Sonnenschutz Hier kommt die modernste Jalousie der Welt

Eine neue Jalousie aktiviert sich von selbst und braucht keinen Strom – dank Metallen mit Erinnerungsvermögen.

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Die Sonne sorgt eigentlich dafür, dass sich Bürohäuser mit großen Glasflächen aufheizen wie ein Gewächshaus. Jetzt haben Fraunhofer-Forscher und Christiane Sauer, Professorin an der Weißensee Kunsthochschule in Berlin, aber eine Art Jalousie aus Textilfasern entwickelt, die die Kraft der Sonne nutzt, um Gebäude kühl zu halten.

Das Fassadenelement ähnelt, wenn die Sonne scheint, einem Schleier aus kleinen aufgespannten Regenschirmen (siehe Aufmacherbild). An kühlen Tagen, wenn die Sonne hinter Wolken verschwunden ist, klappen sie automatisch ein. Gesteuert werden die Elemente von Drähten aus Gedächtnismetall.

Die Drähte haben eine faszinierende Eigenschaft: Erwärmen sie sich, erinnern sie sich gewissermaßen an ihre ursprüngliche Form und ziehen sich zusammen. Dabei spannen sie die kleinen Schirme auf. Kühlen die Drähte ab, dehnen sie sich wieder aus, der Sonnenschutz verschwindet.

Sonnenschutz ersetzt Klimaanlage

„Wenn Gestalter und Wissenschaftler zusammenarbeiten, lassen sich zukunftsweisende Wege für intelligente Gebäudehüllen erschließen“, sagt Sauer, die das Fachgebiet Textil- und Flächen-Design leitet. Den technischen Beitrag leistete ein Team um André Bucht vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU) in Dresden.

„Man kann sich das Fassadenelement als Membran vorstellen, die sich den tages- und jahreszeitlichen Witterungsbedingungen anpasst und für jeden Sonnenstand den optimalen Schatten bietet“, sagt Bucht. Der automatische Sonnenschutz ersetzt die Klimaanlage im Optimalfall oder unterstützt sie effektiv. Er wird außen an der Fassade angebracht oder, die elegantere Lösung, im Zwischenraum von Mehrscheiben-Fensterglas.

Erste Prototypen in der Entwicklung

Für die Klimatisierung und das Heizen von Gebäuden gehen rund 40 Prozent des gesamten deutschen Energieverbrauchs drauf. Wie viel die neue Abschattung einspart, ist aber noch offen. Bisher fehlen Langzeittests.

Die Elemente lassen sich ganz nebenbei zur Fassadengestaltung nutzen und in beliebigen Formen und Farben fertigen.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler zusammen mit Industriepartnern Prototypen entwickeln und an einem Einfamilienhaus sowie am Institutsgebäude testen. „Unter anderem müssen wir die textilen Elemente so stabil konstruieren, dass sie allen Witterungsbedingungen standhalten«, beschreibt Bucht die anstehenden Forschungsarbeiten. Geplant sind sowohl Versionen für den Neubau als auch Nachrüstmodule für Altbauten.

Bisher leisten thermo- oder elektrochrome Gläser eine ganz ähnliche Verschattungsarbeit wie die Gedächtnis-Jalousie. Dabei handelt es sich um spezielle Beschichtungen im Inneren eines Mehrscheibenglases, die sich verdunkeln, wenn sie erwärmt oder an eine elektrische Spannung gelegt werden. Eine weitere Alternative, um die Sonnewärme aus dem Gebäude zu halten, sind schlichte Jalousien, die per Motor bewegt und von Sensoren gesteuert werden.

Obwohl es wohl noch bis Mitte 2017 dauert, bis die Fassadenelemente mit den Gedächtnisdrähten serienreif sind, planen die Forscher schon jetzt Zusatzfunktionen. Die Elemente könnten aus einem Werkstoff hergestellt werden, der Wärme speichert und nach Sonnenuntergang abgibt, um die Heizung zu entlasten. Oder sie könnten aus organischen Solarzellen gefertigt werden, die Strom für das Bürogebäude erzeugen.

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