Sklavenarbeit in der Garnelen-zucht Wie die Todes-Shrimps auf deutsche Teller kamen

In Thailand sterben für die Garnelenzucht Menschen. Die Shrimps landeten am Ende bei Aldi.

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Haben Sie in letzter Zeit Garnelen gegessen? Wenn diese aus Thailand kamen, dann könnte Ihnen gleich der Appetit vergehen. Journalisten der britischen Zeitung The Guardian haben Anfang der Woche aufgedeckt, dass für die Zucht der Tiere Menschen versklavt werden. Nicht auf den Shrimps-Farmen selbst, sondern auf den Schiffen, die Fische fangen, die als Mehl an die Krustentiere verfüttert werden (WiWo Green berichtete).

Vor allem Arbeiter aus Burma und Kambodscha müssen auf diesen modernen Sklavengaleeren bis zu zwanzig Stunden arbeiten, sie werden geschlagen und gefoltert. Manche berichten von Exekutionen an Bord. Wer schlapp macht, bekommt Drogen eingeflößt. Kapitäne verkaufen die Menschen für wenige hundert Euro auf andere Schiffe weiter.

Das alles ist schlimm, werden nun manche denken, aber weit weg. Ist es leider nicht.

Denn im Zentrum der Guardian-Recherchen steht das thailändische Unternehmen Charoen Pokphand Foods (CPF). Es ist der größte Betreiber von Shrimpsfarmen in Thailand und das größte Lebensmittelunternehmen des Landes. Laut Guardian kaufte es massenhaft Fischmehl von den Sklavenschiffen, um die Shrimps in seinen Aquakulturen zu füttern.

Shrimps könnten nicht nur bei Aldi gelandet seinCPF lieferte seine Ware auch an mindestens ein deutsches Unternehmen, nämlich Apetito Convenience. Das wiederum packte die Tiere in tiefgekühlte Fertigpasta-Gerichte (Spaghettinester mit Garnelen in Weißweinsoße und Kräuter-Knoblauchöl), die Aldi Nord im Sortiment hat, wie der Discounter am Mittwoch bestätigte.

Apetito Convenience, ein Hersteller von Fertiggerichten mit Sitz in Hilter (Emsland, Niedersachsen), gehört zur Unternehmensgruppe Apetito. Und die ist wiederum eines der Schwergewichte der deutschen Foodbranche mit einem Umsatz von 733 Millionen Euro im Jahr 2012 und knapp 9000 Mitarbeitern weltweit.

Wie viele Produkte sind wirklich betroffen?Apetito gilt als Pionier im Bereich der Fertigmahlzeiten und brachte das Catering nach Deutschland. Heikel ist: Der Konzern beliefert deutschlandweit auch Schulen, Universitäten, Kitas, Krankenhäuser und viele weitere Einrichtungen. Apetito versorgt jeden Tag allein 275 000 Kindergarten- und Schulkinder mit Tiefkühlkost, die selten teurer als drei Euro ist.

Zur Unternehmensgruppe gehört außerdem der Hersteller von tiefgekühlten Fisch- und Meeresprodukten Costa aus Emden in Niedersachsen.

Sind also nicht nur die Pastagerichte bei Aldi mit Garnelen aus Thailand verkauft worden? Apetito verneint das auf Anfrage. Die CPF-Garnelen seien 2013 in Thailand nur für eine Sonderaktion bestellt und nur in Produkten für Aldi Nord verwendet worden. Die betroffenen Pastagerichte würden inzwischen nicht mehr hergestellt. Im Handel seien nur noch "Restmengen". Außerdem seien im Jahr 2012 Mitarbeiter von Apetito in Thailand gewesen, um die Farmen und Verarbeitungsstätten in Augenschein zu nehmen. Zu beanstanden war offensichtlich nichts.

Ob neben Apetito weitere Unternehmen in Deutschland von CPF Garnelen bestellten, ist bisher nicht bekannt.

Carrefour setzt Zusammenarbeit ausInzwischen hat laut dem Schweizer Tagesanzeiger der französische Supermarktriese Carrefour die Lieferbeziehungen mit CPF ausgesetzt.

"Als Vorsichtsmaßnahme hat sich Carrefour entschieden, sofort sämtliche direkten oder indirekten Einkäufe von dieser Firma zu stoppen, bis Licht in die Situation gebracht worden ist", schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung.

