Albanien ist in vielerlei Hinsicht ein isoliertes Land am Südost-Zipfel Europas. Wenige Bewohner sprechen Englisch, es existieren kaum internationale Handelsbeziehungen, ausländische Touristen verirren sich selten dorthin.
Das Designer-Paar Pezana Rexha und Laert Beshiri passt allerdings nicht ins Raster. Die beiden sprechen fließend Englisch, haben zahlreiche Kontakte in die USA und eine Idee, wie sie Albanien zumindest ein klein wenig verändern wollen: mit ihrem Upcycling-Startup „Design By Pana“.
Soziales und Ökologisches verbinden
Upcycling – das ist Gestaltung mit Abfällen: Die Architektin Rexha und der Webdesigner Beshiri bauen Stühle, Tische und Regale aus gebrauchten Paletten, Lampen aus Fahrradreifen und Deko-Gegenstände aus Konservengläsern. Hinzu kommt bei „Design By Pana“ ein sozialer Aspekt: Rexha und Beshiri beschäftigen Rentner und arbeitslose, aus den Nachbarstaaten zurückgekehrte Flüchtlinge.
Wir treffen die Zwei in ihrer Pana-Design-Fabrik, einer rund 500 Quadratmeter großen Lagerhalle, in der sich Paletten stapeln. Am Eingang schreinern fünf Männer in verstaubten Jeans Stühle und Tische aus hellem Holz.
Rexha und Beshiri wollten schon länger Soziales und Ökologisches in einem Architektur- & Designbüro verbinden. Zuvor arbeiteten sie über Online-Plattformen wie elance.com als Designer für Auftraggeber aus den USA und verdienten für albanische Verhältnisse gute Gehälter.
2013 entwickelten sie die Idee der Upcycling-Fabrik und gewannen prompt zwei Preise. Im November vergangenen Jahres gründeten sie dann ihr Startup. Ihre Materialien bekommen sie günstig oder kostenlos.
Engagement für die "die gute Sache" kein Kaufargument
„Die meisten Designs machen wir aus Dingen, die wir von Baufirmen oder Privatpersonen erhalten. Wir verwenden auch alte Schulstühle, Fahrradreifen, und was sonst bei uns abgegeben wird. Wir haben viele Leute, die uns Schrott bringen“, erzählt die Innenarchitektin Rexha.
Auf der Fahrt durch Tirana führt die Designer in den Bio-Smoothie-Laden „Twist“, für den sie die Gestaltung übernommen haben: die Außenfassade ist aus Palettenteilen gemacht, sowie sämtliche Schilder, Hocker, Tische und die Theke – die Holzverkleidung gibt dem kleinen Shop einen alternativen, frischen Öko-Stil.
Weiter geht es zu einem italienischen Restaurant. Dort sind Tische und Stühle aus Paletten gebaut – gemeinsam mit den Holzrahmen an der Wand und den Glasflaschen auf dem Tisch sieht es edel aus, obwohl alles aus schon einmal gebrauchten Materialien besteht.
Die Kunden bezahlen für „Design By Pana“ weniger als für vergleichbare Einrichtungsgegenstände, da keine Materialkosten anfallen. Der günstige Preis ist gleichzeitig das beste Verkaufsargument. „Die wenigsten unserer Kunden kaufen bei uns, weil wir ein soziales Business sind“, sagt Rexha. „Das Bewusstsein dafür fehlt noch.“
Mülltonne Europas
In Deutschland ist Upcycling nichts Neues, den Begriff des Raumausstatters Reiner Pilz gibt es seit 20 Jahren. In Albanien hat bisher aber kaum jemand von Upcycling gehört, der Alternative zum Recycling.
Dabei liegen in dem Land Unmengen an Abfällen auf wilden Müllkippen und Schrotthaufen. Albanien importiere sogar Müll zur Weiterverarbeitung aus anderen Ländern wie Italien, klagt das albanische Umweltministerium. Fachgerecht entsorgt werden sie aber selten.
Ideen für eine sinnvolle Weiterverwertungen der Abfälle sind also notwendig und nützlich. Zwar kann das Upcycling von Rexha und Beshiri wenig gegen den Müllberg selbst anrichten – aber immerhin kann es bei den Bürgern ein Bewußtsein für das Problem schaffen.
Hinzu kommt, dass die zwei Designer mit der Fabrik bezahlte Arbeitsplätze für marginalisierte Gruppen bieten - in einem Land, in dem die Jobsuche selbst für Hochqualifizierte ausgesprochen schwierig ist.
Startup-Szene in den Anfängen
„Die Arbeitslosigkeit hier in Albanien ist hoch, aber keiner weiß genau, wie hoch, weil sich die Regierung dazu nicht eindeutig äußert", sagt Pezana Rexha. „Ich schätze, sie liegt um die 50 Prozent. Daher wollen wir mit unserem Projekt Menschen eine Tätigkeit geben.“
Albanien gehört nach Angaben des Auswärtigen Amtes zu den ärmsten Ländern Europas. Noch immer ist die albanische Wirtschaft eine der am wenigsten entwickelten auf dem Kontinent, auch wenn sich seit dem Sturz des kommunistischen Regimes 1998 in puncto Marktwirtschaft viel getan hat.
Auch Gründer haben es ausgesprochen schwer. „Erst in den vergangenen zwei Jahren entstanden in Albanien die Anfänge einer Startup-Szene“, erklärt Celik Nimani, Herausgeber von digjitale.com, einem Blog über die Gründer-Szene des Balkans. „Aber sie ist selbst im Vergleich zu den Nachbarländern Kosovo und Mazedonien sehr klein. Es kommt nur alle paar Monate vor, dass wir von etwas Neuem berichten können.“
Exportziel USA
Albanien brauche mehr Geld aus Privatinitiativen, um in Schwung zu kommen, sagt Nimani. Bisher gebe es nur Nichtregierungsorganisationen, die Fördertöpfe anbieten. Davon hat auch „Design by Pana“ profitiert. Außerdem wären mehr Startup-Treffen sinnvoll, um Vernetzung herzustellen, sagt der Blogger. „Noch hat es noch kein Startup geschafft, ausländische Investitionen zu erhalten oder nach Westeuropa oder die USA zu exportieren.“
Rexha und Beshiri haben allerdings große Ambitionen. Ersteinmal geht es ihnen darum, in Albanien mehr Bewusstsein für Ökologie und soziale Arbeitsmodelle zu schaffen. Doch langfristig wollen sie ihr Geschäft international ausbauen.
Der Traum: In Tirana eine große Fabrik führen, von der aus sie die Welt mit albanischen Upcycling-Designstücken beliefern. „Einige Holzflugzeuge und -taschen haben wir bereits in die USA verkauft“, sagt Pezana Rexha. Immerhin, ein erster Schritt.