Solartechnik Wie Innovationen die Energiebranche verändern

Die Photovoltaik-Technik hat in den vergangenen Jahren gewaltige Sprünge gemacht – aber das ist erst der Anfang. Ein Gastbeitrag.

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Eicke R. Weber leitet das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg.

Die Energiewende in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Fast ein Drittel des verbrauchten Stroms im Land liefern inzwischen Erneuerbare-Energien-Anlagen. Und dennoch diskutieren Politiker und Medien immer wieder darüber, ob die Förderung besonders der Solarindustrie durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) richtig war.

Häufig ist das Argument zu hören, die attraktiven Einspeisetarife hätten die Hersteller von Solaranlagen nur träge gemacht, ohne zu wirklichen technischen Innovationen zu führen. Die Folge: Die Branche habe nur unterdurchschnittliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung getätigt.

Die Wirklichkeit ist sehr weit von diesen Vorurteilen entfernt. Das EEG war unerwartet erfolgreich, denn es führte zu einem vollkommen unerwarteten Marktwachstum mit schier unglaublichen Kostenreduktionen. Diese basierten auf den kontinuierlichen Innovationsschüben in der Produktion der Solarzellen.

Erinnern wir uns: Im Jahr 2003 kosteten PV-Module aus kristallinem Silicium rund 3,50 Euro pro Peak-Watt (Wp) installierte Leistung. Für ein komplett installiertes PV-System mit Wechselrichter mussten Verbraucher mit mehr als fünf Euro pro Peak-Watt rechnen.

Konkurrenz der TechnologienNur ein Einspeisetarif von mehr als 50 Eurocent pro Kilowattstunde ergab eine attraktive Rendite für Investoren und Hausbesitzer, die langsam begannen Solarsysteme zu installieren.

Viele PV-Hersteller kamen neu in den rasch wachsenden Markt. Die Technologien reichten vom Standard mit kristallinem Silicium (c-Si) bis zu einem Spektrum von Dünnschicht-Technologien aus amorphem Silicium (a-Si), Cadmium-Tellurid (CdTe) oder einer komplexen Mischung aus Kupfer, Gallium, Indium, und Selenium (CIGS) und Variationen davon.

Die Standard-Technologie besteht bis heute aus kristallinem Silicium mit siebgedruckten Silber-Kontakten auf der Vorderseite sowie einer vollflächig mit Aluminium bedeckten Rückseite.

Die Stromausbeute der Dünnschicht-Module war deutlich geringer als die der herkömmlichen Module. Aber dies wurde durch günstigere Produktionskosten meist gut kompensiert, so dass die Kosten pro Peak-Watt und daher die Kosten des Solarstroms vergleichbar waren; oft mit einem Preisvorteil für die Dünnschicht-Technologie.

Allerdings benötigen Anlagenbetreiber für diese Technologie wegen der geringeren Effizienz größere Flächen, so dass Dünnschicht-Module besonders auf großen Freiflächen zum Einsatz kamen.

Deutsche Nachfrage schafft MarktwachstumDie Jahre von 2003 bis 2009 brachten ein außerordentliches Wachstum des Weltmarkts, wesentlich getrieben durch den PV Markt in Deutschland. Dies führte dazu, dass nicht nur die deutschen PV-Hersteller weltführend wurden, sondern besonders auch die Ausrüstungsindustrie, die neue PV-Fabriken oft schlüsselfertig übergab.

Seit 2006 begann dann ein neuer Spieler im Weltmarkt mitzumischen: Die chinesische Regierung hatte für ihren 11. Fünfjahresplan (2005 bis 2010) beschlossen, dass die direkte Ernte von Sonnenstrom von strategischer Bedeutung für das bevölkerungsreichste Land der Erde ist – eine Entscheidung, die so weder in Deutschland noch der EU jemals getroffen wurde!

Um rasch eine eigene PV-Industrie aufzubauen, wurden erhebliche Investitionsmittel in Form von Krediten und Kredit-Garantien bereitgestellt. Experten gehen von rund 30 Milliarden US-Dollar aus. Sie erleichterten entschlossenen Unternehmern in China, rasch große PV-Produktionsanlagen aufzubauen.

