TTIP So ändert das Freihandelsabkommen unsere Umweltstandards

Investorenschutz und Vorfahrt für Unternehmen: TTIP droht, Umweltstandards aufzuweichen.

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Abgeschottete Verhandlungen, Gerüchte als einzige Informationsquelle: Die TTIP-Verhandlungen stehen nicht zuletzt wegen ihrer Intransparenz in der Kritik. Das Freihandelsabkommen ist ein Projekt von Politik und Wirtschaft, mindestens 2,3 Millionen EU-Bürger würden gegen TTIP stimmen - wenn sie es denn dürften.

Jenseits von der Debatte um Schiedsgerichte und Chlorhühnchen hat das Abkommen auch handfeste Auswirkungen auf den allgemeinen Umweltschutz und die Green Economy. Genau diesen Einfluss haben Andreas Burger und Astrid Matthey nun mit einem Positionspapier des Umweltbundesamtes eingeordnet.

Allgemein zusammengefasst: Mit TTIP sollen Handelsbarrieren wegfallen und Standards, die sich zwischen den USA und der EU unterscheiden, durch sogenannte regulatorische Kooperationen vereinheitlicht werden. Doch gerade die Umweltregulierung sind in den USA und der EU teils sehr unterschiedlich.

Diese Regulierungen und Gesetze sind es aber, die die Green Economy maßgeblich beeinflussen. In manchen Bereichen, wie zum Beispiel bei den Anforderungen an die Energieeffizienz von Elektromotoren, einigen Luftqualitäts- und Abgasstandards, sind die beispielsweise die US-Regeln anspruchsvoller. In vielen anderen Fällen sind hingegen die EU-Standards strenger.

Das Umweltbundesamt listet dazu einige Beispiele:

  • Fracking

    Während in Deutschland die Regulierung von Bergbauaktivitäten durch das vergleichsweise strenge Wasserhaushaltsgesetz organisiert wird, ist es ungleich einfacher, in den USA Genehmigungen für die Schiefergasförderung zu erlangen.
  • Nanomaterialien

    Hier unterscheiden sich sogar die Definitionen von "Nanomaterial" - würde die engere, US-amerikanische Definition hierzulande gelten, würden die Auswirkungen vieler Materialien schlichtweg nicht mehr untersucht werden. Dabei halten viele Forscher (und Privatpersonen) den Einfluss von Nanopartikeln auf Mensch und Umwelt auch in der EU nicht für ausreichend untersucht.
  • Pflanzenschutzmittel und Biozide

    Im Gegensatz zu den USA sind in der EU sowohl toxische, bioakkumulierbare, sich also im Körper anreichernde, als auch erbgutverändernde und fortpflanzungsschädigende Stoffe verboten.
  • Chemikalienrückstände in Futtermitteln

    Hier sind die EU-Grenzwerte strenger. Als man 2012 in europäischem Futtermais das Schimmelpilzgift Aflatoxin B entdeckte, war dieser für den europäischen Markt nicht mehr zugelassen - konnte aber noch als Futtermittel in die USA verschifft werden.

Schon die Herangehensweise an Umweltschutz unterscheidet sich fundamental: In Europa gilt das Vorsorgeprinzip, das heißt, für alle Stoffe muss vor Verwendung nachgewiesen sein, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht. Auf der anderen Seite des Atlantiks hingegen gilt das Risikoprinzip – ein Stoff wird dort so lange als ungefährlich angesehen, bis das Gegenteil nachweisbar ist. Das beschleunigt die Marktreife von Produkten, erhöht aber auch das Risiko für Verbraucher. So wird vieles, was in den USA schnell zugelassen, verkauft und weiterentwickelt wird, in Europa noch untersucht.

"Standard-Dumping" durch TTIP wäre gefährlichEinigen sich die Unterhändler nun auf den „kleinsten gemeinsame Nenner“, also die niedrigsten Umweltauflagen, wäre das ein trauriges Ergebnis für Konsumenten und Umwelt gleichermaßen - Chemikalienrückstände in der Nahrung und Tierfutter beispielsweise dürften dann häufer zu finden sein.

Aber auch für die europäische Wirtschaft, gerade die Green Economy, könnte das 'Standard-Dumping' nachteilig sein. Anspruchsvolle Umweltstandards motivieren Unternehmen oft dazu, effizient und schadstoffarm zu arbeiten. Inzwischen sind diese Effizienztechnologien ein Wettbewerbsvorteil und Exportgut der EU-Länder.

Ebenfalls geplant ist, dass US-Handelspartner noch vor dem EU-Parlament und der europäischen Zivilgesellschaft über EU-Gesetzesvorhaben erfahren müssen. Keine gute Aussichten für Umweltschutzgesetze. Doch das Umweltbundesamt erinnert auch daran, dass TTIP eine Chance auf gemeinsame, ambitionierte Umweltstandards sein kann.

Dann darf sich das Abkommen aber nicht den Interessen von Investoren unterordnen. Was die europäische Handhabung mit Gefahrstoffen angeht, so meint Astrid Matthey vom Umweltbundesamt etwa, dass es "außerordentlich wichtig ist, dass das Vorsorgeprinzip weder im Rahmen der TTIP-Verhandlungen noch in der sich daran ggf. anschließenden Regulatorischen Kooperation aufgeweicht wird." Nur, wer kann das im Blick behalten? Die Bevölkerung ist jedenfalls bei den Entscheidungen weitestgehend ausgeschlossen.

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