Auch CPF selbst will nun reagieren. Die Probleme mit den Fangschiffen waren dort wohl schon leit längerem bekannt. Zur Not werde man ab 2021 "alternative Proteinquellen in der Garnelenzucht nutzen", sagten Unternehmensvertreter gegenüber dem Guardian.

Auch Aldi will gegenüber Apetito handeln. Das Unternehmen schreibt in einer E-Mail an WiWo Green: "Sollten sich die erhobenen Vorwürfe bestätigen, werden wir umgehend Sanktionen einleiten. Diese können die Auslistung des betreffenden Produkts aus unserem Sortiment, den Wechsel der Rohwarenlieferanten sowie die Beendigung des Geschäftsverhältnisses mit dem direkten Lieferanten umfassen."

Deutsches Unternehmen bescheinigte CPF saubere ArbeitAber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Sowohl Aldi Nord als auch Apetito verweisen darauf, dass die Garnelen von Charoen Pokphand Foods  zertifiziert gewesen seien. Und zwar von GLOBALG.A.P.

Dabei handelt es sich um ein in mehr als 100 Ländern tätiges Unternehmen mit Sitz in Köln, das auf seiner Webseite schreibt:

"GLOBALG.A.P. ist der weltweit führende Standard für die landwirtschaftliche Unternehmensführung, der die Bedürfnisse der Verbraucher auf die Gute Agrarpraxis überträgt." Und weiter: Der Standard sei eine Garantie dafür, dass die Kunden "ein Qualitätsfischprodukt aus zertifizierter Aquakultur gekauft haben".

Die Kölner bescheinigen unter anderem auch Garnelen aus Aquafarmen ein gutes Gewissen. Dabei soll garantiert sein, dass gesetzliche Vorschriften zu "Lebensmittelsicherheit, Arbeitsschutz und -sicherheit, Tierschutz sowie Umweltschutz und ökologische Verantwortung" eingehalten werden.

Lieferketten zu komplex?Auf Anfrage von WiWo Green bestätigt das Unternehmen, dass "ein kleiner Teil der Betriebe die zur CP Unternehmensgruppe gehören, GLOBALG.A.P. zertifiziert sind." Wie diese mit den Anschuldigungen in Zusammenhang stünden, werde derzeit geprüft.

An den Arbeitsbedingungen auf den CPF-Fischfarmen selbst hatten die Kölner nach eigener Aussage nichts zu beanstanden. Für den Zertifizierungsprozess verfolgen sie das Produkt von der Herstellung (also der Farm) bis zum Verpackungsstandort.

Die Kölner geben aber zu: Die Lieferanten für Fischmehl müssen zwar eine Lizenz zum Fischen und eine staatliche Zulassung haben. "Eine weitere Überprüfung der Zulieferer ist aber nicht Teil des Standards."

Die Mitarbeiter von Apetito wiederum, so schreibt es das Unternehmen in einer Stellungnahme, hatten auf die Überprüfung des Fischmehls bei ihrem Besuch in Thailand im Jahr 2012 verzichtet, weil dieses schließlich von GLOBALG.A.P. zertifiziert worden sei.

Sprich: Um das allerletzte Ende in der Lieferkette für die Shrimpsproduktion kümmerte sich niemand. Die Sklavenboote, die teils in internationalen Gewässern operieren und ihre blutige Ware an CPF verkauften, fielen aus dem Raster.

Um Skandale wie den aktuellen zu vermeiden, will Aldi Nord künftig verstärkt auf mit dem Aquaculture Stewardship Council-Siegel zertifizierten Fisch setzen. Das soll garantieren, dass Fischfutter bis zum Ursprung "lückenlos" zurückverfolgt werden kann. Außerdem sollen mit dem ASC-Siegel ausgezeichnete Hersteller Futtermittelproduzenten bevorzugen, "die öffentlich nachweisbar eine verantwortungsbewusste nachhaltige Einkaufspolitik betreiben".

Ob das wirklich etwas bringt?

Wohl eher nicht. Denn was der aktuelle Fall sehr deutlich zeigt: Die Lieferketten in einer hyperglobalisierten Welt sind so komplex und kleinteilig geworden, dass die Unternehmen mit einer funktionierenden Kontrolle dessen, was sie verkaufen, zunehmend überfordert sind – allen guten Worten, Versprechungen, Siegeln und Zertifizierungen zum Trotz.

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