Die Unternehmer kauften die Anlagentechnik für die Fabriken dabei zu einem erheblichen Teil in Europa und überwiegend Deutschland. Mehr als die Hälfte der chinesischen Investitionsmittel flossen in die EU! Die fertigen Solarmodule wurden wiederum dort abgesetzt, wo Investitionen in PV rentabel waren: in Deutschland wie auch in Italien.

Effizienz steigt rasantDies führte in Kombination zu einem unerwartet raschen Wachstum der global installierten Solarleistung. Die Innovationen, die in diesen Jahren in diesem Feld stattfanden, wurden wesentlich von Forschungsinstituten in Zusammenarbeit mit Anlagenherstellern erarbeitet und zügig in die Produktion umgesetzt.

Diese Innovationen machten es möglich, die Effizienz von Solarzellen von rund 13 Prozent auf mehr als 19 Prozent zu steigern. Sogar mit dem preisgünstigen multikristallinen Silicium wurden mehr als 18 Prozent erreicht. Das führte zu einer drastischen Kostensenkung bei Solarstrom.

In den Jahren 2003 bis 2007 überstieg die Nachfrage sogar das Angebot an Solarmodulen, so dass die Preise selbst bei zunehmenden Einsparungen in den Produktionskosten stabil blieben; hinzu kam eine Verknappung des Solarsiliciums. Auch dieser Effekt schloss Preissenkungen aus.

Das hatte zur Folge, dass in dieser Zeit die Forschung an verbesserten Solartechnologien stürmisch weiterging. Diese wurde nun zunehmend auch von PV-Herstellern getragen, die sich große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zulegten.

Ab etwa 2009 machte sich das große Produktionsvolumen der chinesischen PV-Hersteller schließlich bemerkbar.

Die Verkaufspreise fielen in einem von zunehmenden Überkapazitäten geprägten Markt unter die langjährige Preis-Erfahrungskurve und sogar unter die Herstellungskosten vieler Produzenten. Große Lagerkapazitäten wurden in ‚fire sales’ verkauft, ohne Rücksicht auf die Herstellungskosten.

Diese Entwicklung stellte besonders die Hersteller der Dünnschichttechnologien vor große Probleme: Die niedrigere Effizienz wurde nicht mehr durch niedrigere Preise aufgewogen. Heute sind Dünnschicht-Module praktisch vom Markt verschwunden. Neue Technologien, wie Dünnschichtmodule aus einer Mischung aus Kupfer, Gallium, Indium, und Schwefel (CIGS) Module zeigen durchaus mit konventionellen Silicium-Modulen vergleichbare Spitzeneffizienzen. Diese befinden sich aber noch im Entwicklungsstadium und werden noch nicht im Markt angeboten.

Verdoppelung des Zubaus bis 2020Mit dem Kollaps der Preise wurden viele existierende Produktionslinien zunehmend unwirtschaftlich. Die PV-Produzenten hatten mehr als zehn Jahre lang durch immerwährende Innovationen, die zu den beschriebenen Effizienzsteigerungen führten, die Produktionskosten drastisch gesenkt, aber die Überkapazitäten brachten einen zusätzlichen Preisschub nach unten, der oft nicht mehr aufzufangen war.

Es kam zu Insolvenzen weltweit, auch in China. Nur wenige Firmen konnten in Deutschland durch frisches Kapital – oft aus dem Ausland – gerettet werden.

Aktuell befinden wir uns in einer neuen Phase des raschen Wachstums. Treiber sind die unglaublich niedrigen Kosten für Solarstrom. In Deutschland kostet die Kilowattstunde derzeit im Schnitt rund zehn Cent; in sonnenreichen Ländern mit doppelter Sonneneinstrahlung liegen die Kosten bei der Hälfte.

Für 2015 rechnen unsere ISE-Experten mit einem Zubau von Solaranlagen mit einer Leistung von 50 Gigawatt (GWp). 2020 könnte der jährliche Zubau schon mehr als das doppelte Volumen erreicht haben und 2025 könnten es vielleicht bereits 300 Gigawatt sein.

Um 2050 zehn Prozent des globalen Energiebedarfs durch Solaranlagen mit Stromgestehungskosten von etwa zwei bis drei Cent zu decken, werden kumulierte Installationen von über 10.000 Gigawatt nötig sein. Das stellt aber nur eine untere Grenze dar.

