damit beweisen, dass sich die Technik schon jetzt im Energiemarkt lohnt. Der Akku nimmt dafür an den Versteigerungen der Netzbetreiber für die sogenannte Primärregelleistung teil. Was auf den ersten Blick ziemlich dröge klingt, sorgt aber dafür, dass in Deutschland das Stromnetz nicht zusammenbricht und die Lichter in den Haushalten brennen.

Der Hintergrund: Die Netzbetreiber halten sich eine Art schnelle Eingreiftruppe an Kraftwerken, die einspringt, wenn plötzlich Strom fehlt. Die Eingreiftruppe wird regelmäßig in einer Ausschreibung ermittelt. Gezahlt wird aber nicht für eine Kilowattstunde, die ins Netz fließt, sondern für die Leistung, die theoretisch über einen Zeitraum von 15 Minuten verfügbar wäre, wenn das Netz Unterstützung braucht. In diesen Ausschreibungen will sich Wemag mit seiner Batterie jetzt gegen Kohlekraftwerke und Gasturbinen behaupten, die bisher das Gros der Eingreiftruppe stellen.

Die Wemag-Verantwortlichen meinen, dass die Batterie sehr viel schneller und präziser Schwankungen ausgleicht als die bisher eingesetzten Generatoren und fossilen Kraftwerke. Künftig, wenn immer mehr Sonnen- und Windkraftwerke am Netz sind, wird die schnelle Reaktionszeit immer wichtiger – außerdem werden weniger herkömmliche Kraftwerke zur Verfügung stehen, die das Netz stabilisieren. Im Umkehrschluss werden also mehr Speicher wie in Schwerin benötigt.

Künftig ohne FörderungÜber eine Laufzeit von 20 Jahren gerechnet soll der Akku "eine niedrige einstellige Rendite" für den Betreiber abwerfen, wie die Projektbeteiligten sagen. Rund 1,3 Millionen Euro hat aber auch die Bundesregierung zu dem Projekt dazugegeben und damit 20 Prozent der Projektsumme finanziert. Bei den derzeit rapide sinkenden Batteriepreisen könnten aber ähnliche Projekte künftig ohne Förderung auskommen, glauben die Verantwortlichen bei Younicos.

Während für ähnliche Großspeicher in Japan bisher vor allem Natrium-Schwefel-Batterien zum Einsatz kommen, hat Younicos für sein Projekt beim koreanischen Technikriesen Samsung rund 25.000 Lithium-Ionen-Speicher bestellt, wie sie normalerweise in Elektroautos stecken. Ingenieure haben sie zu einer Großbatterie verbunden. Die Lithium-Ionen-Technologie aus den E-Autos ist laut den Berlinern zwar anspruchsvoller in der Steuerung als andere Batterietechnologien. Aber da die Akkus mittlerweile in vergleichsweise hohen Stückzahlen in Autos verbaut sind, sinken ihre Kosten auch rapide.

Um für die gesamte Primärregelleistung in Deutschland auf Batterien umzurüsten und so von mit Diesel, Erdgas oder Kohle betriebenen Generatoren wegzukommen, wären allerdings rund 100 solcher Großakkus nötig. Dass die aber mittelfristig ans Netz kommen, ist laut den US-Analysten von Navigant Research gar nicht einmal unwahrscheinlich. Sie schätzen, dass die Leistung der weltweit zur Netzstabilisierung eingesetzten Speicher von heute rund 500 Megawatt bis 2024 auf mehr als 20.000 Megawatt ansteigt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%