Bisher gibt es nur ein Mittel gegen auslaufendes Öl im Meer: Keine Tanker und keine Ölbohrinseln mehr zu betreiben. Da das aber ziemlich unwahrscheinlich ist, wird es weiter zu Unfällen wie dem auf der Deepwater Horizon im Golf vom Mexiko kommen. Im Jahr 2010 fand dort ein sogenannter Blowout statt, bei dem Öl unkontrolliert durch das Bohrloch nach oben schoss. Eine Explosion war die Folge und Millionen Liter Erdöl liefen daraufhin in das Meer.
Es dauerte mehrere Monate, bis der Ölfilm oberflächlich beseitigt war. Doch keine der Maßnahmen - Abbrennen des Ölteppichs, Einsatz von Chemikalien, die das Öl auflösen sollten - konnte die Katastrophe schnell genug eindämmen.
Vorbild NaturEine neuartige Folie aus dem Karlsruher Institut für Technologie hätte es vielleicht besser gemacht. Sie ist immun gegen Wasser und nimmt nur das Öl auf. Pro Quadratmeter schafft sie 200 Gramm, obwohl sie nur wenige Millimeter dick ist. Wenn sie ihre Arbeit getan hat, hievt die Schiffsbesatzung sie an Bord. Dort kann sie ausgewrungen werden, sodass das Öl sogar wiederverwendbar ist.
Nur: Vorerst gibt es diese Folie nur in winzigen Größen. Fünf mal fünf Zentimeter messen die Prototypen, die am Institut für Mikrosystemtechnik entwickelt worden sind. Im Labor haben sie gezeigt, dass sie mit Öl aller Art fertig werden. „Wir haben sogar Rohöl aus der Raffinerie besorgt. Damit hat es auch geklappt“, sagt Hendrik Hölscher, Abteilungsleiter für biomimetische Oberflächen, also Oberflächen, die der Natur nachempfunden sind.
Vorbild in diesem Fall war der Wasserfarn Salvinia, der sich mit Nanostrukturen schützt. Obwohl er komplett unter Wasser wächst sind seine Blätter stets trocken. Die Strukturen in seiner Oberfläche sind hydrophob, weisen also Wasser ab. Genauso macht es der Kunststoff Polycarbonat, mit dem die Karlsruher experimentieren. Eigentlich ist er hydrophil, also Wasser liebend. Durch die Nanostrukturierung seiner Oberfläche wird er zum genauen Gegenteil. Er stößt Wasser ab. Öl saugt er dagegen begierig auf.
Wie ein Schnitzel in der PfanneDie Folien entstehen in einer Art stählerner Pfanne, deren Boden mit winzigen Partikeln beschossen wird. Dabei entstehen Poren, die denen des Wasserfarns ähneln. Im nächsten Schritt wird die Pfanne erhitzt. Statt eines Schnitzels legen die Wissenschaftler eine Kunststofffolie hinein. Da sie mit dem Pfannenboden ein wenig verklebt, bilden sich beim Abziehen an der Unterseite der Folie hauchfeine Fäden. Flapsig nennen die Forscher das einen Nanopelz.
Die winzigen Folien, die bisher produziert worden sind, reichen natürlich nicht für Katastropheneinsätzen. Doch Hölscher weiß schon, wie sich die Fläche drastisch vergrößern lässt. Dazu bauen die Forscher eine beheizbare Walze aus Stahl, deren Oberfläche, wie die der Pfanne, mit Nanopartikeln beschossen wird.
Die Kunststofffolie wird so geführt, dass ihre Unterseite ein wenig aufweicht, während sie Kontakt zur Walze hat. Beim Abziehen entstehen die Härchen – ein Nanopelz von der Rolle. Wenn es gelingt, dieses Verfahren mit einem Industriepartner zur Serienreife zu entwickeln, gibt es endlich ein Verfahren, Öl nach Unfällen effektiv und ohne Beeinträchtigung der Umwelt von der Wasseroberfläche zu entfernen. Bisher sind Chemikalien meist am wirkungsvollsten, doch sie gefährden Meerestiere und Wasserpflanzen - der Teufel wird hier also sprichwörtlich mit dem Belzebub bekämpft.