Strom aus dem Klo Ein Abwassersystem macht aus Fäkalien Energie

Produktive Fäkalien: Eine Hamburger Siedlung wandelt die Ausscheidungen seiner Bewohner zu Strom und Wärme um.

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Die Menschen, die das Hamburger Neubauviertel "Jenfelder Au" künftig bewohnen, werden ihre Ausscheidungen zwar nicht wie Alchimisten direkt zu Gold machen. Doch je häufiger sie das stille Örtchen besuchen, desto mehr Energie produzieren sie, genauer gesagt, eine Biogasanlage nebenan. Sie wandelt Fäkalien in Strom und Wärme um.

Der örtliche Versorger "Hamburg Wasser" hat den Hamburg Water Cycle (HWC) entwickelt, der Abwasserströme produktiv nutzt. Raffiniert kombiniert und nutzt HWC High-Tech-WCs sowie eine getrennte Abwassersammlung aus Grauwasser, Schwarzwasser und Regenwasser, um Energie selbst herzustellen.

So soll das Viertel, in dem bis zu 2.000 Einwohner in 700 Wohneinheiten leben werden, bis zu 40 Prozent seines Wärme- und bis zu 50 Prozent seines Strombedarfs selbst decken, zudem ohne die Umwelt zu belasten. Denn in Fäkalien steckt nur Kohlendioxid, das letztlich aus der Luft stammt.

Wie also funktioniert das System?

Eines der drei Abwassersysteme fängt das praktisch unverschmutzte Regenwasser ein, das ohne Reinigung in den neu angelegten Kühnbachteich und von dort nach und nach in einen nahe gelegenen Vorfluter geleitet wird. Der Teich dient auch zur Verbesserung des Mikroklimas, denn Wasser, das verdunstet, kühlt die Luft.

Das zweite Rohrsystem sammelt Grauwasser, das aus Bädern, Küchen und Waschmaschinen stammt. Dieses wird gereinigt und ebenfalls in den Vorfluter geleitet. Man könnte das gereinigte Grauwasser auch für die Toilettenspülung benutzten. Doch die dort installierten WCs verbrauchen so wenig Wasser, dass sich ein weiteres Leitungsnetz nicht lohnt.

Das Kernstück sind die Vakuumtoiletten. Anders als herkömmliche Klos verbrauchen sie sehr viel weniger Wasser - pro Spülgang allenfalls 1,5 Liter. In der Schüssel befindet sich ein kleiner Abfluss, der im Normalfall geschlossen ist. Beim „Abziehen“ fließt etwas Wasser ein. Sekunden später öffnet sich der Abfluss. Unterdruck wie im Flieger saugt es einschließlich der Fäkalien ins so genannte Schwarzwassernetz.

Schließlich landen die Ausscheidungen mitsamt der Absaugluft in der Biogasanlage, wo sie in Strom und Wärme umgewandelt werden. Das Biogas wird in Motoren verfeuert, die Generatoren zur Stromerzeugung antreiben. Die Abwärme erhitzt Wasser, das zum Heizen oder als Brauchwasser genutzt wird. Zum Glück wird die Luft abgetrennt und von Gerüchen befreit, sodass die Bewohner befreit atmen können.

Die Vorzeigesiedlung könnteenergieautark werden

Durch Nutzung von Erdwärme und Solarthermie sowie Photovoltaik könnte ein solcher Wohnkomplex energieautark werden, vor allem dann, wenn man zusätzlich sommerliche Wärmeüberschüsse in Absorptionskälteanlagen zur Klimatisierung der Häuser nutzen würde.

Weil die Investitonskosten deutlich über denen einer konventionellen Entwässerung liegen, ist die Wirtschaftlichkeit nicht von vornherein gesichert. Sie hängt etwa davon ab, wie das eingesparte Kohlendioxid kostenmäßig gewertet wird. Es wird allemal umso wirtschaftlicher, je kräftiger die Preise für Strom und Wärme steigen.

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