Weltraumtechnik erzeugt Strom auf der ErdeDieser zu erwartende Zubau geht mit einem weiteren Innovationsschub einher: In den vergangenen Jahren wurde ein Portfolio neuer, auf Silicium basierender PV-Technologien entwickelt, die Experten mit Abkürzungen wie PERC, MWT, IBC und HJT beschreiben.

Sie erlauben weitere Kostensenkungen und Effizienzerhöhungen in den künftigen, Gigawatt-skaligen und hochautomatisierten Produktionsanlagen, deren Technik europäische Unternehmen und Forscher entwickelt haben.

Gleichzeitig wurde mit der Entwicklung der konzentrierenden PV eine weitere Tür zu noch bedeutend höheren Effizienzen aufgestoßen, ohne im Vergleich mit den herkömmlichen Zellen höhere Kosten.

Auf einer Scheibe aus Halbleitermaterial wird bei der konzentrierenden PV ein System aus vielen dünnen Schichten abgeschieden. Drei, vier oder mehr aktive Schichten absorbieren die verschiedenen Farben des Sonnenspektrums. Da derartige Scheiben nur sehr kostenaufwändig herzustellen sind, wurde diese Technik für den Weltraum entwickelt: Weil sie vergleichsweise leicht ist, lohnt ihr Einsatz sich dort.

Für terrestrische Anwendung lohnt es sich aber, aus einer derartigen Scheibe hunderte kleine Solarzellen zu sägen, circa zwei Mal zwei Quadratmillimeter groß, und auf diese die Sonnenstrahlen zu konzentrieren.

Mit dieser Technologie haben wir am ISE einen neuen Weltrekord von 46 Prozent Konversionseffizienz (also die Menge an Energie im Sonnenlicht, die in Strom umgewandelt wird) erreicht und erwarten weitere Verbesserungen der Effizienz und Senkungen der Kosten in naher Zukunft.

PV ist ein Lehrbuch-Beispiel für KostensenkungNeben diesen Technologien gibt es noch ein weites Spektrum neuer PV-Technologien, die es noch nicht in Megawatt-Mengen in den Markt geschafft haben. Dazu zählen organische Solarzellen, Farbstoff-Solarzellen oder Solarzellen aus den vielversprechenden Perovskiten.

Auch an diesen Technologien forschen Wissenschaftler intensiv. Aber diesen aufstrebenden Technologien wird es schwer fallen, mit dem sich beschleunigenden Expresszug der auf Silicium basierenden PV-Technologien mitzuhalten, die Unternehmen und Forscher, wie weiter oben beschrieben, intensiv weiterentwickeln.

Basierend auf den heute genutzten Technologien kam eine von der Berliner Stiftung AGORA Energiewende initiierte Studie des ISE zu dem Schluss, dass wir im Jahr 2050 Stromgestehungskosten der PV in Deutschland von drei Cent pro Kilowattstunde erreichen können – Kosten, die von alternativen Stromerzeugungs-Techniken schwer zu unterbieten sein werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die weltweite Entwicklung der PV-Technologien in den vergangenen 15 Jahren ein Lehrbuch-Beispiel dafür ist, wie Kostensenkungen erreicht werden können. Nämlich erstens durch das Zusammenspiel einer leistungsfähigen Forschungslandschaft mit einem rasch wachsenden Markt, der zweitens durch wirksame Marktanreize gefördert wurde, die den Wettbewerb der Technologien und Firmen beschleunigten.

Natürlich gibt es Gewinner und Verlierer, wie zum Beispiel auch im heftig umkämpfen Automobilmarkt der 1920er-Jahre. Aber die Verbraucher auf der ganzen Welt, die vom Erfolg von Forschung, Entwicklung und Markteinführung profitieren, sind immer auf der Gewinnerseite, bei Automobilen wie in der Photovoltaik.

Die Frage bleibt allerdings, ob unsere mittlerweile zögerliche Politik in Bezug auf den Ausbau der erneuerbaren Energien dazu führt, dass Deutschland im Wettbewerb der Technologien, Märkte und Produzenten den Anschluss verliert? Nach beträchtlichen Investitionen würden wir damit die Ernte der Früchte anderen überlassen.

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